Minijob Studie

Migranten putzen als Minijobber weil sie sonst keine Arbeit bekommen

Arbeitgeber verletzen oft Rechte von Minijobbern und betroffen sind vor allem Migranten. Sie erhalten viel seltener Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Den Job nehmen Sie trotzdem an, weil sie nichts anderes finden. Das zeigt eine aktuelle Studie.

Dienstag, 19.03.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Von „gravierenden Verstößen“ bei der Gewährung gesetzlicher Leistungen sprach der nordrhein-westfälische Arbeits- und Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) am Montag in Berlin. Er stellte eine Studie zu den Arbeitsbedingungen von Minijobbern vor, die durch das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung durchgeführt wurde.

Danach haben mehr als 65 Prozent der Minijobber noch nie den ihnen gesetzlich zustehenden bezahlten Urlaub genommen. 41 Prozent wird der bezahlte Urlaub generell verwehrt. Selbst die Arbeitgeber geben in der Befragung zu, gesetzlich vorgeschriebene Leistungen nicht zu gestatten. So sagen 30 Prozent von ihnen, dass sie keinen Urlaub gewähren, 40 Prozent der Arbeitgeber zahlen kein Entgelt, wenn der Arbeitstag auf einen Feiertag fällt, 39 Prozent gewähren keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Und ein genauer Blick in die Studie zeigt, dass Minijobber mit Migrationshintergrund hiervon viel häufiger betroffen sind. Sie erhalten viel seltener Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und unbezahlten Urlaub als Minijobber ohne Migrationshintergrund.

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Arbeitskräfte zweiter Klasse
Angesichts der vorliegenden Zahlen sprach sich Schneider für die Einhaltung arbeitsrechtlicher Standards ein: „Die NRW-Landesregierung fordert, dass die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen stärker kontrolliert wird. Wer geringfügig Beschäftigten gesetzliche Leistungen vorenthält, darf nicht davon profitieren. Das heißt: Wir brauchen stärkere Sanktionen, damit arbeits- und tarifrechtliche Bestimmungen durchgesetzt werden. Dies gilt insbesondere für ungeschützte Arbeitsverhältnisse und damit auch für Minijobs“, so Schneider am Montag in Berlin.

„Wichtig ist mir festzustellen: Wir wollen die Minijobs nicht abschaffen. Aber wir wollen sie neu regulieren.“ Denn die Ergebnisse der Studie seien zum Teil erschreckend: „Obwohl Minijobberinnen und Minijobber arbeitsrechtlich allen anderen Beschäftigten gleichgestellt sind, werden sie von einer Vielzahl von Arbeitgebern als billige Arbeitskräfte zweiter Klasse behandelt“, so der NRW-Minister.

Migranten putzen häufiger
Auffällig ist auch, dass geringfügig Beschäftigte mit Migrationshintergrund wesentlich häufiger (34,1 Prozent im Vergleich zu 21,8 Prozent) im Reinigungsbereich tätig sind. Das erklärt möglicherweise auch den Umstand, dass 10,1 Prozent der Minijobber mit Migrationshintergrund in Privathaushalten arbeiten, während bei Personen ohne Migrationshintergrund dieser Anteil bei vergleichsweise niedrigen 5,9 Prozent liegt.

Download: Für die Studie „Studie zur Analyse der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse“, die hier heruntergeladen werden kann, wurden 25.000 Beschäftigte in Minijobs und 10.000 Arbeitgeber angeschrieben worden. Rund 3.200 beteiligten sich an der Befragung.

Hinsichtlich der beruflichen Perspektiven zeigt sich, dass ein großer Teil der Befragten (45 Prozent) sich für die Zukunft keine berufliche Veränderung wünscht. Auch in diesem Zusammenhang zeigen sich Unterschiede zwischen Minijobbern mit und ohne Migrationshintergrund. Während 20,2 Prozent der Migranten innerhalb der nächsten 12 Monate planen, eine sozialversicherungspflichtige Voll- oder Teilzeitstelle anzunehmen, schmieden nur 15,9 Prozent der Personen ohne Migrationshintergrund ähnliche Pläne.

Nichts anderes gefunden
Das erklärt auch einen weiteren Befund der Studie: Minijobber mit Migrationshintergrund geben doppelt so häufig an, die geringfügige Beschäftigung auszuüben, da sie nichts anderes gefunden haben (22 Prozent im Vergleich zu 11 Prozent). Das erklärt auch, dass die Hinzuverdienstmöglichkeit für Migranten seltener ein Beweggrund für die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung ist als für Personen ohne Migrationshintergrund (46 Prozent im Vergleich zu 61 Prozent).

Entsprechend groß zeigen sich die Unterschiede auch hinsichtlich der Leistungen, die die geringfügig Beschäftigten erhalten. Der Anteil von Migranten, die Arbeitslosengeld II beziehen (18 Prozent), ist mehr als doppelt so hoch wie der Anteil von Personen ohne Migrationshintergrund (8 Prozent). Auch beziehen die Befragten ohne Migrationshintergrund doppelt so häufig Rente oder Pension wie Personen mit Migrationshintergrund (18 Prozent im Vergleich zu 8 Prozent).

Jeder Zehnte Minijobber mit ausländischem Pass
Insgesamt geben drei Viertel der befragten geringfügig Beschäftigten an, deutsche Staatsangehörige zu sein (76,9 Prozent); eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen der Studie zufolge 9,7 Prozent. Ein Vergleich zu den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zeigt: Ausländische Arbeiternehmer sind bei Minijobs überrepräsentiert und somit häufiger von Benachteiligungen betroffen, die eine geringfügige Beschäftigung mit sich bringt. (hs) Leitartikel Studien Wirtschaft

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  1. Kolcek sagt:

    Die im Artikel benannten Probleme sind ganz normal, wenn es in einem Land schon eine gewisse Anzahl an Arbeitslosen (7 Millionen) gibt und die Zuwanderung von unqualifizierten Fachkräften weiter anhält. Es gibt so viele Migranten ohne Job, dass diese auch unter miserablen Bedingungen Arbeiten annehmen.

    Sowas nennt man Lohndumping und Menschenausbeutung. Gefördert wird diese Politik von SPD und Grünen, aber auch die CDU und die FDP lassen sich von den Lobbyisten unter Druck setzen.