Enwicklungsminister

„Das sind keine Wirtschaftsflüchtlinge. Das sind Elends-, Hunger-, und Notflüchtlinge.“

"Auf dem Balkan gibt es keinen Grund für politische Verfolgung", sagt Entwicklungsminister Müller nach seinem Kosovo- und Serbienbesuch. Ein Roma-Lager bezeichnet er allerdings als ein "Schandfleck mitten in Europa". Man könn es den Menschen nicht verdenken, dass die Menschen flüchten.

Von Thomas Schiller, Tanja Tricarico Dienstag, 02.06.2015, 7:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 28.06.2015, 22:44 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Trotz der prekären Lage vor allem für die Gruppe der Roma hält Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) Serbien und Kosovo für sichere Herkunftsländer. „Auf dem Balkan gibt es keinen Grund für politische Verfolgung“, sagte Müller dem Evangelischen Pressedienst. Das müsse man den Menschen vor Ort klarmachen und ihnen sagen, dass sie in Deutschland keine Chance auf Asyl hätten. Müller zufolge kommen rund 60 Prozent der Asylbewerber in Deutschland aus den Balkanstaaten, mehr als 99 Prozent der Asylanträge werden abgelehnt.

Der CSU-Politiker äußerte sich im Anschluss an einen Besuch im Kosovo und in Serbien. Im serbischen Belgrad hatte Müller auch ein Roma-Lager besucht. „Dieses Lager ist ein Schandfleck mitten in Europa“, sagte Müller. Es gebe kein Wasser, die Menschen hausten in Verschlägen, und es gebe kaum Nahrungsmittel. „Man kann es den Menschen nicht verdenken, dass sie einen Ausweg aus einem ausweglosen Leben suchen“, sagte Müller: „Das sind keine Wirtschaftsflüchtlinge. Das sind Elends-, Hunger-, und Notflüchtlinge.“

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Sein Ministerium will künftig verstärkt mit den Behörden vor Ort zusammenarbeiten und mehr Perspektiven für die Menschen schaffen. Vor allem den Kindern müsse man es ermöglichen, in die Schule zu gehen, sagte Müller. „Sie müssen aus dem Teufelskreis ihrer Eltern, den sie über Generationen gelebt haben, herauskommen.“ Dies werde nicht für alle gelingen. Aber viele würden dieses Leben nicht mehr wollen, betonte der Minister.

Mit Blick auf die Debatte um die Aufnahme von Flüchtlingen etwa aus Syrien in der EU forderte Müller eine differenzierte Betrachtung. „Es handelt sich um Menschen, die einen brutalen Krieg überlebt haben“, sagte der Minister: „Hier ist die Solidarität der Europäischen Union gefragt. Wir sind eine Wertegemeinschaft, die Europa unter Beweis stellen sollte.“ Im Moment werde die EU ihrer moralischen Verpflichtung nicht gerecht, sagte der Minister. Müller bezog sich dabei auch auf die Weigerung Großbritanniens, mehr Flüchtlinge aufzunehmen.

Zudem plädierte der Entwicklungsminister dafür, dass die EU schnell Verhandlungen etwa mit Libyen aufnimmt. Tausende Flüchtlinge würden dort auf eine lebensgefährliche Überfahrt nach Europa warten, sagte Müller. Dort müsse die EU schnell handeln. Trotz der gewaltsamen Auseinandersetzungen und der unterschiedlichen politischen Strömungen in Libyen müssten Gespräche mit den Gruppierungen aufgenommen werden. „Es gibt keine Alternative dazu, als in die Herkunfts- und Transitstaaten zu investieren“, sagte Müller.

Der CSU-Politiker unterstützte erneut die von Brüssel angestrebte Quotenregelung zur Aufnahme von Flüchtlingen, um eine bessere Verteilung in der EU zu ermöglichen. Zudem bekräftigte er seine Forderung nach einem Sonderfonds in Höhe von zehn Milliarden Euro für die Versorgung der Flüchtlinge aber auch zur Bekämpfung der Fluchtursachen in den Herkunfts- und Transitstaaten. Müller zufolge kann das Geld aus bereits vorhandenen EU-Töpfen organisiert werden. (epd/mig) Aktuell Politik

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  1. Rolfi sagt:

