KZ-ähnliche Verhältnisse

In Libyen droht Flüchtlingen Misshandlung

Deutsche Diplomaten berichten über systematische Menschenrechtsverletzungen in libyschen Flüchtlingslagern. Zugleich denkt die EU über ein Abkommen mit Libyen nach - und bildet die Küstenwache dort aus, um Flüchtlinge und Schlepper aufzuhalten.

Von Phillipp Saure Donnerstag, 02.02.2017, 4:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 02.02.2017, 17:10 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Deutsche Diplomaten haben die Zustände in libyschen Flüchtlingslagern scharf kritisiert. Die deutsche Botschaft in Nigers Hauptstadt Niamey spreche von „allerschwersten, systematischen Menschenrechtsverletzungen in Libyen“. In einer sogenannten Diplomatischen Korrespondenz an die Bundeskanzlerin und andere Minister stehe: „Authentische Handy-Fotos und -videos belegen die KZ-ähnlichen Verhältnisse in den sogenannten Privatgefängnissen.“

Schlepper würden die Flüchtlinge gefangen halten. „Exekutionen nicht zahlungsfähiger Migranten, Folter, Vergewaltigungen, Erpressungen sowie Aussetzungen in der Wüste sind dort an der Tagesordnung“, heißt es in dem Bericht. Wer nicht genügend Geld für die Schlepper und die Flucht über das Mittelmeer besorgen könne, werde erschossen.

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Nach Angaben der EU starten 90 Prozent der Menschen, die die lebensgefährliche Flucht über das Mittelmeer wagen, in Libyen. Etwa 5.000 Menschen ertranken im Jahr 2016 auf dieser Flucht.

Rücknahmeabkommen mit Libyen für Flüchtlinge

In der Europäischen Union wird derzeit darüber diskutiert, ob mit Libyen ein ähnliches Rücknahmeabkommen für Flüchtlinge wie mit der Türkei geschlossen werden soll. Auch auf dem informellen EU-Gipfel in Malta am 3. Februar soll das Thema sein. Libyen steht im Mittelpunkt eines Vorbereitungspapiers der EU-Kommission und der EU-Außenbeauftragten vom 25. Januar für den Gipfel, ein wichtiger Punkt darin ist die Unterstützung für Libyens Küstenwache.

Bundeskanzlerin Angela Merkel schloss ein Abkommen nicht grundsätzlich, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus. Erst wenn die Regierung in Libyen tatsächlich die Kontrolle über das Land habe, könne „über Menschenrechtsfragen, Standards und ähnliches“ mit Blick auf ein Abkommen gesprochen werden, sagte Merkel am Samstag in ihrer Videobotschaft.

3,1 Millionen Euro für die libysche Küstenwache

Merkel verwies aber auch auf die von der EU beschlossene und vom Deutschen Bundestag unterstützte internationale Militäraktion Eunavfor Med Operation „Sophia“, die mit Libyen zusammenarbeitet. Die Soldaten aus vielen EU-Ländern gehen im Mittelmeer zwischen Italien und Libyen gegen Menschenschmuggel und Schleuser vor und retten Flüchtlinge aus Seenot. Zudem seien sie in der Ausbildung der libyschen Küstenwache aktiv, sagte Merkel.

Die EU-Kommission hatte Mitte der Woche eine engere Zusammenarbeit mit Libyen vorgeschlagen, die Unterstützung von libyscher Küstenwache und Marine solle verstärkt werden. Dafür sind 3,2 Millionen Euro geplant.

Pro Asyl: Ausbildung der libyschen Küstenwache beenden

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl forderte die Bundeskanzlerin dazu auf, die Ausbildung der libyschen Küstenwache zu beenden. „Aus Seenot Gerettete dürfen nicht nach Libyen gebracht werden und in KZ-ähnlichen Lagern landen“, teilte Geschäftsführer Günter Burkhardt am Sonntag mit.

Viele regten sich über den von US-Präsident Donald Trump geplanten Mauerbau an der Grenze zu Mexiko auf, sagte Burkhardt. Doch die EU wolle „Geld und Technik liefern für eine Art Doppelmauer“ im Mittelmeer und an der Grenze zwischen Libyen und Sudan. (epd/mig) Aktuell Ausland

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