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Muslime und Flüchtlinge

Ein Tag in der Berliner Dar-as-Salam-Moschee

Die Moschee ist überfüllt, Gläubige beten draußen im Regen: Auch in der Berliner Dar-as-Salam-Moschee verändert die Ankunft von Flüchtlingen den Alltag. Der Imam hilft, kämpft gegen Vorurteile. Und weiß manchmal nicht, wie er das alles schaffen soll. Von Sophie Elmenthaler

Von Sophie Elmenthaler Dienstag, 29.03.2016, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 30.03.2016, 16:59 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

An diesem Freitagmorgen ist es in der Dar-as-Salam-Moschee in Berlin-Neukölln noch ruhig, nur der Staubsauger ist zu hören. Ein Mitarbeiter reinigt den dunkelroten Teppich, das goldgelbe Muster weist die Gebetsrichtung gen Mekka. In einem kleinen, schmucklosen Büro sitzt Mohammad Taha Sabri, der Imam der Gemeinde, vor sich einen Pappbecher mit Kaffee.

In ein paar Stunden wird es hier ganz anders aussehen, sagt er: „Es ist enorm voll. Früher hatten wir freitags etwa 1.000 Besucher, jetzt sind es 1.500.“ Viele der neuen Besucher kommen aus den umliegenden Notunterkünften für Flüchtlinge auf dem Tempelhofer Feld und am Columbiadamm.

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Schon gegen Mittag wird es in der Moschee immer enger. Zu Beginn der Predigt ist der rot-goldene Teppich komplett belegt, Gemeindemitglieder in gelben Warnwesten koordinieren den Besucherstrom. Wer keinen Platz mehr auf der Galerie findet, muss draußen ins Zelt. Auch während der Predigt kommen noch Leute. Schließlich rollen die Mitarbeiter Teppiche im Hof aus. Als nach der Predigt das Gebet beginnt, stehen auf allen Teppichen Menschen und ertragen den Regen mit Fassung. Es sind sechs Grad.

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Das Gebet sei nicht der einzige Grund für die Flüchtlinge, in die Moschee zu kommen, sagt Taha Sabri: „Viele suchen einfach Rat, brauchen einen Übersetzer oder finanzielle Unterstützung. Manche kommen jeden Tag zu mir.“ Für den Imam bedeutet das in der Regel einen Zehn- bis Zwölf-Stunden-Tag.

In seiner früheren Heimatstadt Bremen war er auch schon Imam, erzählt er. Da er aus einer Gelehrten-Familie stamme, sei er von der Gemeinde gebeten worden, das Amt zu übernehmen. Damals arbeitete er noch bei Daimler. Als die Firma ihn nach Berlin schickte, sei er bald Imam in Neukölln geworden. Seinen eigentlichen Job habe er vor zwei Jahren gekündigt.

Das Engagement für Geflüchtete hat für viele Muslime einen besonderen Stellenwert, denn die ersten Muslime des 7. Jahrhunderts mussten selbst aus Mekka nach Medina auswandern. Dort bekamen sie der Überlieferung zufolge Hilfe von Glaubensgeschwistern und Sympathisanten. Jeder der Unterstützer, Ansar genannt, nahm einen der Flüchtlinge bei sich auf. Die Ansar werden im Koran besonders gelobt.

Das Gebot, Notleidenden zu helfen, beziehe sich im Islam eindeutig auch auf Andersgläubige und Gefangene, sagt der islamische Theologe Ferid Heider, zum Beispiel im Koran in der Sure 76: „Und sie speisen, obwohl sie selbst darauf angewiesen sind, Bedürftige, Waisen und Gefangene.“ Gefangene seien im koranischen Kontext in der Regel Andersgläubige.

