Arbeitsmarkt

Atypische Beschäftigung unter Ausländern am höchsten

Die Bundesregierung rühmt sich gerne mit den sinkenden Arbeitslosenzahlen. Wie das Statistische Bundesamt aber mitteilt, steigt vor allem die atypische Beschäftigung - insbesondere bei Ausländern.

Mittwoch, 20.07.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die Zahl der Arbeitslosen erreicht immer neue Tiefstände. Von dem allgemeinen Aufschwung am Arbeitsmarkt profitieren auch Ausländer, deren Arbeitslosigkeit ebenfalls immer weiter zurückgeht. Doch ist das nur die eine Seite der Medaille, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. Der Beschäftigungszuwachs 2010 sei zu großen Teilen von Zeitarbeit getragen. So ist die Zahl der atypisch Beschäftigten im Jahr 2010 auf 7,84 Millionen gestiegen. Das ist nach den Ergebnissen des Mikrozensus gegenüber 2009 ein Anstieg um 243 000 Personen. Die Zahl der abhängig Beschäftigten insgesamt nahm zwischen 2009 und 2010 um 322 000 auf 30,90 Millionen zu. Damit trug die atypische Beschäftigung gut 75 Prozent zum Gesamtwachstum der Zahl abhängig Beschäftigter zwischen 2009 und 2010 bei.

Info: Unterscheidung zwischen EU- und Nicht-EU-Ausländern entsprechend der jeweils aktuellen politischen Grenzen der EU: ab Mai 2004 zzgl. Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern, ab Januar 2007 zzgl. Bulgarien und Rumänien.

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Ausländer häufiger atypisch beschäftigt
Wie das Statistische Bundesamt auf Anfrage des MiGAZIN weiter mitteilt, sind von der atypischen Beschäftigung insbesondere ausländische Arbeitnehmer aus Nicht-EU-Staaten betroffen. 36,5 Prozent von ihnen befanden sich laut Auswertungen des Mikrozensus 2010 in einem atypischen Beschäftigungsverhältnis. Bei Deutschen beträgt diese Quote lediglich 21,5 Prozent, bei EU15-Ausländern 22,1, bei EU25 Ausländern 24,8 und bei den EU27 Ausländern 25,2 Prozent. Umgekehrt ist das Verhältnis bei den Normalarbeitnehmern: während Deutsche zu 67,1 Prozent eine Fest- bzw. Vollanstellung haben, sind es bei Nicht-EU-Ausländern lediglich 52,2 Prozent.

Atypische Beschäftigung - Stand Mikrozensus 2010 © MiG

Atypische Beschäftigung - Stand Mikrozensus 2010 © MiG

Die Zunahme atypischer Beschäftigung ist hauptsächlich auf den Zuwachs von Personen in Zeitarbeitsverhältnissen zurückzuführen: Ihre Zahl wuchs von 2009 bis 2010 insgesamt um 182 000. Damit trug die Zeitarbeit allein zu deutlich mehr als der Hälfte (57 Prozent) des gesamten Beschäftigungsanstieges bei und erreichte 2010 mit 742 000 einen neuen Höchststand.

Vor- und nach der Wirtschaftskrise
Betrachtet werden hier abhängig Beschäftigte im Alter von 15 bis 64 Jahren, die nicht in Schule, Studium oder Berufsausbildung sind. Zu den atypischen Beschäftigungsformen werden dabei – im Unterschied zum Normalarbeitsverhältnis – befristete und gering­fügige Beschäftigung, Teilzeitarbeit bis zu 20 Wochenstunden sowie Zeitarbeit gezählt.

