Racial Profiling
Neue Verfahren gegen die Bundespolizei
Täglich führt die Bundespolizei Personenkontrollen aufgrund der Hautfarbe durch. Jetzt wehren sich zwei weitere Betroffene gegen das „Racial Profiling“. Wenn alles nach Plan läuft, könnte es eine Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts geben.
Donnerstag, 19.12.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 14.01.2014, 2:07 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Hauptbahnhof Bochum am 12.11.2013. Ein 38-jähriger Wittener, Heilpraktiker, wartet nach dem Basketballtraining gegen 22:15 Uhr auf die Ankunft seiner Lebensgefährtin. Zielgerichtet nähern sich zwei Beamte der Bundespolizei dem 38-Jährigen und sprechen ihn an mit den Worten „Personenkontrolle. Ihren Ausweis bitte!“.
Auf die Frage, was der Grund für die Kontrolle sei, entgegnen die Beamten, dass es sich um eine reine Routinekontrolle handle, da man Nordafrikaner und Syrer suche. Auf den Hinweis des Heilpraktikers, dass er noch nie in Nordafrika oder Syrien gewesen sei, entgegnen die Beamten, dass der Kläger ja auch lügen könne.
Es entwickelt sich vor den Augen etlicher Anwesender eine verbale Auseinandersetzung. Zwischenzeitlich trifft die Lebensgefährtin ein. Sie ist Rechtsanwältin und weist die Beamten mehrfach darauf hin, dass die Kontrolle ohne Anhaltspunkte rechtswidrig ist. Die Beamten bestehen auf der Kontrolle. Erst auf der Wache der Bundespolizei weist sich der 38-Jährige aus und bekommt im Gegenzug die Dienstnummern der Beamten.
Szenenwechsel
Irgendwo zwischen Baden-Baden und Offenburg am 19.11.2013. ICE 1. Klasse. Ein 28-jähriger Berliner ist auf Geschäftsreise. Er arbeitet für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. In dem Waggon befinden sich weitere 6-7 Personen. Gegen 22:20 Uhr nähern sich dem mit Kopfhörern Musik hörenden 28-Jährigen aus Richtung des Bordbistros zielgerichtet drei Beamte der Bundespolizei. Einer der Beamten weist ihn mit Handzeichen an, die Kopfhörer abzunehmen. „Bundespolizei. Wir sind hier im Grenzgebiet. Personenkontrolle.“ Daraufhin sucht der 28-Jährige in seiner Tasche nach seinem Personalausweis. Währenddessen zeichnet der Beamte mit den Fingern ein Rechteck in die Luft und ruft laut und für alle Anwesenden hörbar „Pass!“.
Mit Herausgabe des Personalausweises weist der Geschäftsreisende den Beamten darauf hin, dass die Kontrolle in dieser Form rechtswidrig ist und fordert die Beamten zur Herausgabe der Dienstnummer auf. Die Beamten geben die Dienstnummern heraus, setzten aber die Kontrolle fort und vollziehen einen Datenabgleich. Weitere Personen werden in dem Waggon nicht kontrolliert.
Nur zwei Beispiele
Das sind nur zwei von unzähligen Personenkontrollen, die unter das sogenannte Racial Profiling fallen. Denn sowohl die Kontrolle des Witteners als auch die des Berliners wurden aufgrund der Hautfarbe durchgeführt. Und noch etwas haben diese Fälle gemeinsam: Sie werden ein Nachspiel haben – vor den Verwaltungsgerichten Stuttgart und Köln.
Unterstützt werden die beiden Kläger von der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD). Seit 2012 führt die ISD im Bündnis mit zivilgesellschaftlichen Gruppen die Kampagne „Stop Racial Profiling“ durch, um damit nicht nur das Bewusstsein für die rassistische Polizeipraxis zu schärfen. Anlass der Kampagne war das im Frühjahr 2012 bekannt gewordene Verfahren eines schwarzen Studenten: Im Oktober 2012 entschied das Oberverwaltungsgericht Koblenz, dass Personenkontrollen aufgrund der „Hautfarbe” nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar seien. Die Entscheidung des Gerichts wird als richtungsweisend im Kampf gegen das Racial Profiling gewertet.
