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Bundesinnenminister Thomas de Maizière © Henning Schacht / BMI

Interview mit Thomas de Maizière

„Kampf gegen Antisemitismus Teil der Staatsräson“

Der Kampf gegen Antisemitismus sei Teil der Staatsräson in Deutschland, sagt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im Gespräch. Er verurteilt judenfeindliche Straftaten und erklärt, warum ein Antisemitismus-Beauftragter nach seiner Ansicht in seinem Haus am sinnvollsten arbeiten kann.

Von Corinna Buschow Montag, 29.01.2018, 6:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 30.01.2018, 17:19 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Herr Minister, eine brennende Israel-Flagge vor dem Brandenburger Tor und die Beschimpfung eines jüdischen Restaurantbesitzers ebenfalls in Berlin. Erleben wir eine neue Qualität von Antisemitismus?

Thomas de Maizière: Leider gab es auch vorher schon antisemitische Straftaten, Situationen in denen Menschen wegen ihres jüdischen Glaubens in Deutschland bedroht oder gar angegriffen wurden. Und daher wäre es trotz der berechtigen öffentlichen Empörung über diese Vorfälle falsch, nur auf solche besonders spektakulären Taten zu schauen. Die Zahl antisemitisch motivierter Straftaten bewegt sich schon seit Jahren auf einem Niveau von rund 1.500 pro Jahr. Nach den uns bis jetzt vorliegenden Zahlen wird auch im Jahr 2017 die Zahl nicht zurückgegangen sein. Jede einzelne dieser Straftaten ist eine zu viel und eine Schande!

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Die meisten Taten werden von Personen aus dem rechtsextremen Milieu begangen. Hinzu kommt Antisemitismus, mit dem Zuwanderer aufgewachsen sind. Was heißt das für die Präventionsarbeit der künftigen Bundesregierung?

Wichtig ist und bleibt, dass die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der Kampf gegen jede Form von Antisemitismus Teil unserer Staatsräson ist. Judenfeindlichkeit darf, egal von wem und egal in welcher Form, in Deutschland nicht um sich greifen. Und es ist eine Selbstverständlichkeit, dass dies auch von Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, uneingeschränkt akzeptiert werden muss.

Die Befassung mit der deutschen Geschichte ist daher auch bereits fester Bestandteil der Integrationskurse. Dazu gehört zentral auch die Befassung mit dem Nationalsozialismus, Antisemitismus und mit religiöser Toleranz. Mit Erhöhung der Zahl der Unterrichtseinheiten wurde insbesondere die Darstellung der NS-Zeit und die sich hieraus ergebende besondere Verantwortung gestärkt. Hier ist also bereits viel geschehen, das gilt es auch in Zukunft weiterzuführen.

Der Bundestag hat sich für einen Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung ausgesprochen. Was kann der leisten und was spricht für eine Ansiedlung des Beauftragten im Bundesinnenministerium statt prominent im Kanzleramt?

Mit dem oder der Beauftragten für jüdisches Leben in Deutschland und dem Kampf gegen Antisemitismus wird es einen zentralen Ansprechpartner geben, der Maßnahmen der Antisemitismusbekämpfung und -prävention für die Bundesregierung insgesamt koordiniert. Gleichzeitig wird diese Stelle zentraler Ansprechpartner für Belange jüdischer Gemeinden sein. Forschungsvorhaben wie auch die Umsetzung der Empfehlungen des unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus können so zielgerichteter und effektiver vorangetrieben werden.

Schließlich wird das Thema insgesamt politisch aufgewertet und die nötige Aufmerksamkeit erhalten. Das Bundesinnenministerium ist sowohl für die Förderung jüdischen Lebens in Deutschland, als auch für die Bekämpfung von Antisemitismus und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zuständig. Hier sitzen die Fachleute und Experten für genau die Fragen und Aufgaben, die ein Antisemitismusbeauftragter zu bearbeiten hat. Deshalb wäre hier auch der richtige Ort. (epd/mig) Aktuell Interview Politik

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  1. -Ute Plass sagt:

    „Kampf gegen Antisemitismus Teil der Staatsräson“ halte ich für hohle Rhetorik.

    Wenn es Herrn Maizière wirklich darum geht, dass ‚jüdisches Leben‘ in Deutschland Ausdruck und Beachtung findet, dann gehört dazu, dass
    hier endlich gesetzliche Feiertage auch für Menschen jüdischen Glaubens (natürlich auch Feiertage anderer Religionen) selbstverständlich werden.
    Das erachte ich als wichtigen und notwendigen Beitrag gegen ‚gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit‘ und zur Förderung kultureller Vielfalt.