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Ulla Jelpke (Die Linke), innenpolitische Sprecherin © linksfraktion.de / bearb. MiGAZIN

Fake-news

EU nimmt fünfmal so viele Geflüchtete aus der Türkei auf wie vereinbart

Die Bild-Zeitung berichtet, die EU nehme fünfmal so viele syrische Flüchtlinge auf wie vereinbart. Das stimmt natürlich nicht. Es gibt eher Grund zum Schämen. Von Ulla Jelpke

Von Donnerstag, 29.06.2017, 4:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 29.06.2017, 16:41 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Es ist komplett absurd, wenn die Bild-Zeitung (Dienstag) mit der Schlagzeile aufmacht, die EU nehme fünfmal so viele syrische Flüchtlinge auf wie vereinbart – und damit suggeriert, die EU täte mehr als genug. Das ist schon angesichts der absoluten Zahl von weniger als 7.000 durch die gesamte EU aufgenommenen Flüchtlinge im Zeitraum von mehr als einem Jahr grotesk. Eine solche Betrachtung trifft aber vor allem nicht den Kern des schändlichen EU-Türkei-Deals, der selektive Abschottung der EU zum Ziel hat.

Die Milchmädchenrechnung der Bild-Zeitung mag nur auf den ersten Blick plausibel erscheinen: Ja, die EU-Mitgliedstaaten haben im März 2016 mit der Türkei vereinbart, für jeden von Griechenland in die Türkei zurückgeschickten syrischen Flüchtling einen anderen syrischen Flüchtling legal in die EU einreisen zu lassen. Dies ist der so genannte 1:1-Mechanismus, der ganz nebenbei eine offene Diskriminierung aller nicht-syrischen Flüchtlinge darstellt und das individuelle Recht auf Asyl aushebeln soll. Insofern übersteigt die Zahl der Aufnahmen durch die EU die Zahl der Zurückweisungen tatsächlich um ein Fünffaches.

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Doch in der Vereinbarung vom März 2016 steht auch, dass eine „Regelung für die freiwillige Aufnahme aus humanitären Gründen aktiviert“ wird, „sobald die irregulären Grenzüberquerungen zwischen der Türkei und der EU enden oder zumindest ihre Zahl erheblich und nachhaltig zurückgegangen ist“. Letzteres ist – leider – unzweifelhaft der Fall: Die Zahl der über die Türkei in die EU Geflüchteten ist nach Inkrafttreten des EU-Türkei-Deals aufgrund der Abschottungs- und Abschreckungsmaßnahmen der EU und der Fluchtverhinderungsaktivitäten der Türkei radikal zurückgegangen. Insofern wurde das Ziel des EU-Türkei-Deals vollständig erreicht, und diese zutiefst bittere Bilanz wird durch die Aufnahme von weniger als 7.000 Geflüchteten nicht einmal im Ansatz geschönt.

Offiziell wurde in der EU-Türkei-Vereinbarung mit bis zu 72.000 Aufnahmen infolge des 1:1-Mechanismus gerechnet, inoffiziell stand die Aufnahme einer sechsstelligen Zahl syrischer Flüchtlinge im Raum. 7.000 bislang aufgenommene Flüchtlinge sind angesichts der Zahl von etwa drei Millionen syrischen Flüchtlingen in der Türkei eher ein Grund zum Schämen, und nicht zum Selbstlob!

Dass die Zahl der in die Türkei zurückgewiesenen Flüchtlinge mit über Eintausend relativ klein geblieben ist, liegt schlicht daran, dass die griechische Justiz bis heute der Grundannahme des EU-Türkei-Deals widersprochen hat, wonach die Türkei ein sicherer Drittstaat sei, in den Schutzsuchende ohne jede inhaltliche Prüfung zurückgeschickt werden könnten.

Genau genommen ist deshalb bis heute kein einziger syrischer Flüchtling wie vom Abkommen vorgesehen in die Türkei zurückgeschoben worden (von Willkürmaßnahmen abgesehen); sie sind vermeintlich „freiwillig“ zurückgekehrt – in Wahrheit sind sie an den unerträglichen Unterbringungsbedingungen und der Hoffnungslosigkeit in den so genannten „hotspots“ auf den griechischen Ägäis-Inseln verzweifelt. Aktuell Meinung

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  1. Otto W sagt:

    @Jelpke

    Ernsthaft, jetzt? Sie behaupten die EU wäre „böse“ nur weil Sie die Zahl der aufgenommenen Flüchtlinge auf die Zahl der aufgenommenen Syrer beschränken. Was soll das? Kindergeburtstag!?