EU-Außengrenzen
Kalkulierte Katastrophe
In Griechenland bahnt sich eine humanitäre Notsituation an. Zehntausende Geflüchtete stauen sich dort, weil ihnen die Weiterreise verwehrt wird. Europa schafft sich eine Katastrophe. Von Tim Lüddemann
Von Tim Lüddemann Freitag, 26.02.2016, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 13.03.2016, 12:14 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Europa macht dicht. Nachdem im letzten Jahr Ungarn, Slowenien und Österreich Zäune an ihren Grenzen errichtet hatten, zieht nun Mazedonien nach. Ende letzten Jahres hatte der Balkanstaat begonnen, nur noch Menschen aus Syrien, Irak und Afghanistan einreisen zu lassen. Seit dieser Woche wird auch Afghanen die Einreise verwehren. Laut UN-Hilfswerk machen sie ein Dritter der Geflücheten aus. Das Ziel der europäischen Staaten ist die Migrationsbewegung nach Europa zu stoppen. Damit hat allerdings Griechenland ein Problem, denn es kann seine Seegrenzen wesentlich schlechter abschotten. Zudem ist es auf die Türkei angewiesen, die Geflüchtete bereits an der Ausreise hindern soll. Die türkischen Behörden zeigen jedoch nur mäßiges Interesse an diesem Vorhaben.
So kommen die Geflüchteten in großer Zahl nicht mehr aus Griechenland hinaus, aber immer noch über die griechischen Inseln hinein. Im Ergebnis stauen sich aktuell in Athen, im griechisch-mazedonischen Grenzort Idomeni und im ganzen Land Zehntausende Geflüchtete. Sie campieren auf offenen Straßen, sind regelmäßigen Attacken griechischer Neonazis ausgesetzt und können kaum auf staatliche Unterstützung zählen. Die griechischen Behörden sind mit der Situation überfordert. Aus einem Camp bei Thessaloniki sind etwa 2000 Geflüchtete aus einem Camp geflohen, um weiter nach Mazedonien zu gelangen. Erschwert wird die Situation durch die angespannte wirtschaftliche und politische Krise im Land. Griechische Bauern etwa blockieren seit Tagen Autobahnen im Land. Auf den griechischen Inseln warten indes tausende Geflüchtete, um weiter auf das Festland zu gelangen. Es droht eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes mitten in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union.
Geschlossene Grenzen beenden keine Not
Europa hat sich diese humanitäre Katastrophe selbst geschaffen, die Entwicklung war abzusehen. Dass die Türkei nur mangelndes Engagement zeigt die illegale Migration einzudämmen, ist ein offenes Geheimnis. Jeden Tag erreichen trotz eines anderslautendem Abkommens zwischen der EU und der Türkei tausende Menschen die griechischen Inseln. Deren Leid auf der Fluchtroute spielt der EU-Abschottungspolitik aber auch in die Hände. Die perfide Rechnung: Je schlechter es den Menschen auf der Flucht in Europa geht, desto stärker dient das den EU-Staaten als Argument, die Migration zu stoppen. Sie argumentieren, indem die Flucht beendet wird, würde auch das Leid bekämpft werden. Dass damit das Elend nur vor die Tore Europas geschoben und nicht gelöst wird und zudem die Abschottungspolitik der EU die Menschen überhaupt erst in die illegale Migration und damit in diese Notsituationen getrieben hat, das blenden Europas Politiker aus.
Auf Konferenzen und Gipfeltreffen überwiegt dann die einfache Forderung, die Migration nach Europa müsse gestoppt werden. Davon abgesehen, dass es moralisch falsch ist, Menschen auf der Suche nach Schutz und Frieden aufhalten zu wollen, lässt sich Migration nicht einfach beenden. Es ist absehbar, dass eine Abschottung in Europa zwangsläufig zu überfüllten Camps in der Türkei, Libanon oder in Griechenland und zu noch mehr Toten auf den Fluchtrouten führt. Dennoch gibt es in Europa keinen Plan, eine Migrationspolitik zu entwerfen, die den Menschenrechten entspricht und den Geflüchteten Sicherheit bietet. Stattdessen wird laut darüber nachgedacht, ob Griechenland aus dem Schengen-Raum ausgeschlossen werden kann. Europa macht dicht und kalkuliert die daraus entstehende Katastrophe mit ein. Aktuell Meinung
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