Debatte geht weiter

Kopftuchverbot hätte Konsequenzen für andere Religionen

Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle und die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung sprechen sich gegen ein Kopftuchverbot für Kinder aus. Es sei verfassungsrechtlich bedenklich und hätte zudem Konsequenzen für andere religiöse Jungen und Mädchen.

Mittwoch, 11.04.2018, 6:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 12.04.2018, 17:58 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Ein Kopftuchverbot an Schulen würde nach Ansicht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes auch Einschränkungen für andere religiöse Jungen und Mädchen nach sich ziehen. Eine „Spezialgesetzgebung“ sei verfassungsrechtlich problematisch, erklärte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Christine Lüders, am Dienstag in Berlin.

Christen, Muslime und Juden hätten Recht auf Ausübung ihrer Religion. „Ein Kopftuchverbot an Schulen würde in letzter Konsequenz auch das Verbot für das Tragen anderer religiöser Symbole wie eines Kruzifix oder einer Kippa zur Folge haben“, warnte sie.

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Lüders wandte sich gegen das in Nordrhein-Westfalen diskutierte Kopftuchverbot für minderjährige Schülerinnen. „Wer das muslimische Kopftuch an Schulen verbieten will, der löst damit keine Integrationsprobleme, sondern trägt dazu bei, dass sich Schülerinnen ausgegrenzt und diskriminiert fühlen“, erklärte sie. Wichtiger sei es, Schülerinnen und Schülern die Bedeutung von Selbstbestimmung zu vermitteln.

Widmann-Mauz: Kopftuchverbot verfassungsrechtlich bedenklich

Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), betrachtet ein mögliches Kopftuchverbot für Mädchen kritisch. Zum einen ergäben sich schwierige verfassungsrechtliche Abwägungsfragen, zum anderen würde das mit den kopftuchtragenden Mädchen verbundene Problem mit einem Verbot nicht gelöst, sagte Widmann-Mauz der „Welt“. „Wir müssen die Eltern erreichen und die Mädchen stark machen, eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen“, erläuterte die CDU-Politikerin.

„Gleichzeitig dürfen Frauen, die sich aus freien Stücken für ein Kopftuch entscheiden, keine Benachteiligungen erfahren“, sagte Widmann-Mauz: „Für alle muss gelten: Du bist ein wertvolles Mitglied unserer Gesellschaft, eine tolle Krankenschwester zum Beispiel, eine tolle Ingenieurin, mit oder ohne Kopftuch.“

In Deutschland erwägt die nordrhein-westfälische Landesregierung eine Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren. Kinder, die noch nicht religionsmündig seien, dürften nicht dazu gedrängt werden, ein Kopftuch zu tragen, sagte Integrationsminister Joachim Stamp (FDP). Zuvor hatte der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz angekündigt, ein Kopftuchverbot für Kinder in Grundschulen und Kindergärten zu erlassen. (epd/mig) Aktuell Politik

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  1. Für Weltanschauungsmündigkeit ab 18 Jahren.

    Ich finde, das Kopftuch-Problem sollte in einem größeren Zusammenhang gesehen werden.
    Wie ein Mensch die Welt anschaut – ob z.B. religiös oder nichtreligiös – ist eine so grundlegend wichtige Angelegenheit, dass die Entscheidung darüber, ob man sich einer bestimmten Weltanschauungsgemeinschaft anschließt, erst bewusst mit 18 Jahren mit voller Verantwortung getroffen werden sollte. Dann wäre noch immer Gelegenheit, sich z.B. taufen oder beschneiden zu lassen, ein Kopftuch zu tragen bzw. Mitglied einer nichtreligiösen (z.B. humanistischen oder atheistischen) Weltanschauungsgemeinschaft zu werden.
    In den Jahren davor wäre es die Aufgabe von Eltern wie Staat, dem heranwachsenden Menschen möglichst viel emotionale und verstandesmäßige Unterstützung zu geben, mit den Schwierigkeiten des Lebens zurechtzukommen und einen tragenden Sinn im Leben zu finden. Hierbei sollte ein für alle Schüler verbindlicher Weltanschauungsunterricht den bisherigen sehr einseitigen, äußerst ungerechten und den Klassenverband spaltenden Religionsunterricht ablösen. Es sollte dabei möglichst objektiv über die wichtigsten religiösen wie nichtreligiösen Weltanschauungen informiert werden, so dass die Schüler dann nach und nach zu einer eigenständigen, selbst verantworteten Weltanschauung auf dem Boden der Menschenrechte gelangen könnten.

