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Volker Beck, religionspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, auf der Bundesdelegiertenkonferenz in Münster 2016 © Die Grünen

Keinen Kreuzzug gegen das Kopftuch

Kulturelles Dominanzgehabe widerspricht den Werten unserer Verfassung

Die CSU möchte ein Kopftuchverbot für Richterinnen oder Staatsanwältinnen. Die unabhängige und neutrale Justiz dürfe durch ein Kopftuch nicht erschüttert werden. Grünen-Politiker Volker Beck hält dagegen. Ein Gastbeitrag.

Von Volker Beck Mittwoch, 04.01.2017, 12:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 09.01.2017, 20:14 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die CSU ist wieder auf Kreuzzug gegen das Kopftuch: „Die unabhängige und neutrale Justiz ist Grundpfeiler unseres Rechtsstaates. Das Vertrauen der Öffentlichkeit hierauf darf durch das äußere Erscheinungsbild einer Richterin oder Staatsanwältin nicht erschüttert werden“, heißt es in einer Beschlussvorlage für die Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten Anfang Januar. Die Neutralität komme auch durch das Tragen der Robe zum Ausdruck. „Deswegen verbietet sich das Tragen eines Kopftuchs“.

Nein. Unterstellungen, Mutmaßungen und Unbehagen gegenüber dem Fremden reichen dafür nicht. Ein Kopftuchverbot für Richterinnen oder Staatsanwältinnen ist ein unnötiger Angriff auf ihre Religions- und Berufsfreiheit. Wer glaubt, ihr Glaube verpflichte sie zum Tragen des Kleidungsstücks, könnte dann nicht Richterin und Staatsanwältin werden. Dieser Eingriff in die Berufsfreiheit einer gläubigen Muslima ist nicht gerechtfertigt. Eine allenfalls abstrakte Gefahr für die staatliche Neutralität vermag ein pauschales Kopftuchverbot nicht zu rechtfertigen. Was das Bundesverfassungsgericht für staatliche Schulen für Recht erkannt hat, kann für den Bereich der Justiz aus einer politischen Laune heraus nicht einfach vom Tisch gewischt werden.

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Der Richter muss unbefangen sein. Er muss unparteiisch sein, er darf allein nach Recht und Gesetz und nicht nach persönlichen Neigungen urteilen.  Ich traue einer Muslima mit Kopftuch oder einem Juden mit Kippa genauso zu, Recht zu sprechen und unparteiisch zu entscheiden wie jeder anderen Person. Richter und Staatsanwälte sind Menschen, sie haben ihre Subjektivität als Organe der Rechtspflege aber zurückzustellen. Hat man berechtigte Zweifel an der Objektivität eines Richters, gibt es dagegen den Befangenheitsantrag und den Rechtsweg.

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Entscheidend ist nicht, was ein Mensch auf dem Kopf trägt, sondern was er in seinem Kopf hat. Mit dem Tragen eines Kopftuches können, müssen aber nicht, patriarchale Vorstellungen von Sexualität und Geschlechterrollen verbunden sein, die zu kritisieren sind. Aber diese Vorstellungen kann natürlich auch der muslimische, der katholische und der atheistische Richter hegen, der eben ein solches Kleidungsstück nicht trägt. Es ist schon ein Treppenwitz der Emanzipationsgeschichte, wenn jetzt im Namen der Gleichberechtigung der Frau bestimmte Frauen in ihrer Berufswahl eingeschränkt werden sollen.

Ich sympathisiere nicht mit dem Tragen des Kopftuches. Unsere Gesellschaft und der Staat sind da zum Schutz aufgerufen, wenn Zwang oder gesellschaftlicher Druck ausgeübt wird, sich für das Kopftuch zu entscheiden. Das gebietet die Religionsfreiheit.  Und es ist richtig, dass die Bedeckung des  Kopfes von Frauen im Islam selbst umstritten ist. Aber soll der Staat hier die richtige Auslegung der heiligen Schriften einer Religion selbst in die Hand nehmen? Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht der Politik das Notwendige ins Stammbuch geschrieben. In seinem Kopftuchurteil 2015 rief das Gericht erneut in  Erinnerung: „Dem Staat ist es … verwehrt, derartige Glaubensüberzeugungen seiner Bürger zu bewerten oder gar als ,richtig‘ oder ,falsch‘ zu bezeichnen; dies gilt insbesondere dann, wenn hierzu innerhalb einer Religion divergierende Ansichten vertreten werden“.

