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Aylan Kurdi (3), Flüchtlingskind, wurde an die türkische Grenze gespült

In Erinnerung an Aylan

Menschlichkeit, das sind unsere Kinder!

Das Bild vom regungslosen dreijährigen Aylan Kurdi aus Syrien lasst mich nicht mehr los. Ertrunken in der Ägäis und angespült an das türkische Ufer liegt sein zarter Körper mit dem Gesicht im Sand. Wahrscheinlich wird mich dieses Bild bis an mein Lebensende verfolgen. Hoffentlich verfolgt es uns alle. Denn so könnten wir vielleicht wieder zu uns selbst finden – zur Menschlichkeit.

Von Freitag, 04.09.2015, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 07.09.2015, 21:01 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Als Mutter einer fünf Monate kleinen Tochter und als Tante von Nichten und Neffen, die im Alter von Aylan sind, konnte ich meine Tränen nicht halten. Manchmal können wir Menschen so grausam sein. Jeder, der nur einen Funken Barmherzigkeit in seinem Herzen beherbergt, kann bei diesem Anblick nicht kalt bleiben. Mensch, das sind unsere Kinder!

Die Medien präsentieren viele schreckliche Szenen. Aber das Bild von einem unschuldigen und auf Hilfe angewiesenen Kind, das aufgegeben wurde, symbolisiert den schrecklichen Höhepunkt, den Europa inzwischen erreicht hat.

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Meine Eltern sind emigriert und haben – Gott sei Dank – nicht solche Qualen wie Aylan und seine Familie erlitten. Mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft für ihre Kinder haben sich meine Eltern in Deutschland ein neues Leben aufgebaut. Sie haben hart gearbeitet und so gut es geht, ihr Soll geleistet. In Deutschland geboren und aufgewachsen habe ich viele Privilegien genossen. Dafür bin ich unendlich dankbar.

Vor dem Krieg war ich zwei Mal in Syrien. Das hat mir einen guten Einblick verschafft in die Lebenswelt der Menschen dort. Palästinensische und irakische Flüchtlinge wurden von syrischen Familien bedingungslos aufgenommen. Diese Menschen, die selber wenig besaßen, taten dies aus ihrem Glauben heraus: Das Hab und Gut eines Menschen wird durch das Teilen gesegnet und nicht durch deren Vermehrung.

Wahrlich, dein Herr erweitert und beschränkt die Mittel zum Unterhalt, wem Er will, denn Er kennt und sieht Seine Diener wohl. Tötet eure Kinder nicht aus Furcht vor Armut; Wir sorgen für sie und für euch. Fürwahr, sie zu töten ist eine große Sünde“ (Koran 17:30-31)

Fiel Aylan Kurdi nicht auch solch einem schrecklichen Gedankengut zum Opfer? Werden Flüchtlinge – gemeint sind Menschen! – nicht als „nützlich“ oder „nutzlos“ kategorisiert? Erstere heißen wir willkommen, diejenigen, die wir als Bürde empfinden, verwehren wir den Eintritt. Die fundamentale Würde des Menschen scheint nur noch ein Lippenbekenntnis zu sein.

Die Türkei hat 1,9 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. Ist die türkische Wirtschaft zusammengebrochen? Wurde politisches und soziales Chaos durch die syrischen Neuankömmlinge entfacht, wie sogenannte „Asylkritiker“ hierzulande argumentieren? Allenfalls gibt es örtliche Reibereien in nicht nennenswertem Umfang in dem Land, dessen Bürger deutlich ärmer sind als die „besorgten Bürger.

Ich bete, dass keine weiteren Aylans ans Ufer angeschwemmt werden. Solche Tragödien Nonnen nur vermieden werden, wenn alle ihrer individuellen Verantwortung nachkommen. Fremdenfeindlichkeit und Hass führen imm zu Krisen – ob auf emotionaler, humanitärer oder menschlicher Ebene. Möge Aylan im Paradies für ewig Frieden finden und möge sein Tod in uns allen den Funken der Menschlichkeit wiedererwachen lassen. Amin. Aktuell Meinung

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  2. Jürgen Hamann sagt:

    Nicht deutsche Fremdenfeindlichkeit ist ursächlich für den Tod des armen Jungen, sondern die zerstörerische Geopolitik der USA im Verbund mit deren Partnern in Saudi-Arabien, der Türkei, in Großbritannien, Frankreich und Deutschland.

    Darüber würde ich gerade als in den Vereinigten Staaten lebender Mensch nachdenken. Denn beten allein wird solche Tragödien auch in Zukunft nicht verhindern. Ihre Regierung zu einer anderen Außenpolitik zu bewegen, hingegen schon.

  3. Gill sagt:

    Ich glaube, es gibt niemand, der noch einigermaßen bei Herz und Verstand ist, der über das Elend der Menschen, die aus Syrien, Irak, Eritrea etc. Zu uns flüchten, nicht den Tränen nahe ist, wenn er die furchtbaren Bilder in der Glotze sieht. Ich jedenfalls habe oft nachts Albträume, wenn ich mir das angeschaut habe. Der kleine tote Junge ist nur einer von vielen, aber erreicht offensichtlich die Herzen der Vielen. Und ich bin so beeindruckt, wie von Menschen hier bei uns in Deutschland, denen ich das nie zugetraut hätte, offen und hilfsbereit gegenüber Flüchtlingen gesprochen und gehandelt wird.
    Ich denke, dass nicht die Flucht der Menschen besser organisiert werden muß, sondern dass den Idiotien des IS, die zivilisatorische Werte mit den Füssen treten, endlich der Garaus gemacht werden muß. Das war im Jugoslawienkrieg doch auch möglich nach den Massakern an der Zivilbevölkerung. Das wunderbare Land Syrien, auch Wiege vieler Zivilisationen, hat das alles nicht verdient. Wir waren kurz vor dem Bürgerkrieg dort und es ist nicht zu ertragen, was dort passiert und was an unwiederbringlichen Kulturgütern und Menschenleben zerstört wird. Aber es sind auch die Syrier, die diesen menschenverachtenden Terrorismus machen und nicht nur erleiden. Homo homini lupus! Das ist in jeder Kultur so!!!!!
    Ich finde, dass diese einseitigen Zuschreibungen, wer gut und wer böse ist, wer hilft und wer nicht, nicht weiterhelfen und nicht der Realität entsprechen. Es gibt nicht die guten Syrier, die helfen und die blöden Germanen, die kleinkariert sind und auf ihrem Reichtum hocken. Es gibt hier bei uns Idiotien, die menschenverachtend Brandsätze legen und es gibt dort unten Menschen, die anderen den Kopf abhauen. Aber es gibt Menschen, die das unerträglich finden, hier wie dort.
    Der Irrsinn muss gestoppt werden.