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Stacheldraht © JarkkoManty @ pixabay.com (CC 0), bearb. MiG

"Menschenverachtende Abschottung"

Amnesty und Pro Asyl sehen offene Gesellschaft in Gefahr

Menschenrechtler warnen in der Flüchtlingsdebatte vor einem Abbau grundlegender Menschenrechte. Der Zugang zu Gerichten müsse für alle Menschen gesichert werden. Sie sehen die Prinzipien einer offenen und freien Gesellschaft in Gefahr.

Donnerstag, 27.09.2018, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 03.10.2018, 17:17 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Amnesty International und Pro Asyl haben Bundesregierung und EU eine menschenverachtende Abschottungspolitik gegenüber Asylsuchenden vorgeworfen. Durch weitere bilaterale Rücknahmeabkommen mit einzelnen Staaten werde geltendes europäisches Recht gebrochen und Flüchtlingen in Deutschland der Rechtsweg vorenthalten, erklärten die beiden Menschenrechtsorganisationen am Mittwoch in Berlin. Die deutsche Regierung müsse sich bei ihrer Asylpolitik von menschenrechtlichen Prinzipien leiten zu lassen und ihre völker- und europarechtlichen Verpflichtungen erfüllen.

„Europa ist mitverantwortlich für Folter und Misshandlung von Migranten und Flüchtlingen in libyschen Gefängnissen, wenn es die libysche Küstenwache aufrüstet und trainiert“, sagte Franziska Vilmar, Asylpolitik-Expertin bei Amnesty in Deutschland. Sie forderte die EU-Mitgliedstaaten auf, wieder für eine funktionierende Seenotrettung im Mittelmeer zu sorgen. Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt sagte, das Sterben im Mittelmeer müsse aufhören: „Wer Rettung verhindert, nimmt Tote in Kauf.“

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Die aktuell diskutierte Stärkung der europäischen Grenz- und Küstenwache Frontex sei die falsche Antwort auf die Flüchtlingstragödien vor den Toren Europas und die fehlende Solidarität innerhalb der EU, sagte Vilmar weiter. Burkhardt ergänzte: „Die Europäische Union will den Zugang zum Asylrecht systematisch versperren.“

Rechtsstaat und Menschenwürde außer Kraft gesetzt

Aufgrund des EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens lebten derzeit rund 20.000 Menschen auf den griechischen Inseln unter katastrophalen Bedingungen, dreimal mehr als Kapazitäten vorhanden seien. „In den griechischen Hotspots werden Rechtsstaat und Menschenwürde außer Kraft gesetzt“, unterstrich Burkhardt. Die Abschiebung in die Türkei drohe ohne Prüfung der Fluchtgründe.

„Die auf den Inseln seit Monaten zusammengepferchten Menschen müssen sofort auf das griechische Festland gebracht und dort menschenwürdig untergebracht und versorgt werden“, forderte Vilmar. „Sie haben das Recht auf ein faires Asylverfahren in der EU und eine Prüfung ihrer individuellen Fluchtgründe.“

Asylsuchende werden ihrer Rechte beraubt

Burkhardt nannte es inakzeptabel, dass die Bundespolizei ermächtigt werde, „Asylsuchende an der deutschen Grenze aufzugreifen und in den Flieger etwa nach Griechenland zu setzen, ohne dass sie den Rechtsweg beschreiten können“. Mit den von der Bundesregierung angestrebten „Deals“ mit einzelnen EU-Staaten zur Rücknahme von Flüchtlingen solle europäisches Recht umgangen werden.

Auch in den sogenannten Anker-Zentren würden Asylsuchende ihrer Rechte beraubt, da keine unabhängige Rechtsberatung gewährleistet sei. Auch gebe es keine, ursprünglich vorgesehene Asylverfahrensberatung für besonders Schutzbedürftige wie etwa Journalisten und Homosexuelle.

Abschiebungen nach Afghanistan

Amnesty und Pro Asyl forderten die Bundesregierung auf, niemanden mehr nach Afghanistan abzuschieben. Die Menschenrechts- und Sicherheitslage dort sei derart schlecht, „dass jede Abschiebung gegen Völkerrecht verstößt“, sagte Vilmar. „Erst Ende August hat auch das UN-Flüchtlingshilfswerk Kabul als unsicher eingestuft – doch die Bundesregierung und einzelne Bundesländer ignorieren dies“, hieß es.

Aus Sorge vor einer Zunahme rassistisch motivierter Politik und Gewalt in Deutschland und Europa rufen beide Organisationen zur Teilnahme an einer Demonstration am 13. Oktober in Berlin auf. Sie steht unter dem Motto „Für eine offene und freie Gesellschaft – Solidarität statt Ausgrenzung“. Organisiert wird die Kundgebung vom Bündnis #unteilbar. (epd/mig) Leitartikel Politik

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