Polizei, Bahn, Kontrolle, Sicherheit, Bahnhof
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Verwaltungsgericht Stuttgart

Polizeigesetz und Racial Profiling verstoßen gegen EU-Recht

Verdachtsunabhängige Personenkontrollen aufgrund äußerlicher Merkmale verstoßen gegen EU-Recht. Das hat das Verwaltungsgericht Stuttgart in einem "Racial-Profiling"-Fall entschieden und der Polizei die Rechtsgrundlage für solche Kontrollen genommen.

Montag, 26.10.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 29.10.2015, 16:21 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

November 2013, irgendwo zwischen Baden-Baden und Offenburg in einem ICE-Erste-Klasse-Waggon. Der heute 30-jährige Sami Feroz 1, Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), reist geschäftlich von Berlin nach Freiburg. Drei Bundespolizisten betreten den Waggon und führen beim 30-Jährigen eine Personenkontrolle durch. Nach der Vorlage des Bundespersonalausweises führten die Beamten zusätzlich einen Datenabgleich in der polizeilichen Datenbanken durch. Andere Reisende werden nicht kontrolliert. Sami Feroz ist der Einzige im Waggon mit einer dunklen Hautfarbe.

In Fachkreisen werden anlasslose Kontrollen von Personen aufgrund äußerlicher Merkmale „Racial Profiling“ genannt. Obwohl zahllose Fälle solcher Kontrollen bekannt sind und es bereits mehrere Urteile dazu gab, hüllen sich Polizei und Bundesregierung in Schweigen oder dementieren die Existenz solcher Praktiken. Kommt es zu einem Rechtsstreit, stützen sich die Ordnungshüter auf das Bundespolizeigesetz. Danach darf die Polizei im Grenzgebiet die Identität einer Person feststellen, etwa zur Verhinderung unerlaubter Einreise.

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Auch im Fall von Samir Feroz kam es zu einer Klage. „Ich wurde als einziger in dem Waggon kontrolliert, weil ich dunklere Hautfarbe als die anderen Reisenden hatte. Auf meine Frage nach dem Warum wurde mit Arroganz reagiert“, so die Begründung des 30-Jährigen. „Im Ausland vertrete ich Deutschland, aber in meiner Heimat wurde ich als potentiell Illegaler behandelt. Dies kann ich nicht akzeptieren“, führte der Kläger während der Verhandlung aus und bekamt Recht.

Das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart entschied sich nicht nur Gunsten von Sami Feroz, sondern entzog der Bundespolizei gleich auch die Rechtsgrundlage. Das Bundespolizeigesetz sei mit dem Schengener Grenzkodex nicht vereinbar und damit europarechtswidrig, urteilten die Richter am 22. Oktober 2015 (Az. 1 K 5060/13). Sowohl die Identitätsfeststellung als auch der anschließende Datenabgleich seien rechtswidrig gewesen.

Das Gericht folgt damit einem Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH), der bereits 2010 eine nahezu gleichlautende Parallelvorschrift im französischen Recht für europarechtswidrig erklärt hatte. Mit diesem Urteil hätte die deutsche Regelung im Bundespolizeigesetz geändert werden müssen. Dazu ist es aber nicht gekommen. Deshalb ist gegen die Bundesrepublik vor der EU-Kommission seit einem Jahr ein Vertragsverletzungsverfahren anhängig.

„Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart wird wegen seiner Bedeutung Signalwirkung auch für andere Verwaltungsgerichte haben und den Gesetzgeber nun erst Recht zum Handeln zwingen“ bewertet der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam das Ergebnis des Verfahrens. Adams vertritt den 30-Jährigen und sieht in dem Richterspruch einen großen Erfolg, „Racial Profiling in Deutschland zu ächten“. Der Betroffene ist ebenfalls sichtlich erleichtert. „Ich freue mich, dass mein Fall auf die ein oder andere Weise nun dazu beiträgt, dass diese Kontrollen irgendwann aufhören“, so Sami Feroz hoffnungsvoll. (bk)

  1. Name geändert
Leitartikel Recht
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  1. Das Urteil ist zu begrüßen. Das Verwaltungsgericht weist allerdings in der Pressemitteilung darauf hin, dass bei Einführung von Grenzkontrollen nach Art. 23 ff. des Schengener Grenzkodex ein Verstoß gegen EU-Recht nicht vorliegt. Dies ist zur Zeit der Fall, da Deutschland solche „vorübergehenden Grenzkontrollen“ an der deutsch-österreichischen Grenze eingeführt hat.

  2. Magistrat sagt:

    Der im Jahr 2013 zuletzt novellierte Schengener Grenzkodex VO (EU) Nr. 1051/2013 erlaubt den Mitgliedstaaten in dem neugefassten Art. 23 die Wiedereiinführung von Grenzkontrollen im Falle von „außergewöhnlichen Umständen“ , wenn öffentliche Ordnung und innere Sicherheit „ernsthaft bedroht“ sind.

    Eine Anmerkung zum Artikel: Das VG Stutrgart hat sich nicht dazu geäußert, dass racial profiling gegen EU-Recht verstößt, sondern generell systematische Polizeikontrollen im Grenzgebiet zu Schengenstaaten – ungeachtet dessen ob sie aufgrund des äußeren Erscheinung oder sonst kontrolliert werden. Das VG Stuttgart ist ja dadurch gerade die eigentliche Problematik umgangen und sich stattdessen allein auf die Polizeikontrolle im Grenzgebiet fokussiert.

    Fazit: Ob racial profiling zulässig ist, ist noch immer nicht entschieden und bleibt eine offene Rechtsfrage.

  3. chris sagt:

    Nein das hat keinen Wert angesichts der Lage in den letzten Tagen wurden wieder vermehrt Menschen, die nicht biodeutsch aussehen oder irgendwie muslimisch oder südländisch aussehen kontrolliert

    Wer wagt sich da noch was gegen die Polizei zu tun und zu sagen ? Wer hat den Mut darauf zu verweisen, dass das RACIAL PROFILING Ist ?

    und das schlimmste ist, wenn dann ständig Biodeutsche vorbeilaufen und vorbeifahren und sich denken ACH DA HABEN WIR ES WIEDER DIE HABEN WAS VERBROCHEN

    und es gibt nichts was man da tun kann.

    Warum ist bloss unsere Gesellschaft so verlogen ? Man fordert Integration und man integriert sich und tut alles und doch ist man wegen aussehen DER ANDERE

    Und interessanterweise kann ich noch was dazu sagen, denn auch auf dem Arbeitsmarkt gibt es DISKRIMINIERUNG UND VORBEHALTE

    Personalverantwortliche diskriminieren und man kann ihnen das nicht nachweisen

    man schaue sich mal in der Verwaltung von unternehmen wie REWE um dort sind fast nur weisse deutsche und keine migranten obwohl sie uniabschlüsse haben und alles aber man bleibt dann doch unter sich

    Zu GIZ wo der Herr arbeitet kann ich nur sagen “’DIE HABEN WIRKLICH HARTES UND STRENGES BEWERBUNGSVERFAHREN“

    es ist sehr hart dort reinzukommen, weil man penibel genau auf Noten, Praktika usw. achtet und alles standardisiert ist und Namen und so unbedeutend sind

    So passiert es halt auch dass menschen mit migrationshintergrund dort landen

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