  2. Josef Clemens Artzdorf sagt:

    Lüders: „Ein Kopftuchverbot an Schulen würde in letzter Konsequenz auch das Verbot für das Tragen anderer religiöser Symbole wie eines Kruzifix oder einer Kippa zur Folge haben“
    Widmann-Mauz: „Wir müssen die Eltern erreichen und die Mädchen stark machen, eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen“
    „Gleichzeitig dürfen Frauen, die sich aus freien Stücken für ein Kopftuch entscheiden, keine Benachteiligungen erfahren“
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    Wenn erwachsene Frauen aus religiösen Gründen freiwillig und selbstbestimmt Kopftuch tragen möchten, dann hat man das auch als Nichtmuslim zu respektieren, erst recht zu tolerieren. Selbst dann, wenn einem die Beweggründe solchen Handelns, auch in Bezug auf die zweifelsfrei vorhandenen „männlichen Anteile“ einer solchen Entscheidung einer Frau, nicht wirklich einsichtig erscheinen. Um es einmal so sachlich als möglich auszudrücken. In diesem Land herrscht uneingeschränkt, komme es gelegen oder ungelegen, für jeden Menschen das Recht auf freie Religionsausübung!
    Wer nun aber das Tragen eines Kopftuchs bei Mädchen gleichsetzt mit dem Tragen eines Kreuzkettchens oder einer jüdischen Kippa bei Männern, hat entweder von der völlig unterschiedlichen Symbolik keine Ahnung, oder versucht aus durchsichtigen Gründen mit Absicht diese Unterschiede zu verwischen.
    Natürlich gehe ich davon aus, dass bei Frau Lüders und bei Frau Widmann-Mauz ersteres nicht in Frage kommt. Ebenso ist davon auszugehen, dass ihre Äußerungen durchaus auch ein Versuch sein sollen, die Debatte zu entschärfen. Das mag gut gemeint und ehrenwert gedacht sein, ist aber in der Sache untauglich und ändert nichts daran, dass solche Nebelkerzen ein typischer Ausfluss falsch verstandener Verharmlosungsstrategie sind. Wir sollten schon auch der Wahrheit in´s Gesicht schauen wollen.
    Unmündige, kindliche Mädchen zum Tragen des Kopftuchs anzuhalten, ist nicht selbstbestimmtes Handeln der Kinder, sondern soll eine spätere Familiendebatte mindestens entsprechend präjudizieren, am besten aber ganz vermeiden helfen. Denn pubertierende Girlies sind heutzutage auch in muslimischen Familien bei weitem nicht mehr so leicht zu „domestizieren“ wie Grundschulkinder.
    Die eigentlich dahinter verborgene Motivation allerdings erscheint mir noch weitaus fragwürdiger zu sein. Mir vermag nämlich niemand einzureden, da mögen die Umschreibungen noch so phantasievoll sein, dass es irgendeinen anderen Grund zur Verhüllung der Haare eines muslimischen kleinen Mädchens geben soll, als der zu verhindern, dass die männlichen Bewohner des Planeten die Haare des Kindes zu Gesicht bekommen! Was denn sonst? Welche Vorstellungen geistern eigentlich in solchen Gedankengängen auf?
    Und mag man es nun drucken oder nicht: Ich wehre mich entschieden dagegen, gerade als Vater von 4 selbstbewussten Töchtern, dass da welche, warum auch immer, von sich selbst auf andere, nämlich auch auf mich, Rückschlüsse ziehen wollen!
    PS: Ich verurteile die widerliche, unaussprechlich billige und verdorbene Hetze rechtsradikaler Gruppierungen, namentlich Pegida und AfD, gegenüber Zugewanderten auf das entschiedenste! Bin als inzwischen „Ruheständler“ seit Herbst 2015 in der Betreuung Geflüchteter aktiv, insbesondere als Übersetzer. Und die allermeisten dieser Menschen liegen mir sehr am Herzen. Und weil ich sehr lange im arabischen Raum gelebt und gearbeitet habe, sind mir die Gepflogenheiten und Inhalte der islamischen Religion alles andere als neu. Und der Islam hat nichts, aber auch gar nichts, diabolisches! Allerdings gehört die Fähigkeit zu Einsicht und Selbstkritik nicht wirklich zu seinen Stärken. Wenn wir aber die Augen immer nur fest verschließen vor dem, was diese Religion auch in normalster, und keineswegs nur islamistischer Ausprägung von den Werten von Aufklärung und europäischer Moderne nun einmal trennt, wird gedeihliches Miteinander in einer multikulturellen Gesellschaft zum Scheitern verurteilt sein. Es würde ein Dialog zwischen Taubstummen sein!

  3. Raver sagt:

    @Joes: Wo soll der Unterschied bei der Kippa zum Kopftuch denn liegen? DAs umgehängte Kreuzchen das im Zweifel keiner sieht stört mich da weniger. Eine Kippa trägt der Junge im Zweifel auch nicht freiwillig – insofern sehe ich da jetzt mal grundsätzlich keinen Unterschied.
    Und wenn wir von „gleichem Recht“ sprechen dann bedeutet es auch eben das.
    Grundsätzlich sind alle religiösen Gebote kritisch zu sehen. Denn woran bemisst sich ob ein Gebot okay ist und tolerierbar oder nicht? Und wer legt fest welche Religionen ein „Recht“ darauf haben? ICh sage – mein Glaube gebietet es mir nur so wie mein Schöpfer mich schuf durch die Gegend zu rennen, und das auch für meine Kinder. Wobei ich das so auslege das ich , aus gesundheitlichen Gründen, durchaus Kleidung tragen darf, aber die muss dann eben transparent sein. Und natürlich gilt das auch für meine Kinder. Sie haben was dagegen? Das beschneidet dann mein Recht auf Religionsfreiheit! Nur weil meine Religion nur 5 Anhänger hat und ihre 2 Milliarden ist meine ja nicht weniger Wert oder nicht zu berücksichtigen.