Im Krisenjahr 2009 war die atypische Beschäftigung im Vergleich zum Vorjahr 2008 noch um 129 000 Personen gesunken. Mit der Entwicklung von 2009 auf 2010 ist dieser Rückgang mehr als ausgeglichen worden. Vergleicht man 2010 mit 2008, hat die Zahl atypisch Beschäftigter um 1,5 Prozent zugenommen, die der Normalarbeitnehmer hingegen nur um 0,6 Prozent. „Vor allem Zeitarbeit und befristete Beschäftigung wurden von den Unternehmen als Mittel genutzt, um flexibel auf die konjunkturellen Veränderungen zu reagieren“, folgert das Statistische Bundesamt.

Zeitarbeitnehmer von Wirtschaftskrise besonders betroffen
Bei dem aktuellen Anstieg der Zeitarbeit um 32,5 Prozent im Vergleich von 2010 gegenüber 2009 ist zu berücksichtigen, dass die von Zeitarbeit betroffenen Arbeitnehmer die negativen Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise am stärksten gespürt hatten: Ihre Zahl war von 2008 auf 2009 um 8,5 Prozent gefallen. Im Vergleich der Situation vor und nach der Krise, hat die Zeitarbeit zwischen 2008 und 2010 im Saldo aber um 21,2 Prozent zugenommen. Von den 742 000 Zeitarbeitnehmer im Jahr 2010 befanden sich 503 000 oder gut zwei Drittel in einer unbefristeten, sozialversicherungspflichtigen Anstellung und arbeiteten mindestens 21 Stunden pro Woche. Das verbleibende Drittel der Zeitarbeitnehmer war mindestens hinsichtlich eines weiteren Merkmals atypisch beschäftigt. Allein 198 000 oder 27 Prozent waren als Zeitarbeitnehmer zugleich befristet beschäftigt.

Auch die befristete Beschäftigung legte im Jahresvergleich von 2010 gegenüber 2009 deutlich um 121 000 Personen oder 4,6 Prozent zu und lieferte damit einen Beitrag von 38 Prozent am Gesamtanstieg aller abhängig Beschäftigten. Die befristete Beschäftigung hatte 2009 einen Rückgang von 3,3 Prozent gegenüber 2008 verzeichnet, so dass der Vergleich des Jahres 2010 mit dem Vorkrisenniveau im Saldo nur einen leichten Anstieg zeigt (+ 1,1 Prozent).

Frauen häufiger atypisch beschäftigt
Die Teilzeitbeschäftigung stieg 2010 im Vergleich zu 2009 um 28 000 Personen und weist für die beiden letzten Jahren nur einen geringen Zuwachs auf (+ 0,5 Prozent). Bei der geringfügigen Beschäftigung deutet sich in diesem Zeitraum sogar ein leichter Rückgang an (– 2,4 Prozent). Von 2009 auf 2010 ist die Zahl der geringfügig Beschäftigten um 57 000 Personen gesunken.

Auffällig ist, dass sich Normal- und atypische Beschäftigung auch 2010 für Frauen und Männer unterschiedlich entwickelten. Die Zahl der Frauen in Normalbeschäftigung stieg zwischen 2009 und 2010 um 122 000 und damit stärker als die der atypisch beschäftigten Frauen, die um 72 000 zulegte. Dabei wurden letztere vorwiegend befristet (+ 52 000) und/oder in Zeitarbeit (+ 53 000) angestellt. Die Zahl der Männer in Normalbeschäftigung ging 2010 im Vorjahresvergleich sogar um 44 000 zurück, wohingegen die Zahl atypisch beschäftigter Männer um 171 000 stieg. Drei Viertel der Zunahme atypischer Beschäftigung bei den Männern gingen auf das Konto der Zeitarbeit (+ 128 000). Trotzdem waren auch 2010 Frauen noch deutlich häufiger atypisch beschäftigt als Männer. Bei ihnen lag der Anteil atypischer an allen Beschäftigten bei 37,2 Prozent, während der entsprechende Anteil der Männer nur 14,4 Prozent betrug. Ursächlich ist der höhere Frauenanteil in Teilzeit- und geringfügiger Beschäftigung. (bk)
Leitartikel Studien Wirtschaft

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