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Sais Rezek © Privat, bearb. MiG

Brief an OB Thomas Kufen

„In Essen verlaufen die Grenzen zwischen arm und reich und nicht am Pass.“

Said Rezek ist Essener Bürger und enttäuscht über Oberbürgermeister Thomas Kufen. Er hatte Verständnis für die Entscheidung der Essener Tafel gezeigt, vorerst keine ausländischen Mitbürger mehr aufzunehmen. In einem offenen Brief appelliert Said Rezek an Kufen, die Grenzen in seiner Stadt nicht am Pass zu ziehen, sondern an der Bedürftigkeit der Menschen.

Von Montag, 26.02.2018, 6:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 27.02.2018, 20:56 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Sehr geehrter Herr Thomas Kufen, Oberbürgermeister der Stadt Essen!

Ich heiße Said Rezek und habe, wie mein Name vermuten lässt, einen sogenannten Migrationshintergrund. Um genau zu sein, aus dem Libanon. Wenn mich jedoch jemand fragt, woher ich komme, antworte ich ganz selbstverständlich: aus Essen. Denn hier bin ich zu Hause. In persönlichen Gesprächen werbe ich stets für meine Heimat und empfehle sie als Wohnort weiter.

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Seit dem Beschluss der Essener Tafel, vorübergehend nur noch deutsche Staatsangehörige als Neukunden aufzunehmen, hat unsere Stadt leider traurige Berühmtheit erreicht. Dieser Schritt wird damit begründet, dass ausländische Mitbürger die Mehrheit der Tafel Kunden ausmachen und sich einzelne nicht an die Regeln der Tafel halten.

Als Essener Bürger bin ich bestürzt über diese Entscheidung, denn sie spaltet unsere Stadtgesellschaft nach Nationalitäten. Wir sind jedoch alle Essener, egal woher unsere Eltern und Großeltern ursprünglich kommen, ob wir einen deutschen Pass besitzen oder nicht. Natürlich muss das Fehlverhalten einzelner Konsequenzen nach sich ziehen, aber Sippenhaft ist das falsche Rezept!

Gerade von Ihnen, Herr Oberbürgermeister Thomas Kufen, habe ich eine solche Haltung erwartet. Stattdessen äußern Sie Verständnis für das Vorgehen der Essener Tafel. Sie finden „die Entscheidung des Vorstands einer Begrenzung nachvollziehbar und respektieren“ sie, denn der Verein wolle sicherstellen, alle Teile der Bevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen.

Bei allem Respekt, Herr Kufen, aber mit diesem Standpunkt werden Sie dem Anspruch ihres Amtes, Oberbürgermeister aller Essener, aus über 170 Ländern zu sein, nicht gerecht. In Essen verläuft die Grenze nicht zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft, sondern zwischen dem wohlhabenden Essener Süden und den sozialen Brennpunkten im Norden unserer Stadt. Dieses Problem gilt es zu benennen und etwas dagegen zu unternehmen, statt Scheinlösungen zu begrüßen und damit Stellvertreterkonflikte zu befeuern. Es gibt keine Bedürftigen erster und zweiter Klasse, sondern nur Bedürftige.

Unter den Nutzern der Tafel gibt es natürlich besonders Betroffene, bspw. Senioren, Kranke oder Alleinerziehende. Wenn jemand bevorzugt behandelt werden sollte, dann sind es diese Gruppen, aber wohlgemerkt unabhängig von ihrer Herkunft.

Den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Essener Tafel gilt mein größter Respekt für ihren Einsatz. Die Verantwortlichen sollten jedoch die Nutzung des Angebots nicht von der Staatsangehörigkeit abhängig machen, sondern von der Bedürftigkeit. Als Essener wünschen wir von Ihnen, dass Gespräch mit der Tafel erneut zu suchen und eben darauf hinzuweisen.

Meiner Heimatstadt Essen werde ich jedem Fall auch weiterhin verbunden bleiben. Die Menschen sind es, die Essen zu etwas Besonderem machen. Wir sind direkt, aber herzlich. Wir sind Essener- und als solche vielfältig. Wir sind eins.

Mit freundlichen Grüßen

Said Rezek, Bürger der Stadt Essen Aktuell Meinung

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  1. President Obama sagt:

    Sehr geehrter Herr Rezek,

    Herr Kufen ist zwar der Oberbürgermeister der Stadt Essen, aber nicht verantwortlich für das Handeln der Tafel. Mir gefällt diese Vorverurteilung des Tafelvorsitzenden nicht.

    Auch die Begrifflichkeit Sippenhaft ist hier vollkommen fehl am Platze, bedient sie doch nationalsozialistisches Vokabular. Vielmehr wäre es wünschenswert, wenn sich mehr Menschen mit sog. Migrationshintergrund aus der Levante in den Tafeln engagieren und die „Missetäter“ direkt ansprechen.

    Meine Erfahrung zeigt mir leider, dass Menschen mit dem gleichen Migrationshintergrund wie die Rüpel noch weit weniger Mut besitzen diese in die Schranken zu weisen.

  2. Tomas Poth sagt:

    Sehr geehrter Herr Rezek,
    Sie haben leider nichts verstanden. Besuchen Sie einfach mal die Tafeln und sprechen mit den Menschen vor Ort. Ich bin überzeugt Sie hätten diesen Brief nicht geschrieben.

  3. aloo masala sagt:

    —-
    Auch die Begrifflichkeit Sippenhaft ist hier vollkommen fehl am Platze, bedient sie doch nationalsozialistisches Vokabular.
    —-

    Der Begriff Sippenhaftung ist ein paar Jahrhunderte älter als das deutsche Nazireich. Der Begriff passt jedoch deswegen nicht, weil nicht nur Verwandte ohne eigenes Verschulden für Missverhalten Anderer haften, sondern gleich Ausländer insgesamt. Hier wäre also der allgemeinere Begriff Kollektivhaftung passender.

    Tafeln sprachen in der Vergangenheit gegen Hilfbedürftigte Hausverbote aus. Das hätte auch die Essener Tafel machen können. Hier entschied man sich jedoch für ein diskriminierendes Vorgehen unter großem Applaus in den üblichen Teilen der Bevölkerung.

    Man spielt Hilfsbedürftigte nach rassistischen Kriterien gegeneinander aus anstatt gemeinsam das Versagen der Politik anzuprangern.