    Mit Verlaub: Nach Hunger, Elend und Not sehen mir die meisten Asylbewerber nicht aus. Das ist zumindest meine subjektive Empfindung.
    Wenn ich mich irren sollte, lasse ich mich gerne korrigieren.
    Dass es auch wirklich Arme gibt, bestreite ich nicht, aber für reine Wirtschaftsflüchtlinge sind wir nicht zuständig, wir haben genug sozial Schwache. Wenn man da Tore öffnen würde, würde das kein einziges Problem beheben.
    In einem Land, in dem so viel gehungert wurde wie in Deutschland, brauchen wir keinen Nachhilfeunterricht. Noch reicht die historische Erinnerung in Deutschland aus, um zu wissen, was wirkliche Armut ist. Hunger hat jemand, der 1,90 ist und 30 oder 40 Kilo wiegt. Ein Kriegsopfer ist jemand, dem ein Bein oder ein Arm fehlt. Arm ist jemand, dem Schuhe fehlen. Arm ist ein Kind, wenn es aus der Schulbank fällt, weil es seit 8 Tagen nichts mehr zu essen hatte. Ich glaube wir haben die Pflicht in Deutschland, dass wir unseren Wohlstand erhalten und nicht vergeuden.

  2. Tai Fei sagt:

    Rolfi sagt: 4. Juni 2015 um 08:10
    „In einem Land, in dem so viel gehungert wurde wie in Deutschland, brauchen wir keinen Nachhilfeunterricht. Noch reicht die historische Erinnerung in Deutschland aus, um zu wissen, was wirkliche Armut ist. …Ich glaube wir haben die Pflicht in Deutschland, dass wir unseren Wohlstand erhalten und nicht vergeuden.“
    Unser Nachkriegsnot ist die logische Folge eines von Deutschland ausgehenden Angriffs- und Vernichtungskriegs. Haben die Roma vielleicht einen Vernichtungskrieg geführt oder andere Völker einer Massenvernichtung zugeführt. Ihre Gleichsetzung ist WIDERLICH!

    Ferner sollte man auch erwägen, ob unser Wohlstand nicht vielleicht (zumindest teilweise) auch die Ursache der dortigen Armut sein könnte.
    Ich kann mich auch daran nicht erinnern, dass BRD (die DDR hat zumindest teilweise „bluten“ dürfen) nach dem WW2 irgendwelche Reparationen an irgendwelche Balkanstaaten gezahlt hätte.

  3. Rolfi sagt:

    @Tei Fei Ihre Empörung imponiert mir nicht. Ich finde nichts widerlich daran, zu erinnern, dass die Deutschen einst die größten Hungerkünstler von allen waren, gerade vor 1933. Vor dem Krieg wurde mehr gehungert als im Krieg und danach. Sie verwechseln Ursache und Wirkung. Das wundert mich aber nicht: Ihnen fehlt einfach der biographische Bezug. Vielleicht haben Sie es im Geschichtsunterricht auch nicht gelernt.

    Deutschlands Armut nach dem Krieg mag gewiss die Folge des 2. Weltkriegs gewesen sein. Aber das ist zu kurz gedacht.
    Die Wohlstandssituation war v o r 1945 bzw. vor 1933 schon ganz, ganz anders. Da haben viele Millionen wirklich am Bettelstab gelebt. Das war schon eine Ursache dafür, das die Nazis an die Macht kamen. Und genau darum darf man schon mal daran erinnern, dass unser „Wohlstand“ nicht vom Himmel gefallen ist! Wohlstand verpflichtet. Der Wohlstand ist die Basis für den Frieden, nicht irgendeine korrekte Ideologie.

    Wenn Deutschland (angeblich so) reich ist, macht das andere Länder nicht automatisch arm. Würde man Ihrer Logik folgen, so müsste Deutschland ja ärmer werden, damit es anderen besser ginge.

  4. posteo sagt:

    Die historische Erinnerung an Hungerszeiten reicht weiter zurück als die späten Kriegs- und Nachkriegsjahre, siehe „Steckrübenwinter“, bzw. „Kuhle Wampe“.
    Die Roma in Serbien und im Kosovo sind keine Opfer des WKII sondern des jugoslawischen Bürgerkriegs. Im sozialistischen Jugoslawien ging es den dortigen Roma wesentlich besser, genau wie in den Ostblockländern.

  5. Matthias sagt:

    Ich habe mir letztes Jahr auch das Roma-Lager, vielmehr eine Siedlung an der Schnellstraße, angesehen. Wobei ich natürlich nicht weiß, ob es nur das EINE in Belgrad ging.