Nach dem Gebet bildet sich eine Menschentraube um Imam Taha Sabri. Drei Männer aus Afghanistan haben in ihrer Notunterkunft kaum Waschgelegenheiten. Der Imam gibt ihnen seine Handynummer, sie sollen sich bei ihm melden, falls sie sein Bad benutzen möchten. Neben praktischer Hilfe suchten viele Menschen auch Gemeinschaft, sagt der Imam: „Die Menschen brauchen das Gefühl, dass sie dazu gehören. Die haben ihre Heimat verloren und sind entwurzelt, und hier können sie sich ein bisschen zu Hause fühlen.“

Einer der Neuankömmlinge, die regelmäßig kommen, ist der Syrer Salim, ein nachdenklicher, schmaler Mittvierziger mit grau meliertem Haar. Die Predigt gefalle ihm, sagt er, deshalb komme er. „Wir fühlen uns ein bisschen wie in einer großen Familie.“

Nicht alle geflüchteten Syrer oder Iraker sind fromme Muslime. Tatsächlich seien, ähnlich wie bei den ansässigen Muslimen, nur etwa 20 Prozent mehr oder weniger praktizierend, sagt Andreas Goetze, der bei der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz für interreligiösen Dialog zuständig ist: „Syrien selber ist ein sehr multireligiöses, multikulturelles Land gewesen, in dem verschiedene Religionsgruppen nebeneinander gelebt haben“, sagt der Theologe. „Viele Menschen, die hierher kommen, sind eher säkular geprägt.“

In Neukölln hat sich die Menschentraube um Imam Taha Sabri inzwischen gelichtet, gleich beginnt das Nachmittagsgebet. Danach hat der Imam noch einen Beratungstermin, und dann will er eigentlich nach Hause. Er sieht müde aus.

Taha Sabri nicht der einzige in der Gemeinde, der viel Zeit für die Unterstützung von Geflüchteten aufbringt. Chiraz Ben Jibara stammt wie Sabri aus Tunesien. Sie studierte Arabistik an der Freien Universität Berlin und bietet insbesondere geflüchteten Frauen Hilfe an: „Wir machen Besuche im Heim, und wir begleiten die Flüchtlinge zu Behörden.“ Die Frauen bräuchten nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern auch moralische: „Die meisten durchleben eine sehr schwierige Situation.“

Im Herbst 2015 erhielt Imam Taha Sabri den Verdienstorden des Landes Berlin, auch weil er sich immer wieder dezidiert gegen islamistischen Extremismus wendet. „Unser Verein wird jetzt oft eingeladen, sei es von Kirchen, von Stiftungen oder anderen Institutionen“, erzählt Sabri. Er hoffe, dass der Anerkennung bald Taten folgten und die Gemeinde auch finanzielle Unterstützung etwa für Deutschkurse bekommen könne.

Die Finanzierung sozialer Projekte, die von Moscheevereinen betrieben werden, ist bisher eine Seltenheit. Geldgeber befürchten offenbar, dass die Mittel nicht für Sozialarbeit oder Deutschkurse, sondern für religiöse Zwecke verwendet werden. In einigen Fällen seien die Skrupel nicht ganz unbegründet, sagt Arnold Mengelkoch, Migrationsbeauftragter im Bezirk Neukölln: „Solange der Verfassungsschutz bestimmte Moscheen erwähnt, muss die Politik entscheiden, ob sie die Bemühungen der Moschee unterstützt oder die Warnungen des Verfassungsschutzes ernst nimmt.“

Es reicht oft schon, wenn ein einziges Gemeindemitglied unter Verdacht gerät. So ging es auch der Dar-as-Salam-Moschee, die laut Verfassungsschutz auch von Islamisten besucht wird. Wobei der Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller bei der Verleihung des Ordens an Taha Sabri ausdrücklich den Einsatz des Imams für einen „friedlichen Islam“ würdigte: „Er vertritt einen Islam, der mit den Schwachen fühlt und sie ermutigt, sich zu bilden, sich als Teil dieser Gesellschaft zu sehen, sich Chancen zu erarbeiten.“

Am späten Nachmittag sitzt Taha Sabri wieder im Besprechungszimmer, ständig klingelt das Handy. Neben den nie endenden Hilfegesuchen mache ihm vor allem die Politik zu schaffen. Die ständigen islamistischen Terrorakte fühlten sich an wie dauernde Schläge, sagt er: „Ich muss immer erklären, dass der Islam nichts zu tun hat mit diesen Taten. Dabei wünsche ich mir, dass wir richtig anerkannte Muslime werden, und dass der Islam als Religion in diesem Land dazugehört.“ Und dann erzählt er noch, dass er überlegt, in seine Heimatstadt Bremen zurückzugehen. Weil ihm das manchmal alles zu viel wird. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft

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