Aber um eine weltanschauliche Neutralität oder möglichst säkularorientierte Religionspraxis geht es der CSU ja auch gar nicht. „Bayern ist und bleibt ein christlich geprägtes Land, daran lassen wir nicht rütteln“, so formuliert der CSU-Generalsekretär und meint daraus Vorrechte gegenüber anderen Religionen ableiten zu können. Die Suprematie des Christentums gegenüber anderen Religionen mag CSU-Leitkultur sein, sie ist nicht die Kultur der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Diese basiert nämlich auf einem weltanschaulich neutralen Staat und der Freiheit des Glaubens und der Weltanschauung für die seiner Herrschaft Unterworfenen.

Und hier hapert es anderer Stelle: Selbstverständlich findet man in bayerischen Gerichtssälen noch Kreuze an den Wänden, nicht als Ausdruck einer individuellen Religionspraxis, sondern als kulturelles Zeichen von Staats wegen. Aber das christliche Kreuz ist nicht lediglich kulturelles Symbol oder gar ein überreligiöses Symbol für Humanität oder Barmherzigkeit. Es ist das Symbol einer bestimmten Religion, meiner Religion. Längst ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass niemand gezwungen werden darf, „unter dem Kreuz“ einen Rechtsstreit zu führen. Dennoch verzichten nicht nur die bayerischen Gerichte bislang nicht hierauf. Es ist schon Aberwitz, wenn vor diesem Hintergrund von CSU-Politikern die weltanschauliche Neutralität gegen muslimisch gläubige Richterinnen ins Feld geführt wird. Meines Erachtens gebietet die weltanschauliche Neutralität den Verzicht auf Kreuz, Mesusa oder Mihrāb im Gerichtssaal. Denn so tritt der Staat selbst den Rechtssuchenden gegenüber.

Wir werden für die Werte unserer Verfassung nur erfolgreich werben können, wenn wir diese Werte selber hoch halten und uns nicht von Stimmungen und Gefühlen treiben lassen. Ein liberaler Rechtsstaat muss verteidigt werden, indem wir differenzieren statt zu pauschalisieren, indem wir streiten statt zu diffamieren. Die Gleichheit der Verschiedenen, die unsere Verfassung postuliert, braucht eine gesellschaftliche Kultur des Respekts. Glaubensfreiheit ist immer die Freiheit der anders Glaubenden, der Religionsfreien und der religiösen Minderheiten. Das hat gesellschaftlich alles gerade keine Konjunktur, umso notwendiger ist es dafür jetzt zu streiten. Aktuell Meinung

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  1. Bernd M sagt:

    Sehr geehrter Herr Beck, mir geht ihre Sichtweise zu kurz. Ich möchte einfach keine religiösen und politischen Symbole in deutschen Gerichten sehen. Mich stört die öffentliche Dominanz von religiösen Symbolen bei dieser Religion. Ich kann mir vorstellen, dass wir heute schon Richter haben, die dem Judentum oder einer anderen Religion angehören. Haben Sie mal mitbekommen, dass die ein Tragen der Kippa oder anderer Symbole eingefordert haben? Ich nicht. Und das ist es, was für mich Religionsfreiheit ausmacht, nämlich auch die Freiheit – also das nicht Vorhandensein – von Religion – zumindest im öffentlichen Raum.
    Zumal es auch ausreichend Hinweise von Islamgelehrten gibt, dass das Tragen des Kopftuches keine Forderung des Islamischen Glaubens ist.
    Das Kreuz an der Wand des Gerichtssaals sehe ich schon noch differenziert. Nur weil ein Kreuz an der Wand hängt, kann ich auf keine Zuordnung zu den vielen Personen im Raum und ihrer jeweiligen Religiosität schließen, beim Kopftuch schon.
    Dies auch noch mit einem Berufsverbot gleichzusetzen zu wollen, erscheint mir ebenso abwegig. Wenn ich jetzt ein Gothics-Anhänger bin und nur schwarze Kleidung tragen kann, kann ich nicht erwarten, dass das Management bei BMW auf meine Bedürfnisse Rücksicht nimmt. In anderen Berufen ist es wieder liberaler. Dies ist aus meiner Sicht auch in Ordnung. Wir sind in erster Linie ein liberaler Wirtschaftsstaat und kein Religionsstaat. Und das Kopftuch ist ja nicht grundsätzlich überall verboten.
    Mir würde es zusagen, wenn wir solche Forderungen nach mehr Präsenz von islamischen Symbolen – und nur diese Religion hat seit einigen Jahren anscheinend ein Problem – im öffentlichen Leben erst regeln würden, wenn sich ein liberaler Islam in Deutschland durchgesetzt hat. Dazu könnten gerade die Grünen einiges beitragen.

  2. Samson sagt:

    Kulturelles Dominanzgebaren ist es auch, den Bastrock in Gerichtssälen zu verbieten. Na und! Wir leben nun einmal in Mitteleuropa. Wer sich nicht anpassen will und wem es nicht passt, kann sich ja bei Karl May erkundigen, was eine Zweit- oder Dritt-Welt-Justiz bedeutet! Ich kann verstehen, wenn sich Biodeutsche weigern, Leute zu 100% zu akzeptieren, die im Geruch stehen, vorsintflutliche Rechtsanschauungen zu vertreten.
    Im Übrigen ist es auch unüblich, bei internationalen Geschäftstreffen in Lederhose oder Kilt zu erscheinen. Na und!

    Das Kopftuch ist in einigen islamisch geprägten Ländern verboten, weil es ein Zeichen der Ablehnung des weltlichen Staates ist. Wenn unsere Juristen sich zum Totalnarren machen wollen, sollen sie das Kopftuch nur zulassen! Typisch Grüne!

  3. ahmetzade sagt:

    Es ist erwiesen, dass Kopftuchverbote, egal wo, nichts anderes sind und sein werden als Ausdruck von Religionsfeindlichkeit im Allgemeinen und Islamophobie im Besonderen. Alle anderen Begründungen und Argumente sind nur vorgeschoben und werden auch solche bleiben. Kopftuchverbote, egal wo, müssen endgültig der Vergangenheit angehören.

  4. Dr. Cengiz K sagt:

    Wie nennt man so etwas:
    …Die CSU ist wieder auf Kreuzzug gegen das Kopftuch…

    und dann:
    …Und es ist richtig, dass die Bedeckung des Kopfes von Frauen im Islam selbst umstritten ist….

    Und nein, umstritten ist da keineswegs etwas.. Die Aussage von Herrn Beck ist schlicht und ergreifend einfach falsch.. Wenn er Islamkunde bei Cem Özdemir besucht hat, wird vieles verständlich.. Als umstritten kann man eher die Grünenhaltung zu Themen wie Ökologie, Krieg, Pädophilie, Drogenmissbrauch und Terrorismus bezeichnen.. Wenn Die CSU auf Kreuzzug ist, was ist das dann, was Beck und Konsorten tun, wenn sie Angehörigen einer Weltreligion die Selbstbestimmung abgraben, wie neulich im Positionspapier dieses religionspolitischen Sprechers der grünen Islamhasserpartei?
    Was die CSU anbetrifft, diese lässt sich wahrlich nicht als eine seriöse Partei einordnen, und es ist unglaublich, dass sich ein zumindest technologisch hochentwickeltes Land wie Deutschland die Statistikbetrügerei dieser Bierdimpfler erlaubt..