    Tatsächlich ist das elendig, ich hab mich nicht getraut Fotos zu machen, weil ich die Zustände so erschreckend fand und man schlichtweg nicht daran denkt das zu fotografieren. Das bereue ich mittlerweile.

    Ich muss aber hierzu sagen, dass ich den Hass der Serben mit den ich in Belgrad gesprochen habe gegenüber Roma, gewaltig ist! Ich denke hier ist ein Ansatzpunkt. Der Serben, oder die Belgrader müssen das Problem zunächst anpacken. Wohnungen müssen geschaffen werden und natürlich muss die Regierung sich noch stärker engagieren.

    Auf dem Papier ist das so. Minderheiten haben in Serbien verbriefte Rechte, wie im Kosovo auch. Es bleibt die Frage nach der Umsetzung.

    Nun muss ich aber auch dazu sagen, dass andere Siedlungen bei weitem nicht so elendig waren. Je weiter man von Belgrad weg ist, desto besser wurden auch die Verhältnisse für Roma. In Bosnien (Ausnahme Republik Srpska) war die Situation für Roma ebenfalls deutlich besser als in Serbien, wobei ich natürlich immer nur Ausschnitte gesehen habe. Aber das war für mich erstaunlich. Bosnien habe ich als wesentlich ärmer als Serbien erlebt, aber im Umgang mit Roma viel angenehmer.

    Für das Kosovo kann ich immer nur wieder feststellen, dass zwischen ethnischen Albanern und Roma relativer Frieden herrscht und auch die Frage nach der Religionszugehörigkeit eher Hintergründig ist.

  6. Tai Fei sagt:

    Rolfi sagt: 4. Juni 2015 um 17:25
    „@Tei Fei Ihre Empörung imponiert mir nicht. Ich finde nichts widerlich daran, zu erinnern, dass die Deutschen einst die größten Hungerkünstler von allen waren, gerade vor 1933. Vor dem Krieg wurde mehr gehungert als im Krieg und danach. Sie verwechseln Ursache und Wirkung. Das wundert mich aber nicht: Ihnen fehlt einfach der biographische Bezug. Vielleicht haben Sie es im Geschichtsunterricht auch nicht gelernt.“

    Machen Sie sich keine Sorgen über meine Geschichtsbildung, die war noch gut genug. Im Übrigen implizieren Sie den Zusammenhang zwischen Hunger und WW2 selbst, indem Sie in gleichen Absatz schreiben: Rolfi sagt: 4. Juni 2015 um 08:10
    „Noch reicht die historische Erinnerung in Deutschland aus, um zu wissen, was wirkliche Armut ist. Hunger hat jemand, der 1,90 ist und 30 oder 40 Kilo wiegt. Ein Kriegsopfer ist jemand, dem ein Bein oder ein Arm fehlt.“
    Hunger und Krieg scheint also auch bei IHNEN in Zusammenhang zu stehen, was nicht falsch ist. Nun mag man hier gerne den WW1 anführen, nur ist der Vergleich auch wenig geeignet. Auch hier trägt DE die Hauptverantwortung, die Roma haben auch am WW1 keinen direkten Anteil.

    Zu Ihrer Einschätzung der Weltwirtschaftskrise, so kann man nur sagen, dass da eben nicht NUR die Deutschen gehungert haben. Wie der Name schon sagt, war die Armut hier Folge eine Weltwirtschaftskrise und betraf viele Nationen. Ferner ist es auch verkürzt zu sagen, dass die Nazis durch Armut und Hunger zum Erfolg kamen. Das hatte sicher einen erheblichen Anteil gehabt, ist aber für sich allein Geschichtsverfälschung. Die klassischen Arbeiterparteien (KPD/SPD) hatten bis zuletzt nahezu gleichbleibende Wahlergebnisse. Der Erfolg der NSDAP ist eher dem liberalen und nationalen, bürgerlichen Lager geschuldet. Hier holte sich die NSDAP vor allem ihre Stimmen und es war allein das bürgerliche Lager, welches sich nicht dem Ermächtigungsgesetz verwehrte. Nicht der Hunger und die Armut brachten die Nazis an die Macht, sondern die Angst der Reichen und des bürgerlichen Mittelstandes vor den armen Hungernden. Immerhin gab es ja auch im 3. Reich noch jede Menge Arme und Hungernde, nur waren das dann halt „nur“ noch politische Gegner und ausländische Arbeitssklaven, die in KZs den Tod durch Zwangsarbeit fanden.