„Wir werden weiterhin mit Aktionen und Veranstaltungen auf die Problematik hinweisen und auf eine Veränderung drängen”, sagt Tahir Della, Vorstandsmitglied der ISD. Für eine moderne und sich den Menschenrechten verpflichtete Gesellschaft sei es unabdingbar in allen gesellschaftlichen Strukturen den Schutz vor Diskriminierung umzusetzen und für eine rassismusfreie Gesellschaft einzustehen. Die beiden Fälle böten eine weitere Gelegenheit, strukturellen Rassismus in deutschen Sicherheitsbehörden öffentlich sichtbar zu machen.
Ein Fall für das Bundesverfassungsgericht?
Der Rechtsanwalt der beiden Kläger, Sven Adam, ist auf mehr aus. Er möchte eine Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts erwirken. Die gesetzliche Grundlage für solche „verdachtsunabhängigen“ Kontrollen findet sich in § 22 Abs. 1a des Bundespolizeigesetzes (BPolG). Hiernach können die Beamten zur Verhinderung illegaler Einreise aufgrund von „Lageerkenntnissen und grenzpolizeilicher Erfahrung“ ohne Vorliegen einer Gefahr selbst entscheiden, wen sie kontrollieren. Obwohl es das Grundgesetz in Art. 3 Abs. 3 verbietet, Menschen wegen der Herkunft oder der Hautfarbe zu diskriminieren, geraten regelmäßig Menschen in die Kontrollen, die in den Augen der Bundespolizistinnen und -polizisten „nicht deutsch“ aussehen.
„Das Bundespolizeigesetz selbst schafft die Voraussetzungen für den sich in den deutschen Bahnhöfen und Zügen immer wiederholenden Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Wir streben deshalb nun auch die gerichtliche Klärung der Frage an, ob § 22 Abs. 1a BPolG mit dem Grundgesetz noch vereinbar ist“, erklärt Rechtsanwalt Sven Adam. „Wir werden daher den Gerichten im Laufe der Verfahren auch die unmittelbare Vorlage der Sache zum Bundesverfassungsgericht vorschlagen.“ (bk) Leitartikel Recht
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Das ist mir auch genauso schon passiert.
Weil ich als Muslima mit Kopftuch nach Delitzsch gefahren war,
war ich der Einzige, der dort auf dem Bahnhofsgelände kontrolliert wurde.
Die wollten sogar wissen, was ich in Delitzsch will.
Das geht sie doch eigentlich gar nichts an!
Die Dienstnummer habe ich nicht bekommen.
Während meiner Jugendzeit in den sechziger und siebziger Jahren bin ich öfters mit Freunden nach Holland gefahren. Einige von uns trugen ihre Haare lang, einige kurz.
Unsere Schmuggelware, Zigaretten und so, haben wir auf dem Rückweg immer in den zweiten Wagen gepackt, in den , wo die Freunde mit den kurzen Haaren saßen.
Uns kamen die Vorurteile der Beamten immer sehr entgegen.
Spaß beiseite. Solange politische Führung, Behördenleitung und Ausbilder nicht bereit sind, unsere faktisch gegebene multikulturelle Gesellschaftsstruktur als positiv, förderungswürdig, natürlich in vielen Bereichen auch verbesserungswürdig anzusehen, solange werden wir in Deutschland und auch anderswo den durch Unwissenheit und Dummheit getragenen täglichen Rassismus nicht abbauen können.
In diesem Sinne
Natürlich wird es früher oder später eine Entscheidung des BVerfG geben, aber muß man denn wirklich darauf warten? Polizisten, Innenminister und Abgeordnete könnten diesen institutionellen Rassismus auch schon vorher abstellen: http://mosereien.wordpress.com/2013/12/21/racial-profiling/