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Funkhaus Europa

WDR kürzt Programm in ausländischen Sprachen

Der Westdeutsche Rundfunk hat drastische Kürzungen bei "Funkhaus Europa" beschlossen. Betroffen sind vor allem Programme in ausländischen Sprachen - auch das türkische "Köln Radyosu". Das stößt auf Kritik. Unzufrieden sind Hörer aber auch mit dem Programm selbst.

Mittwoch, 09.03.2016, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 09.03.2016, 21:18 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der Rundfunkrat des Westdeutschen Rundfunks (WDR) hat am Montag in Köln die Änderungen des Programmschemas von Funkhaus Europa (FHE) gebilligt. Das Aufsichtsgremium stimmte nach einer lebhaften Debatte mit deutlicher Mehrheit für die von Hörfunkdirektorin Valerie Weber vorgelegten Pläne: 33 Mitglieder stimmten mit Ja, acht mit Nein, zwei enthielten sich.

Weber erklärte, das FHE-Programm solle auf ein „junges, modernes Kulturradio“ ausgerichtet werden. Für Diskussionen im Rundfunkrat sorgte insbesondere die Reduzierung des türkischsprachigen Angebots von acht auf zweieinhalb Stunden. Die Muttersprache gehöre zur Identität eines Menschen, sagte Tayfun Keltek, Vertreter der kommunalen Migrantenvertretungen: „Wenn man die Menschen ernst nehmen möchte, dann muss man auch ihre Sprache ernst nehmen.“

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Die türkischpsrachigen Angebote kommen jedoch nicht bei allen Hörern gut an. Die Berichterstattung sei zunehmend einseitig. „An diesem Programm ist nur noch die Sprache türkisch“, beschwert sich Yusuf Kalaoğlu aus Köln. Ali Yetim bestätigt ihn. Er höre Köln Radyosu fast täglich auf dem Heimweg. PKK-nahen HDP-Politikern aus der Türkei oder Vertretern von PKK-nahen Organisationen aus Deutschland werde deutlich mehr Raum eingeräumt als etwa Regierungsvertretern oder anderen Oppositionellen.

Neues Programm

Ab dem 1. Juli soll im Programm des interkulturellen Radiosenders nach WDR-Angaben werktags von 18 bis 20 Uhr „eine neue Sendung mit dem Schwerpunkt Musik und Popkultur“ ausgestrahlt werden. Dort würden die Inhalte der vier Musik-Spezialsendungen des Wochenend-Tagesprogramms wie Globalista zu hören sein, hieß es in einer Ende Februar im Internet veröffentlichten Erklärung des WDR.

Die zurzeit zwischen 18 und 23 Uhr gesendeten einstündigen Magazine auf Türkisch, Italienisch, Russisch und Polnisch sowie das Radio Forum für Südosteuropa (Bosnisch, Serbisch, Kroatisch) werden auf eine Länge von 30 Minuten gekürzt, ab 18 Uhr zeitgleich zuerst online und ab 20 Uhr im linearen Programm verbreitet. Die bislang ein Mal wöchentlich ausgestrahlte Sendung auf Arabisch soll mit Blick auf die wachsende Zahl der Flüchtlinge täglich gesendet werden. Am Wochenende laufen nur noch jeweils einstündige Programme in Kurdisch, Griechisch und Spanisch. Geplant ist außerdem eine neue Samstagabend-Sendung ab 20 Uhr.

Heftige Kritik

An den Reformplänen hatte es seit Wochen Kritik gegeben. Eine Petition bei change.org, die dem Sender einen „beispiellosen Kahlschlag“ vorwirft und die Pläne eine „Bankrotterklärung“ nennt, haben knapp 23.000 Menschen unterzeichnet. „Eine der letzten Oasen für kreatives Radio wird abgewickelt“, heißt es dort. Die Kritiker befürchten, dass das auf globale Vielfalt ausgerichtete musikalische Konzept von FHE verwässert werde. Außerdem sei es angesichts globaler Migrationsbewegungen unverständlich, dass „Plattformen, die zur Verständigung und Annäherung durch Musik beitragen“, abgeschafft würden. Weber sagte, die Petition entbehre „jeder realen Grundlage“.

Die Kürzung der muttersprachlichen Sendungen hatten zuletzt auch die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten Union (dju) in ver.di, Die Linke in NRW und das Netzwerk Neue deutsche Medienmacher kritisiert.

