Studie

Deutsche Medien berichteten unausgewogen über Griechenland

Über die griechische Schuldenkrise haben deutsche Medien unausgewogen und oberflächlich berichtet. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie. Journalisten hätten Meinung mit Nachrichten vermischt. Besonders parteiisch sei die Bild-Zeitung gewesen.

Dienstag, 29.03.2016, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:44 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Deutsche Medien haben über die griechische Schuldenkrise einer Studie zufolge oft unausgewogen und oberflächlich berichtet. Die Berichterstattung sei mehrheitlich meinungsorientiert und wertend gewesen, heißt es in einer aktuellen Untersuchung im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. So seien etwa Mitglieder der griechischen Regierung überwiegend negativ dargestellt worden.

Für die Studie untersuchten Wissenschaftler der Universität Würzburg die Griechenland-Berichterstattung im ersten Halbjahr 2015 am Beispiel der Tageszeitungen Die Welt, Bild, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung und taz sowie der Onlineplattform Spiegel Online.

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Insgesamt wurde in 1.442 Artikeln über die griechische Staatsschuldenkrise berichtet, wie es hieß. Dabei sei die Diskussion über die Reformvorhaben der Regierung in Athen nur unzureichend aufgegriffen worden. Stattdessen ging es den Autoren zufolge vor allem allgemein um Hilfsprogramme sowie um den „Nebenschauplatz“ der Forderung nach Reparationszahlungen Deutschlands für Schäden, die Griechenland im Zweiten Weltkrieg zugefügt wurden. In vielen Artikeln seien Inhalte, über die gestritten wurde, nicht benannt worden, dafür aber sehr oft der Grexit als mögliche Konsequenz. Eine tiefe Hintergrundberichterstattung hätten nur wenige Artikel geliefert.

In gut einem Viertel (26 Prozent) der Beiträge gingen den Forschern zufolge Meinungen und Wertungen direkt und offensichtlich von den Verfassern aus. Dabei hätten sich die Journalisten in rund 45 Prozent der Fälle gegen die griechische Regierung positioniert. Nur 16 Prozent äußerten sich positiv und 39 Prozent neutral. In der Bild-Zeitung habe sich in keinem einzigen Artikel eine positive Positionierung gegenüber der Regierung in Athen gefunden, hieß es in der Studie.

Bei der Welt waren es 60 Prozent der Beiträge, bei der Süddeutschen Zeitung rund 49 Prozent, bei Spiegel Online 35 Prozent und bei der FAZ 33 Prozent. „Die taz ist die einzige untersuchte Zeitung, in der sich die Journalisten im gleichen Ausmaß positiv wie negativ (je 23,9 Prozent) gegenüber der griechischen Regierung positionierten“, hieß es. In der FAZ hätten sich Journalisten in den meisten Artikeln neutral gezeigt.

Auch in eigentlich neutralen Darstellungsformen hätten Journalisten ganz offen ihre Meinung vertreten, erklärten die Wissenschaftler. Das treffe in jedem dritten Fall auf Nachrichten und Berichte zu sowie auf jeden zehnten Hintergrundartikel.

Journalistische Qualitätskriterien wie Ausgewogenheit und Neutralität seien insgesamt zu wenig beachtet worden, kritisierten die Autoren. Die Berichterstattung trage dazu bei, Misstrauen und Verunsicherung bei der Bevölkerung zu schüren. (epd/mig) Aktuell Feuilleton Studien

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  1. Henriette sagt:

    Wird das nicht bei jedem Thema gemacht?!!!! Wir werden doch permanent manipuliert! Nur wer SELBST DENKT und Hintergründe nachrecherchiert,kann sich ein etwas realeres Bild machen.Aber die meisten machen sich BILD!

  2. Volker K. sagt:

    Interessante Analyse. Wie Henriette schon angemerkt hat, beschleicht einem bei (fast) jedem Thema der Verdacht daß Journalisten sich all zu oft hinreißen lassen ihre eigene Meinung bei der Berichterstattung in den Vordergrund zu stellen und die Artikel demenstprechend ausfallen lassen. Ich habe nur nicht die Erwartung daß die Ergebnisse der Hans-Böckler-Stiftung auf Gehör stoßen, sondern daß es so weiter geht.
    Die Zunft der Journalisten sollten sich den letzten Absatz des Artikels zu Herzen nehmen. „Journalistische Qualitätskriterien wie Ausgewogenheit und Neutralität seien insgesamt zu wenig beachtet worden, kritisierten die Autoren. Die Berichterstattung trage dazu bei, Misstrauen und Verunsicherung bei der Bevölkerung zu schüren.“
    Genau das ist der Punkt der seit geraumer Zeit bei allen wirklich wichtigen Themen greift. Mich würde wohl noch interessieren wie es bei der Schuldenkrise mit der Ausgewogenheit der Berichterstattung bei den ausländischen Medien lief. Waren diese objektiver, haben sie mehr die Reformvorschläge beleuchtet und neutral bewertet, oder ergibt sich da ein ähnliches Bild? Schade daß dies nicht zumindest ein Unterpunkt der Untersuchung war, aber das wäre wohl auch zu aufwendig gewesen.

  3. Klemperer sagt:

    Euer link zu der Studie funktioniert nicht – man erhält eine 404-Fehlermeldung.
    Ich finde es ganz interessant, wie wenige Menschen im Zeitalter des smartphone-hoppings überhaupt noch die besprochenen Studien aufschlagen. Mir erzählte mal ein blogger, bei dem der link zu einer Studie auch nicht mehr gültig war, er hätte 12 000 Seitenaufrufe, aber nur 1 Mitteilung, daß der link nicht mehr auffindbar war, erhalten…

    In so einem Milieu können Medien dann noch einfacher einseitig berichten. Wir sollten kritischer mit der neuen Art, Nachrichten via smartphone zu konsumieren, sein.