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Marrakesch in Marokko © SuperCar-RoadTrip.fr @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Studie

Arabische Bevölkerung sieht EU kritisch

Die Menschen in arabischen Ländern sehen die Europäische Union (EU) nach einer neuen Studie mehrheitlich kritisch. Einer der wichtigsten Gründe für die Ablehnung der EU im arabischen Raum ist, dass die Mehrheit eine Einmischung von außen ablehnt.

Dienstag, 06.12.2016, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:43 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Die Europäische Union hat in arabischen Ländern einer Studie zufolge ein schlechtes Image. Im Gegensatz zu Lateinamerika, Asien und Subsahara-Afrika, wo in früheren Umfragen mehr als 70 Prozent der Bevölkerung die EU sympathisch finden, sehe in der arabischen Welt nur eine Minderheit den europäischen Staatenbund positiv, heißt es in der am Freitag veröffentlichten Analyse der Universität Münster. Die Spannbreite liege dort zwischen zehn und 45 Prozent Zustimmung.

Einer der Hauptgründe für die kritische Haltung ist laut Studie, dass die Mehrheit der Bevölkerung in der arabischen Welt eine Einmischung von außen ablehnt. „Je stärker der Wunsch nach nationaler Selbstbestimmung in der Bevölkerung ist, nicht zuletzt nach dem Arabischen Frühling, desto negativer die EU-Wahrnehmung“, sagte der Politikwissenschaftler Bernd Schlipphak vom Hochschul-Exzellenzcluster „Religion und Politik“.

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Religion spielt kaum eine Rolle

Info: Die Studie des Exzellenzclusters ist in englischer Sprache veröffentlicht worden: Isani, Mujtaba und Schlipphak, Bernd (2016). The Desire for Sovereignty – An Explanation of EU Attitudes in the Arab World. Journal of Common Market Studies, DOI: 10.1111/jcms.12485. Der Artikel kann gegen Gebühr heruntergeladen werden.

Der intensive Wunsch nach staatlicher Souveränität wurzele auch in der Kolonialzeit, als Europäer in der Region viel Einfluss nahmen, sagte Schlipphak. Zudem fehle es der arabischen Bevölkerung an Vertrauen in politische Institutionen. Die Religion spielt laut Studie bei der Einschätzung der EU keine so starke Rolle wie bisher angenommen. „Unsere Analysen deuten darauf hin, dass die EU-Wahrnehmung nicht durch die Nähe zu einem religiösen Führer beeinflusst wird“, sagte Schlipphak.

Schlipphak hatte mit dem Ko-Studienautoren Mujtaba Isani die Ergebnisse des repräsentativen „Arab Barometers“ ausgewertet, das die US-Universitäten Princeton und Michigan sowie die Arab Reform Initiative erstellt haben. Dazu wurden zwischen 2013 und 2014 insgesamt rund 14.800 Menschen in Jordanien, den palästinensischen Gebieten, Libanon, Ägypten, Sudan, Algerien, Marokko, Jemen, Kuwait, Libyen, Tunesien und Irak befragt. (epd/mig) Aktuell Ausland Studien

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  1. karakal sagt:

    Früher missionierten die Europäer die Welt mit ihrem Christentum, heute tun sie dies mit ihrer Form von Demokratie. Nach des arabischen Historikers und Begründers der Soziologie, Ibn Khalduns Feststellung ist Demokratie – zumindest nach westlichem Muster – nicht für die Araber geeignet. Werfen wir einen Blick auf die heutige Situation der arabischen Staaten, dann werden wir unschwer bemerken können, daß diejenigen von ihnen, die nach ihrer Entlassung in die Unabhängigkeit ursprünglich als Demokratien, als Republiken konzipiert waren, meist in Diktaturen entarteten und jetzt, nach dem Sturz der die Herrschaft usurpierenden Präsidenten, in Chaos versinken oder bei ihnen zumindest große Gefahr hierfür besteht, während die arabischen Monarchien sich als stabil erwiesen haben. Daher sollten die Europäer damit aufhören, ihren Nachbarn Demokratie aufdrängen zu wollen.

  2. Veronik sagt:

    @karakal

    Worin genau liegt denn die Inkompatibilität von Araber und Demokratie nach Ibn Khalduns? Ich hab jetzt schon den Verdacht, dass Sie hier sarrazineskes Gewäsch von sich geben werden, ohne das Wort Gene zu benutzen.

