Ein Hochschulinformationstag an der Westfälischen Hochschule © Westfälische Hochschule
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Self-Empowerment

Migranten endlich auch in der Hochschulpolitik aktiv

Obwohl die Zahl der Studierenden mit dem sogenannten Migrationshintergrund an den deutschen Hochschulen steigt, sind sie in den Studierendenausschüssen und -parlamenten kaum vertreten. Das ändert sich langsam aber sicher. Von Dr. Sabine Schiffer

Von Donnerstag, 06.08.2015, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 31.01.2022, 11:12 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Obwohl in Deutschland immer mehr junge Menschen aus Nichtakademiker-Familien mit oder ohne sogenannten Migrationshintergrund studieren und sich die deutschen Hochschulen auch internationaler Beliebtheit erfreuen, sind Studierende aus Arbeiter- und Migrantenfamilien sowie sogenannte Auslandsstudierende an deutschen Universitäten bislang vergleichsweise wenig hochschulpolitisch aktiv.

Die Studierenden, die in den ASten (Allgemeine Studierendenausschüsse) und StuPas (Studierendenparlamente) im Bundesgebiet sitzen, stammen bislang größtenteils aus Familien ohne Migrations-, dafür aber mit „Akademikerhintergrund“ und dementsprechend dürfte ihre Politik im Rahmen ihrer Mitsprachemöglichkeiten auch geframed sein. Auch ohne böse Absicht oder vielleicht Bewusstsein für diese Frage der Klassenzugehörigkeit, besteht die Gefahr einer Art Gesichtsfeldeinschränkung im hochschulpolitischen Sinne. So sieht das jedenfalls eine neue Hochschulgruppe an der Universität Duisburg-Essen. Und diese tritt nun mit einem neuen Konzept an, um vielfältigere Praxen umzusetzen.

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An der Universität in den beiden Ruhrgebietsmetropolen studieren besonders viele junge Menschen aus Migranten- und Arbeiterfamilien, und auch Auslandsstudierende stellen 18% der Studierendenschaft. Hier haben sich die UNITED STUDENTS – Internationale und soziale Liste für Hochschulpolitik von unten im vergangenen November gegründet. Bei der Wahl der StuPa Ende Juni diesen Jahres sind sie sofort die mit Abstand stärkste Kraft geworden. Das ist einerseits bemerkenswert, weil sie tatsächlich zum größten Teil aus Arbeiter- und Migrantenkindern und Auslandsstudierenden besteht, und andererseits, weil sich die junge, unabhängige Liste komplett selbst finanziert, d.h. abgezweigt aus dem, was den Studierenden selbst zur Verfügung steht: BAföG, Jobs oder Unterhaltsgelder. Bisher gibt es keine Spenden. Der Einsatz ist wohl der hohen Motivation geschuldet. Dazu ein Sprecher der Gruppe: „Als betroffene Menschen mussten wir oftmals zusehen, wie immer über uns geredet wird und nie mit uns.“ Dementsprechend sehen sie sich als Sprachrohr für all die Studierenden, die von Armut, Rassismus und sozialer Segregation betroffen sind. Damit sprechen sie ein Thema an, das nicht nur ihre eigene Hochschule angeht.

Es geht um politische und kulturelle Teilhabe

„Wir sind mit 23 KandidatInnen aus 13 verschiedenen Ländern und einem Zehn-Punkte-Programm, welches wir nach zahlreichen Diskussionen mit unseren Mitstudierenden zusammen gestellt hatten, zur Wahl angetreten“, erklärt Eldina Hasić. Zu diesen Punkten zählte das Versprechen, sich für Halal-Essen am Campus stark zu machen, genauso wie die Forderung nach Preissenkungen in den Mensen und Studentenwohnheimen.

Besonders wichtig ist den UNITED STUDENTS aber, die Hochschulpolitik transparent zu gestalten und möglichst viele Partizipationsmöglichkeiten für die Studierenden zu schaffen. Dafür wollen sie in Form von Sozialräumen, internationalen Campusfestivals und Kultur- und Sprachcafés Orte der Vernetzung und der gemeinsamen politischen und kulturellen Aktivitäten schaffen. Außerdem wollen sie die verschiedenen internationalen Studierenden am Campus finanziell und institutionell stärken, indem sie Community-Referate schaffen. Hasić meint dazu: „Letztlich geht es uns darum, eine Kultur des Zusammenhalts zu gestalten und einen Prozess anzustoßen, in dem Studierende – vor allem diejenigen, die von Armut, Ausgrenzung und Rassismus betroffen sind – befähigt werden, sich für ihre eigenen Belange einzusetzen.“ Dann kündigt sie an, dass dies „erst der Anfang“ sei.

Ein solches Projekt, bei dem Betroffene mit unterschiedlichen sozialen und kulturellen Hintergründen an der Uni zusammengebracht werden und sich für gemeinsame Belange einsetzen, verdient Beachtung und Unterstützung. Die erfolgreiche Wahl macht den Studierenden Mut und sie gehen forsch voran. In einer der ersten StuPa-Sitzungen nach der Wahl konnten sie einen weiteren Erfolg erzielen. Sie setzen durch, dass die Sitzungen eine live-Synchronisation auf Englisch erhalten, um insbesondere Auslandsstudierenden die Partizipation im Parlament zu ermöglichen. Dazu gehört auch, dass alle Anträge, Berichte, Protokolle usw. sowie die hochschulpolitischen Regelungen mindestens zweisprachig vorliegen sollten.

Ganz unbemerkt blieb das bunte Engagement der neugegründeten UNITED STUDENTS nicht. Nach ihrem Wahlsieg erhielten sie Grußworte von Gewerkschaften, Flüchtlings- und anderen Studierendenorganisationen. Die Ambitionen gehen weiter, denn Kontakte zu anderen Studierenden- und Betroffenenorganisationen wurden bereits geknüpft und es scheint Interesse für weitergehende Kooperationen vorhanden zu sein.

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