Spiegelblicke, Perspektive, Schwarze, Bewegung, Deutschland
Spiegelblicke: Perspektiven Schwarzer Bewegung in Deutschland © Orlando Verlag

Buchtipp zum Wochenende

Die Geschichte(n) Schwarzer Bewegung in Deutschland

Der neue Sammelband "Spiegelblicke" zeichnet ein eindrückliches Bild über das vielfältige Leben Schwarzer Menschen in Deutschland und ihren Herausforderungen - drei Jahrzehnte nach dem allerersten organisierten Treffen Schwarzer Menschen in Deutschland.

Freitag, 26.02.2016, 8:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 29.02.2016, 17:06 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

„In ihrer Mitte konnte ich mich sicher fühlen… Ich war sicher vor Stereotypen. Hier traf ich auf Leute, die mich einfach nur als Kind toll fanden. So wie sonst meine Kindergartenfreunde toll gefunden wurden. Erst später konnte ich begreifen und benennen, was uns verband. Es war: ein Schwarzer Mensch in Deutschland zu sein. Meine Existenzberechtigung wurde nicht in Frage gestellt, im Gegenteil: Sie wurde bestätigt! Diese Umgebung gab mir eine selbstverständliche Sicherheit, mit der ich den Widrigkeiten im Leben begegnen konnte und noch immer kann.”

Siraad Rosina Wiedenroth reflektiert wie sie im Verbund des Vereins der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) aufwächst. In ihrem Text „Ich baue meine Heimat” beschreibt sie auf persönliche Weise Prozesse ihrer Selbstfindung und wie sie Teil der Schwarzen Bewegung in Deutschland wurde, die von ihrer Mutter mitbegründet wurde. Wiedenroth ist eine eine von über 50ig Autorinnen, Zeitzeug*innen und Portraitierte, die im Sammelband „Spiegelblicke” rassistische Strukturen in privaten und öffentlichen Räumen und dokumentieren Stationen Schwarzer Identitätsfindung und des Empowerments beschreiben und analysieren und damit einen Zugang zur Geschichte Schwarzer Menschen in Deutschland und ihrer Bewegung bieten.

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Essays, Portraits, analytische Texte, Storytellings und Foto-Reportagen. Im Entstehungsprozess wurden die Geschichte(n) nachgeforscht, erarbeitet und zusammengetragen. Es geht es um Schwarze Menschen in der NS-Zeit, die Geschichte des Kolonialismus und seine Bedeutung für die Gegenwart – beispielsweise im Bildungs- und Rechtssystem. Um selbstbestärkende Interventionen von Eltern, Lehrenden, Kulturschaffenden oder Medienmacher*innen und alltägliche Geschichten Schwarzer Menschen in Deutschland. Verhandelt werden Themen wie Racial Profiling, die Rolle der Menschenrechte im Kampf gegen Rassismus und Refugee Activism. Dabei sind es gerade die selten erzählten Geschichten, die unsere Perspektiven bereichern. So werden auch bisher wenig sichtbare Dimension von Diskriminierung wie zum Beispiel Audismus (gegen gehörlosen Menschen) in den Blick genommen. Mit dieser und mit der Frage was es heißt, Schwarz und Queer, feministisch und lesbisch zu sein, werden im Buch intersektionale Perspektiven eröffnet.

„Nach einer gewissen Zeit wurde mir bewusst, dass wir als Schwarze Menschen nicht in der Lage sind, mit einer einzigen Stimme zu sprechen… Mir wurde klar, dass es innerhalb der Schwarzen Community in Deutschland viele Aspekte von Unterschiedlichkeiten gab…“ (Jasmin Eding)

Es sind unterschiedliche Generationen, deren Blicke sich im Band (wider-)spiegeln. Die unter anderem deutlich machen, dass Räume, in denen Menschen Zuflucht vor alltäglichen Diskriminierung suchen auch riskante Räume sein können. Dass es auch dort um die Fragen nach Öffnung und Privilegien geht: In welchem Lebensbereich erfülle ich die Norm, wo erfahre ich keine Widerstände, weil ich ohne körperliche Einschränkung bin, weil ich meine*n Partner*in heiraten kann oder eben einfach die Treppe zum Eingang gehen kann.

Die Herausgeberinnen: Camilla Ridha ist freie Grafikerin und Illustratorin. Christelle Nkwendja-Ngnoubamdjum studiert Amerikanistik, Politikwissenschaft und Soziologie an der Goethe-Universität Frankfurt/Main. Denise Bergold-Caldwell ist Dipl.-Pädagogin und arbeitet in der anti-rassistischen Bildungsarbeit. Eleonore Wiedenroth-Coulibaly ist Übersetzerin und unterrichtet Deutsch als Fremdsprache. Sie ist Mitgründerin der ISD und Mit-Autorin des 1986 erschienenen Sammelbandes „Farbe bekennen. Die Politologin Hadija Haruna-Oelker arbeitet als Autorin, Redakteurin und Moderatorin unter anderem für den Hessischen Rundfunk und die Bundeszentrale für politische Bildung. Laura Digoh ist Pädagogin und Politologin, arbeitet in unterschiedlichen Bildungskontexten und leitet Workshops im Rahmen des Schwarzen Bildungskollektivs KARFI. Alle Herausgeberinnen sind in der ISD aktiv.

„Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass unsere Gemeinschaft aus Menschen mit unterschiedlichsten Erfahrungen und Lebenswelten besteht. Menschen, die reich sind oder arm, ohne Schulabschluss oder mit Hochschulbildung, sich als Deutsche identifizieren oder nicht, körperlich und geistig der gesellschaftlichen Norm entsprechen oder eben nicht, gegengeschlechtlich lieben oder gleichgeschlechtlich […] sich innerhalb der Zweigeschlechtlichkeit identifizieren oder nicht. […] Und eine unserer Aufgaben ist es, Räume für uns zu schaffen, in denen wir als vollständige Persönlichkeiten unseren Beitrag für die Schwarze Community in Deutschland leisten können.” (Tsepo Bollwinkel )

„So wird Spiegelblicke zu einem Spiegel für uns, die Schwarze Bewegung und die Gesellschaft, in der wir leben“, beschreiben es die Herausgeberinnen im Vorwort des Buches. Mit der Veröffentlichung haben sie sich 30 Jahre nach dem Erscheinen des bis heute wegweisenden Buches „Farbe bekennen – afrodeutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte“ gewagt, einen Band zu gestalten, der Entwicklungen, Auseinandersetzungen und Standortbestimmungen der Bewegung über die Jahre bis heute aufzeigt. Mit dem Ziel: ein differenziertes, gut zugängliches und bleibendes Werk zu schaffen, das ein breites Publikum anspricht. Drei Jahrzehnte nach dem allerersten organisierten Treffen Schwarzer Menschen in Deutschland und der Gründung der ISD soll es ermutigen, inspirieren und neugierig machen. Aktuell Feuilleton

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