Wirtschaftliche Gründe

Die Programmreform hat auch wirtschaftliche Gründen. Der WDR muss zurzeit in allen Abteilungen Budgets kürzen. Funkhaus Europa muss nach Angaben Webers in zwei Jahren 900.000 Euro sparen, das seien 15 Prozent des Gesamt-Etats der Welle. Dennoch sei FHE die „best ausgestattete Welle im WDR“, die über mehr Geld verfügen könne als zum Beispiel die aktuelle Welle WDR2. Zugleich wies Intendant Tom Buhrow darauf hin, dass FHE das „Sorgenkind“ des WDR-Hörfunks sei. Mit täglich 170.000 Hörerinnen und Hörern liege es „fast unter der Wahrnehmungsgrenze von einem Prozent“.

Das Programm von Funkhaus Europa entsteht in Kooperation mit Radio Bremen (RB) und Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Am 10. März berät auch der RB-Rundfunkrat in öffentlicher Sitzung über „Strukturelle und programmliche Änderungen bei Funkhaus Europa“. (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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  1. Songül sagt:

    Nur 170 000 Hörer täglich …!?
    Unfassbar, was hört der Rest denn?! ;-)
    So ein Sorgenkind wünschten sich alle Eltern! Kenne keine Alternative!

    „Die türkischpsrachigen Angebote kommen jedoch nicht bei allen Hörern gut an. Die Berichterstattung sei zunehmend einseitig. „An diesem Programm ist nur noch die Sprache türkisch“, beschwert sich Yusuf Kalaoğlu aus Köln. Ali Yetim bestätigt ihn. Er höre Köln Radyosu fast täglich auf dem Heimweg. PKK-nahen HDP-Politikern aus der Türkei oder Vertretern von PKK-nahen Organisationen aus Deutschland werde deutlich mehr Raum eingeräumt als etwa Regierungsvertretern oder anderen Oppositionellen.“

    Regierungskritisch = PKK-nahe …!?
    Dieselbe Kritik werden die beiden Herren wahrscheinlich der gesamten deutschen Medienlandschaft vorwerfen …

  2. Mehmet sagt:

    Warum unfassbar? Ich höre Köln Radyosu auch, aber inzwischen aus Mangel an Alternativen. Ich kann das bestätigen. Das Programm ist inzwischen Sprachrohr von PKK nahen Organisationen und Parteien. Wer nicht taub ist, hört das deutlich raus. Fakt ist: die kleinste Partei im türkischen Parlament und ihre Sympathisanten haben die meiste Sendezeit.

  3. Ayca sagt:

    kann mehmet bestätigen. ich habe gute, nostalgische erinnerungen an köln radyosu. inzwischen machen die aber nur noch einseitige propaganda. mich ärgert, dass das mit unseren beiträgen finaziert wird.

  4. Songül sagt:

    @Mehmet
    Na, dann bin ich wohl taub …
    Mit unfassbar bezog ich mich aber auf das gesamte Programm von FHE, nicht nur auf Köln Radyosu. Höre es jeden Morgen, abends seltener …
    Am Köln Radyosu Programm würde ich am ehesten noch die gewählten Musiktitel kritisieren. Im Vergleich zum übrigen Programm eher einfallslose, wenig kreative Songauswahl …

  5. Kerim sagt:

    Danke Migazin, dass das mal angesprochen wird. Ich frage mich auch schon lange, ob WDR weiß, was in Köln Radyosu so verbreitet wird – ist ja türkisch :)

  6. Menekse sagt:

    Funkhaus Europa sollte ein Plattform für mehr Integration und für deutsche innerpolitische Themen in türkische Sprache (vielleicht sogar doch in deutscher Sprache für Deutschtürken) ermöglichen. Ich glaube den Vorwürfen meiner Vorgänger zwar nicht aber ich vertrete die Meinung, dass weder dem „PKK-nahen“ noch anderen Regierungsvertretern oder Oppositionellen der Sender ein Sprachrohr für Ihre Partei werden sollte. Dass die türkischen Regierungsvertreter die Moscheen dazu benützen können, finde ich, ist schlimm genug.

  7. surviver sagt:

    Wen wundert`s…..?
    Ich lebe seit 40 Jahren in Deutschland und fühle mich eh nicht von den Medien repräsentiert.

    Man kann offensichtlich gar nicht mehr über die Türkei schreiben ohne einen Seitenhieb los zu werden.
    In den Foren, in Talkshows etc etc. genau dasselbe.
    Immer nur Propaganda.
    Muslime werden immer nur in Verbindung mit Terrorismus, Rückständigkeit, Analphabetismus, Unkultiviertheit, Armut, Elend, Unterwürfigkeit, Mord und Totschlag…….in Verbindung gebracht.

    Also, wen wundert`s?