  3. posteo sagt:

    EU-kritisch? Dann sind die Araber wohl Rechtspopulisten. Ihre längste Kolonialzeit hat die arabische Welt übrigens unter den Osmanen erlebt. Wie weit sich das auf das Verhältnis zwischen den beiden Kulturräumen auswirkt, würde mich auch mal interessieren.

  4. aloo masala sagt:

    @karakal


    Früher missionierten die Europäer die Welt mit ihrem Christentum, heute tun sie dies mit ihrer Form von Demokratie.

    Tun Sie das? Meines Wissens wollen die EU im Schlepptau der USA keine Demokratie im Nahen Osten. Wäre Saudi-Arabien eine Demokratie im echten Sinne, dann würden die USA dort keine Truppen gegen den Willen des Volkes stationieren, sie würden kurzerhand rausfliegen.

    Die EU lehnte damals die rechtmäßige Wahl der Palstinenser ab, weil sie nicht im Sinne Israels, sondern im Sinne der Palästinenser gewählt haben. Die Palästinenser würde für ihre demokratische Wahl hart bestraft.

    Die EU hatte keine Problem mit Mubarak, aber ein Problem mit dem sicher fragwürdigen aber immerhin demokratisch legitimierten Mursi und kein Problem mit Diktator Sisi, der sich wie Mubarak besser in die Linie der USA-NATO als Mursi einfügt.

    Damals existierte zwar keine EU und Iraner sind auch keine Araber, aber die USA beseitigten die damalige demokratisch gewählte Regierung im Iran und ersetzten diese durch die repressive Shah-Diktator. Der Shah gehorchte und war deswegen eine gute Diktatur, Khomeni gehorchte nicht und war deswegen ein übler Verbrecher.

    Die EU und USA missionieren keine Demokratie in die arabische Welt. Demokratie ist lediglich die rote Schleife, mit der der Westen seine Verbrechen kaschiert und auf diese Weise sich den Rückhalt in der eigenen Bevölkerung sichern möchte.

    Araber finden die Demokratie in den USA gut und würden sie auch gerne haben. Sie finden jedoch den Westen in seiner Außenpolitik ungerecht und brutal. Der Artikel schreibt auch, dass die Araber nicht die Demokratie, sondern die Interventionen und Einmischungen ablehnen.

  5. TaiFei sagt:

    posteo sagt: 6. Dezember 2016 um 22:55
    „Ihre längste Kolonialzeit hat die arabische Welt übrigens unter den Osmanen erlebt. Wie weit sich das auf das Verhältnis zwischen den beiden Kulturräumen auswirkt, würde mich auch mal interessieren.“
    Beide „Kulturräume“ lassen sich nicht trennen, da sie bereits seit der islam. Expansion recht verquickt sind. Ferner waren die „Osmanen“ bereits bei der Eroberung Konstantinopels ein recht bunter Haufen, da ihr ursprüngliches Siedlungsgebiet Durchmarschgebiet war.

    Relevant für die heutige polit. Situation ist jedoch vor allem die Eroberung der heiligen Städte durch die Wahhabiten sein (übrigens mit engl. Unterstützung als Sicherung ihres Seewegs nach Indien) und der Betrug von Sykes Picot. In beiden Fällen haben die Osmanen nicht viel zu melden gehabt. Letztendlich muss man dem IS sogar antikoloniale Tendenzen zuschreiben, da er die erzwungene Nachkriegsordnung der Mandatsmächte rückgängig machen will. Was der Panarabismus säkular nicht geschafft hat, versuchen nun die Wahhabiten theokratisch. Da aber damals wie heute die Rohstoffinteressen des Westens hier durchgesetzt werden, wird der „Erfolg“ wo eher fraglich bleiben. Der große Unterschied ist halt nur, dass der Krieg halt früher am A… der Welt ausgetragen wurden. Dem IS ist es gelungen, den auch nach Europa zu tragen und auf einmal ist die K…e am dampfen.