    Und was hat das mit dem Mihrab im Gerichtssaal auf sich? Was ist das für ein Unsinn? Kann mir mal jemand die Telefonnummer vom Beck geben, das hält man im Kopf ja nicht aus.. Die grünregierten Städte und Kommunen und Länder sind i.Ü. totale Sauhaufen.. Willkür und Islamophobie und Misswirtschaft und Kungelei sind dort an der Tagesordnung..

    Bernd M: das, was sie da zusammenschreiben ist einfach nur als wirr und konfus zu bezeichnen.. Kreuz gut, Kopftuch schlecht? Wozu dieser ganze sinnbefreite Textblock.. […]

  5. posteo sagt:

    Wenn ich den Autor richtig verstanden habe, sollen die Bayern erst mal ihre Kruzifixe abzuhängen, dann wären muslimische Juristinnen auch bereit, ihr Kopftuch abzulegen. Na wenn das so einfach ist, ein Kruzifix hat m. M. in einem Amtsgebäude tatsächlich nichts zu suchen.

  6. Veronik sagt:

    Wäre Deutschland ein echter säkularer Staat, also kein Religionsunterricht in der Schule, keine Kreuze in Gerichts- und Klassensälen, keine Kirchensteuer, dann hätte man es Heute viel leichter der Islamisierung etwas entgegenzusetzen, aber da man der Chritstianisierung nichts entgegengesetzt (bzw. zu wenig, da es ja schon einen abnehmenden Trend gab) hat kommt man nun in Erklärungsnot, naja zumindest die Christen. Die Atheisten sind die einzigen die an ein firedliches Zusammenleben interesse zu haben scheinen und ihre Weltansichten nicht wie ein Monstrum vor sich hertragen müssen und ständig rumzicken. Der Artikel und diese Diskussion sind ein Beweis für die spalterische Wirkung von Religionen. Weder das Christentum noch der Islam sind in Deutschland eine Bereicherung für die Gesellschaft. Es geht immer nur darum sich selbst zu bereichern, sich das Maximum an Privilegien zu beschaffen und ständiges profilieren. Moral, Ethik und Respekt gibt es nicht mehr.

    Aus einem säkularen Staatsverständnis heraus, ist es nicht nachvollziehbar, was religiöse Symbole oder Kleidung in staatlichen Institutionen zu suchen haben.

    Was lernen wir also vom Christentum und dem Islam: Wenn man beharrlich und stur ist, ein paar Diskriminierungsvorwürfen hier formuliert und ein paar Rassimusvorwürfe da, dann kriegt man am Ende was man will. Frieden, Respekt und Zurückhaltung ist was für Lullis, hier gehts um Expansion…

    @Cengiz K
    Ihr Auslassungen über die Grünen und CSU sagt mehr über Sie aus, als über die Parteien. Ihr Kommentar trieft vor Hass.

  7. posteo sagt:

    Die Kirchensteuer ist keine allgemeine Steuer für die Amtskirchen, sondern ein Mitgliedsbeitrag der Kirchenmitglieder. Die Finanzämter behalten für das Weiterreichen der gezahlten Kirchensteuern eine Bearbeitungsgebühr ein. Blieben noch Gehälter für circa 100 höhere Priesterposten, Bischöfe und dergl. Wenn der soziale Friede davon abhängt, sollen die Kirchen darauf verzichten. Auf Religionsunterricht, zugunsten eines allgemeinen Ethikunterrichts sowieso.

  8. Dr. Cengiz K sagt:

    …Es ist schon ein Treppenwitz der Emanzipationsgeschichte, wenn jetzt im Namen der Gleichberechtigung der Frau bestimmte Frauen in ihrer Berufswahl eingeschränkt werden sollen….

    Jetzt, Herr Beck? Was war zum Beispiel mit Fereshta Ludin, und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes letztes Jahr nach über einer Dekade über die Ländergesetze bzgl. Schwestern mit Hilmar.. Die Diskriminierung von Muslimen in der bundesdeutschen Gesellschaft und im -deutschen System fängt nicht mit der CSU an.. Und hört nicht mit den Grünen auf.. Nein, das hat schon System, und die Grünen waren in Regierungsverantwortung damals..