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Aktuelle Studie

Viele Minijobber erhalten keinen Mindestlohn

Einer Untersuchung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zufolge werden Arbeitnehmer mit einem Minijob oft unter Mindestlohn-Niveau angestellt. Betroffen sind häufig Migranten. Das Bundessozialministerium bezweifelt die Aussagekraft der Forschungsdaten.

Dienstag, 31.01.2017, 4:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:43 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Viele Minijobber erhalten offenbar nicht den gesetzlichen Mindestlohn, obwohl er ihnen zusteht. Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf veröffentlichte am Montag eine Untersuchung, wonach im Jahr 2015 knapp die Hälfte der geringfügig Beschäftigten mit einem Minijob als Haupterwerbsquelle weniger als 8,50 Euro brutto die Stunde erhielten. Der Mindestlohn wurde Anfang 2015 in Deutschland eingeführt, zum Jahresbeginn 2017 wurde er auf 8,84 Euro erhöht.

Die Verfasser der Studie, Toralf Pusch und Hartmut Seifert, erklärten, die Zahlen ließen „keinen Zweifel daran, dass die Betriebe bei einem erheblichen Teil der Minijobber nicht wie gesetzlich vorgeschrieben die Löhne erhöht haben“. Das Mindestlohngesetz werde bei Minijobs offenbar noch längst nicht flächendeckend angewendet, auch wenn seit Einführung die Stundenlöhne der Minijobber im Haupterwerb im Durchschnitt angestiegen seien.

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Sozialministerium kritisiert Ungenauigkeiten

Das Bundessozialministerium kritisierte Ungenauigkeiten bei der Datengrundlage für die Untersuchung, über die zunächst die Süddeutsche Zeitung berichtet hatte. Andere Studien, die zum Teil auf größeren Datenquellen basierten, belegten die Aussagen des WSI in dieser Form nicht, sagte eine Sprecherin am Montag dem Evangelischen Pressedienst in Berlin: „Gleichwohl können Verstöße gegen das Mindestlohngesetz nicht ausgeschlossen werden.“ Deswegen sei die Dokumentationspflicht für geringfügige Beschäftigung eingeführt worden.

Der Studie zufolge verdienten im Jahresdurchschnitt 2014 etwa 60 Prozent der Minijobber weniger als 8,50 Euro die Stunde. Dieser Anteil sank bis März 2015 auf etwa 50 Prozent. Ziehe man die Umfrageergebnisse vom Juni 2015 heran, erhielten immer noch 44 Prozent der Minijobber nicht den Mindestlohn, hieß es. Etwa jeder fünfte Minijobber bekam sogar weniger als 5,50 Euro brutto pro Stunde.

Migranten häfiger Betroffen

Betroffen sind einer früheren Untersuchung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zufolge vor allem Arbeitnehmerinnen mit Migrationshintergrund. Danach gehen knapp ein Fünftel (19,7 %) aller erwerbstätigen Frauen mit Migrationshintergrund einem Minijob nach, bei Frauen ohne Migrationshintergrund sind es 12,6 %. Bei Männern mit und ohne Migrationshintergrund liegen die Quoten bei 7% bzw. 4,4 %.

Für die aktuelle Studie werteten die Forscher das sozio-oekonomische Panel und das Panel Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung aus. Für den ersten Datensatz werden vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung 27.000 Menschen jährlich befragt. Für das zweiten Panel werden vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 13.000 Menschen befragt.

Arbeitsministerium misstraut der Studie

Das Bundesarbeitsministerium vermutet „Unschärfen und Messungenauigkeiten“ bei der Studie. Beispielsweise könne nur schwer berücksichtigt werden, dass bestimmte Entgeltanteile auf den Mindestlohn angerechnet werden, sagte die Ministeriumssprecherin. Auch seien die Monatslohn- und Arbeitszeitangaben der Befragten nicht immer präzise. Das Ministerium verwies zudem auf Ergebnisse des Statistischen Bundesamts, wonach gerade die Stundenlöhne von geringfügig Beschäftigten 2015 überdurchschnittlich stark gestiegen seien.

Auch die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, sagte, alle Zahlen zeigten, dass der Mindestlohn Wirkung zeige: „Gegen gesetzwidrige Arbeitsverhältnisse hilft nur der Rechtsstaat – Kontrollen, Klagen und Strafen.“

Die Linke: Minijob = Ausbeutermodell

Der stellvertretende Linken-Fraktionsvorsitzende Klaus Ernst dagegen kritisierte Minijobs als „Ausbeutermodell“, die allein dazu dienten, „reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu umgehen und Menschen zu Dumpinglöhnen zu beschäftigen“. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, kritisierte, dass die Bundesregierung die Kontrollen des Mindestlohns „sträflich vernachlässigt“ habe.

Der Sozialverband SoVD warnte vor langfristigen Folgen, wenn Arbeitnehmer nicht den ihn zustehenden Mindestlohn erhielten. Auf diese Weise werde der Altersarmut Vorschub geleistet, erklärte SoVD-Präsident Adolf Bauer in Berlin. Auch er mahnte effiziente Kontrollen und mehr Informationen für Arbeitnehmer an. (epd/mig) Aktuell Studien Wirtschaft

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