Kommissionsbericht
Experten fordern Reformen bei Ausbildung und Arbeit für Flüchtlinge
Angela Merkels "Wir schaffen das" wurde 2015 zum Leitmotiv der deutschen Flüchtlingspolitik. Eine Expertenkommission ging der Frage nach, wie das gelingen kann - und fordert in ihrem Bericht vor allem mehr Anstrengungen bei Ausbildung und Arbeit.
Donnerstag, 07.04.2016, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 08.04.2016, 12:37 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die von der Robert Bosch Stiftung eingesetzte Expertenkommission zur Flüchtlingspolitik dringt auf mehr Anstrengungen und Gesetzesreformen zur Integration Asylsuchender in Ausbildung und Arbeit. „Ich glaube, dass wir jetzt an dem Punkt sind, an dem sich entscheidet, ob wir es schaffen und wie wir es schaffen“, sagte der CDU-Politiker Armin Laschet bei der Vorstellung des Abschlussberichts der Kommission am Mittwoch in Berlin. „Wenn es misslingt, ist der Zusammenhalt in der Gesellschaft gefährdet“, ergänzte der CDU-Vize als Vorsitzender der Kommission.
Nach einjähriger Arbeit legte das Gremium, dem Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Behörden und aus der Gesellschaft angehörten, konkrete Handlungsempfehlungen an die Politik zur Aufnahme von Flüchtlingen vor. Als wichtigste politisch-gesellschaftliche Aufgabe wird in dem Bericht der Zugang zu Bildung, Ausbildung und Arbeit herausgestellt.
Der ehemalige Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, sagte, es gebe noch eine „Fülle von Hürden“. Die größte sei nach wie vor die Dauer des Verfahrens. Je früher über Asylanträge entschieden werde, desto einfacher sei die Integration in den Arbeitsmarkt. Alt und die gesamte Kommission beklagten zudem einen Mangel an Angeboten bei Integrations- und auch berufsspezifischen Sprachkursen.
Auch bürokratische Hürden kritisierte die Kommission. Alt erläuterte, es solle bei sämtlichen Ausbildungs- und Arbeitsangeboten einen Zugang nach drei Monaten geben. Die oft übliche Wartezeit von 15 Monaten solle auch bei Berufsausbildungshilfen und Bafög entfallen.
Die Vorrangprüfung, nach der Stellen nur mit Flüchtlingen besetzt werden dürfen, wenn kein geeigneter deutscher oder EU-Bewerber vorhanden ist, will die Kommission am liebsten abgeschafft oder ausgesetzt wissen. Das wäre das einfachste, sagte Laschet. Als Alternative schlug er eine Regelung vor, nach der Arbeitsplätze Flüchtlingen immer dann offenstehen, wenn innerhalb von zwei Wochen nicht eine andere Person gefunden wird.
Alt warb insgesamt für Optimismus. Der Arbeitsmarkt sei aufnahmefähig, Arbeitgeber aufgeschlossen bei der Beschäftigung von Flüchtlingen. 500.000 Menschen, die aus den zehn Hauptherkunftsländern von Asylsuchenden in Deutschland stammten, seien bereits sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Die Kommission forderte darüber hinaus mehr sozialen Wohnungsbau, eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen und optimalere Abläufe im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Beschleunigung von Asylverfahren. Zudem sprach sie sich klar für Flüchtlingskontingente aus. In den nächsten beiden Jahren sollten auf EU-Ebene Aufnahmeprogramme für mehrere hunderttausend Flüchtlinge aufgelegt werden, heißt es im Bericht. Eine faire Verteilung soll durch EU-Resettlement-Programme gewährleistet werden.
Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt, ebenfalls Mitglied der Kommission, betonte in einem Sondervotum seine Ablehnung der „Kategorisierung von Flüchtlingen“, wie sie in seinen Augen durch den Terminus „Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive“ geschehe. Die Bleibeperspektive stehe erst am Ende des Asylverfahrens fest, argumentierte er. Eine gute oder schlechte Bleibeperspektive entscheidet derzeit in der Praxis darüber, ob ein Asylbewerber Zugang zu Sprachkursen bekommt oder eine Arbeit antreten kann.
Die Kommission insgesamt fordert eine andere Definition der „guten Bleibeperspektive“, unter der das Bundesinnenministerium Menschen aus bestimmten Herkunftsländern wie Syrien, Irak und Eritrea fasst. Die Experten fordern, darunter alle Flüchtlinge zu verstehen, deren Herkunftsland eine Anerkennungsquote von über 50 Prozent erreicht, und Minderheiten, die ebenso häufig als Flüchtlinge anerkannt werden. (epd/mig) Aktuell Politik
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„Die Kommission insgesamt fordert eine andere Definition der „guten Bleibeperspektive“, unter der das Bundesinnenministerium Menschen aus bestimmten Herkunftsländern wie Syrien, Irak und Eritrea fasst. Die Experten fordern, darunter alle Flüchtlinge zu verstehen, deren Herkunftsland eine Anerkennungsquote von über 50 Prozent erreicht, und Minderheiten, die ebenso häufig als Flüchtlinge anerkannt werden.“
Ist das so? Das BAMF definiert die gute Bleibeperspektive doch genau so:
„Menschen, die aus Herkunftsländern mit einer Schutzquote von über 50 Prozent kommen, haben eine gute Bleibeperspektive. 2015 trifft dies auf die Herkunftsländer Eritrea, Irak, Iran und Syrien zu. Welche Herkunftsländer das Kriterium Schutzquote (>/= 50 %) erfüllen, wird jährlich festgelegt.“
Siehe
http://www.bamf.de/DE/Infothek/FragenAntworten/IntegrationskurseAsylbewerber/integrationskurse-asylbewerber-node.html