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Ditib

Zwischen Deutschland und Erdoğan

Bei seinem Staatsbesuch will Präsident Erdogan an der Eröffnung der Kölner Ditib-Moschee teilnehmen. Die Nähe zur Türkei hat den Verband in den vergangenen Jahren ins Abseits gerückt. Das Verhältnis zu deutschen Partnern hat sich deutlich abgekühlt. Von Corinna Buschow

Donnerstag, 27.09.2018, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 30.09.2018, 13:43 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

In Berlin ist man ganz froh, dass der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan bei seinem Deutschlandbesuch Ende der Woche nicht wie sonst die ganz große Bühne sucht. Anders als bei früheren Reisen wird er nicht in einer Halle vor Tausenden Anhängern sprechen. Dies könnte ein Beitrag zum Abbau von Polarisierung sein, hieß es Anfang der Woche aus Kreisen des Bundespräsidialamtes. Seine Landsleute wird Erdogan diesmal bei der Eröffnung der großen Moschee in Köln treffen.

Die Moschee gehört zum Verband Ditib, der wegen seiner Nähe zur Türkei in der Kritik steht. Dass ausgerechnet Erdogan am Samstag das Gotteshaus einweiht, dürfte diese nicht schmälern. Im Bundespräsidialamt heißt es zum Verhältnis zu Ditib, es sei wie das zur Türkei allgemein: „einzigartig, aber nicht einfach“.

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Ditib – kurz für „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“ – ist der größte Islamverband in Deutschland. Bundesweit rund 900 Moscheen gehören zu dem Dachverband, der sich als religiöse Heimat vor allem für türkischstämmige Muslime sieht. Ditib ist eng angebunden an die türkische Religionsbehörde Diyanet. In Deutschland predigende Imame werden aus der Türkei entsendet.

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Wende mit Putschversuch

Jahrzehnte funktionierte das Modell. Seit dem Putschversuch 2016 in der Türkei ist die Anbindung an Ankara aber ein Problem. Der Generalbundesanwalt ermittelte im vergangenen Jahr gegen Ditib-Imame, denen vorgeworfen wurde, Anhänger des Predigers Fetullah Gülen – und damit mutmaßliche Erdogan-Kritiker – ausspioniert zu haben. Die Ermittlungen wurden im Dezember 2017 eingestellt, unter anderem, weil sieben Imame zwischenzeitlich ausgereist waren. Der Verdacht der Einflussnahme aus der Türkei aber blieb – und mit ihm eine wachsende Distanz zwischen dem Verband, der an Integrationsprojekten und Modellen für islamischen Religionsunterricht beteiligt war, und deutschen Kooperationspartnern.

Die Nähe zur Türkei ruft inzwischen sogar den Verfassungsschutz auf den Plan. Einen Bericht von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“, nach dem das Bundesamt eine Beobachtung des Moscheeverbandes plant, wollte man dort zwar nicht bestätigen. Der Verfassungsschutz habe aber festgestellt, dass insbesondere im Zusammenhang mit türkischen Militäroperationen in Nordsyrien „einzelne Ditib-Moscheegemeinden verfassungsfeindliche nationalistisch-religiöse Aktivitäten entwickelten und entsprechende Äußerungen tätigten“, erklärte ein Sprecher. Anfang des Jahres gab es den Vorwurf, Ditib-Imame hätten zu Gebeten für einen Erfolg der türkischen Offensive in Afrin aufgerufen.

Förderung eingestellt

Die Bundesregierung hat die Förderung von Projekten in Trägerschaft von Ditib inzwischen eingestellt. Das Ziel von Ditib, in Deutschland als Religionsgemeinschaft anerkannt zu werden, scheint wegen der fehlenden Unabhängigkeit von der Türkei in weite Ferne zu rücken. Im Dialog bleiben will man trotzdem. „Wir werden den Gesprächsfaden hier nicht abreißen lassen und weiterhin auf eine stärkere Verortung in Deutschland drängen“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums.

Ditib-Vertreter sollen nach seinen Angaben auch zur Neuauflage der Deutschen Islamkonferenz im November eingeladen werden. Innen-Staatssekretär Markus Kerber will das Dialogforum für weitere Einzelpersonen und Initiativen öffnen und den Dialog nicht auf die Verbände „verengen“, wie er selbst sagte. Sein Wunsch ist die Entwicklung eines „deutschen Islam“. Eine starke Beeinflussung aus dem Ausland passt da nicht.

Zurückhaltung bei der Evangelischen Kirche

Zurückhaltung gegenüber Ditib ist derzeit auch die Linie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die im christlich-islamischen Dialog in unregelmäßigen Abständen den Koordinationsrat der Muslime trifft, dem auch Ditib angehört. Die Hinweise auf Einflussnahme auf den Verband seien „eine echte Beeinträchtigung des Vertrauens“, sagte der Berliner Landesbischof Markus Dröge.

Dröge, der auch dem Rat der EKD angehört, präsentierte in dieser Woche ein neues Positionspapier der evangelischen Kirche zum Islam. Ohne Ditib konkret zu nennen heißt es darin: „Die aktuellen politischen Entwicklungen in der Türkei sowie in anderen Ländern haben einen zum Teil negativen Einfluss auf die Dialogsituation in Deutschland.“ Auch das über Jahrzehnte in der Bundeshauptstadt aufgebaute gute Verhältnis ist laut Dröge durch den Vertrauensverlust belastet. Man versuche, einen „gewissen Gesprächsfaden“ zu halten, sagte der Bischof: „Aber das ist doch schon zurückgenommen.“ (epd/mig) Aktuell Panorama

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  1. Konkretisierung sagt:

    Hallo :)

    „Die Bundesregierung hat die Förderung von Projekten in Trägerschaft von Ditib inzwischen eingestellt.“

    Könnte dieser Satz etwas konkretisiert werden? Wo wurden denn welche Projekte von wem gefördert? Angabe der Quelle wäre natürlich auch super. Danke schön!