  6. posteo sagt:

    TaiFei sagt: 12. Dezember 2016 um 10:35
    Danke für Ihre Antwort.
    Was die heiligen Stätten Mekka und Medina angeht, sind diese nach meinem Verständnis das Herzstück der arabischen Kultur. Daher kann ich mir vorstellen, was für eine Affront die Eroberung durch Sultan Selim für die arabische Welt bedeutet hat. Die Rückeroberung durch die Wahabiten ist daher für mich legitim, egal was man von der wahabitischen Religionspraxis halten mag.
    Dem IS antikolonialistische Bestrebungen zuzusprechen, ist doch äußerst gewagt. Die von den Mandatsmächten festgelegten Staatsgrenzen ließen sich doch auch durch Volksastimmungen ändern, vergleichbar der Rückgabe des Elsaß und des Saarlands.
    Nach meinem Geschichtsverständnis waren die Assyrer, Babylonier und Philister schon in der Antike klar definierte und recht unterschiedliche Völker, die erst später arabisiert wurden. Daher macht die Trennung in die Staaten Syrien, Irak und Libanon doch auch Sinn. Dass die Menschen in diesen Ländern die gemeinsame Umklammerund durch den IS als Befreiung vom kolonialen Joch der Westmächte empfinden, habe ich nicht den Eindruck.

  7. TaiFei sagt:

    posteo sagt: 12. Dezember 2016 um 16:06
    „Was die heiligen Stätten Mekka und Medina angeht, sind diese nach meinem Verständnis das Herzstück der arabischen Kultur. Daher kann ich mir vorstellen, was für eine Affront die Eroberung durch Sultan Selim für die arabische Welt bedeutet hat. Die Rückeroberung durch die Wahabiten ist daher für mich legitim, egal was man von der wahabitischen Religionspraxis halten mag.“
    Jedoch war die Rückeroberung von außen gesteuert, nämlich seitens der Engländer, welche, eben ihre Indien-Route gegenüber den Osmanen absichern wollten.

    posteo sagt: 12. Dezember 2016 um 16:06
    „Dem IS antikolonialistische Bestrebungen zuzusprechen, ist doch äußerst gewagt. Die von den Mandatsmächten festgelegten Staatsgrenzen ließen sich doch auch durch Volksastimmungen ändern, vergleichbar der Rückgabe des Elsaß und des Saarlands.
    Nach meinem Geschichtsverständnis waren die Assyrer, Babylonier und Philister schon in der Antike klar definierte und recht unterschiedliche Völker, die erst später arabisiert wurden. Daher macht die Trennung in die Staaten Syrien, Irak und Libanon doch auch Sinn.“

    Ich habe nicht behauptet, dass ich die IS-Bemühungen der Kalifatbildung jetzt besonders toll finde, zumal ich mit theokratischen Systemen allgemein wenig anfangen kann. Ich glaube hier auch nicht an einen langfristigen Erfolg. Der IS steht sowohl von innen wie von außen zu sehr unter Druck. Dennoch ist es ein Versuch die WW1-Nachkriegsordnung, die von außen aufgezwungen war, zu korrigieren. Ferner wird ja gezielt versucht den Einfluss der Westmächte zu unterbinden. Insofern ganz klar antikolonial.

    Ja, eine Trennung von Volksgruppen kann Sinn machen, muss aber nicht. Das Konzept des Nationalstaates ist eher ein europäisches und ist nicht ohne weiteres übertragbar. Im Übrigen wurde das auch in Europa nur unter vielen Opfern erkauft und war ein Prozess, welche von der Renaissance bis ins 20. Jh. dauerte und selbst heute noch nicht völlig abgeschlossen ist, wenn man z.B. den Balkan betrachtet.
    Auch die antike Herleitung halte ich hier für überholt. Das ist immerhin mehr als 2000 Jahre her. Durch die Levante ist praktisch jeder durchmarschiert, Hethiter, Ägypter, Griechen, Perser, Araber, Mongolen, Turkvölker. Auch religiös ist das ein reiner Flickenteppich aus Schiiten, Sunniten, Christen, Drusen, Alewiten usw. usf.. Eine „saubere“ Trennung ist praktisch unmöglich durchzuführen. Auf jeden Fall würden keine lebensfähigen Staaten entstehen. Ferner ist hier noch Israel als instabiler Faktor anzusehen. Daher wird eben auch der IS langfristig scheitern, da seine starre theokratische Ausrichtung hier keinen Lösungsansatz bietet und der Einfluss der Golfmonarchien, die ja kulturell nicht der Levante zu geordnet werden können, zu groß ist. Das werden weder der Iran, noch Ägypten oder die Türkei so lange akzeptieren.