    Rolfi sagt: 4. Juni 2015 um 17:25
    „Und genau darum darf man schon mal daran erinnern, dass unser “Wohlstand” nicht vom Himmel gefallen ist!“
    Vom Himmel gefallen ganz sicher nicht. Im 3. Reich hat sich DE seinen Wohlstand auf Kosten der Juden und besetzten Gebiete geschaffen und nach dem WW2 haben der Marshallplan und die Londoner Schuldenkonferenz dafür gesorgt, dass die BRD nicht von Schulden und Reparationen erdrückt wurden, wie nach dem WW1 der Fall. Ganz soviel Eigeninitiative, wie Sie behaupten, ist es dann wohl doch nicht gewesen. Immerhin gab es nach dem WW2 noch ganz andere Pläne für DE. Hätten die Macher dieser Agenden sich durchgesetzt, wäre von „unserem Wohlstand“ wohl nicht viel geblieben.

    Rolfi sagt: 4. Juni 2015 um 17:25
    „Wohlstand verpflichtet.“
    Zu was er verpflichtet, sagen Sie aber nicht. Vor dieser Antwort drücken Sie sich.

    Rolfi sagt: 4. Juni 2015 um 17:25
    „Der Wohlstand ist die Basis für den Frieden, nicht irgendeine korrekte Ideologie.“
    Der 1. Halbsatz ist völlig richtig, was eine „korrekte Ideologie“ damit zu tun haben soll ist mir jedoch schleierhaft, zumal sich mir die Kausalität von korrekt und Ideologie nicht erschließt.

    Rolfi sagt: 4. Juni 2015 um 17:25
    „Wenn Deutschland (angeblich so) reich ist, macht das andere Länder nicht automatisch arm. Würde man Ihrer Logik folgen, so müsste Deutschland ja ärmer werden, damit es anderen besser ginge.“
    Na was denn nun, hat DE nun Wohlstand oder nicht. Sie sollten sich schon mal entscheiden. Im Übrigen ist der Ansatz gar nicht mal so falsch. Selbst in DE ist der Wohlstand sehr ungleich verteilt.

  7. Rolfi sagt:

    @Tei Fei

    1. Was Sie schreiben, ist historisch falsch. Der Nationalsozialismus war keine spezifische Mittelstandsbewegung, er bekam aus fast allen Schichten der Bevölkerung ziemlich gleichmäßig Zustimmung. So war z.B. das tiefrote Berlin im Jahr 1933 eine „braune“ Stadt (50% zusammen mit der DNVP). In 33 von 35 Wahlkreisen erhielt die NSDAP die meisten Stimmen. Die NSDAP war die erste „Volkspartei“ Deutschlands, eine Partei für den Arbeiter, den Beamten, den Bürger, den Landwirt, den Wissenschaftler, den Adeligen, den Militär, den Protestanten, den Katholiken usw. Nur soviel zur Information. Natürlich spielt das Ermächtigungsgesetz eine große Rolle. Die Basis für all das waren aber definitiv die erdrutschartigen Wahlsiege der NSDAP. Ohne die hätten die elitären Kräfte in Berlin nur gelacht. Das ist völlig klar. Der Slogan „Brot und Arbeit“ ist nicht ohne Grund d e r Slogan der Nazis gewesen. Wie ist denn ein Anstieg des Stimmenanteils von 2,6% (1928) auf 43,9% (1933) zu verstehen? Da muss ja etwas geschehen sein. Wenn man sich die Wählerbewegungen ansieht, erkennt man z.B. leicht, dass die SPD am Ende rund 10% ihrer Wähler an die NSDAP verlor, weniger an die KPD (Wahlbeteiligung 88%). Das Zentrum hingegen blieb sehr stabil. Die Katastrophe ist eben nicht vom Himmel gefallen. Nur war es halt anders als Sie meinen. Die linke Wählerschaft war keineswegs so resistent, wie man das heute gerne hätte.

    2. Natürlich haben nicht nur die Deutschen gehungert, nur hatten die Deutschen auch noch Reparationen zu bezahlen. Daher haben sie weit mehr gehungert als viele andere. Hunger ist eine wesentliche Triebfeder für Gewalt. Wollen Sie das bestreiten?
    Deutschland war geschwächt, die Demokratie nicht angesehen, die Gesellschaft sehr gespalten. Armut war aber in Deutschland schon vor alledem sehr präsent, schon aus dem Grund, weil Deutschlands Bevölkerung sehr stark wuchs. Dass das, was man damals als Mittelschicht bezeichnet im heutigen Sinne eine Unterschicht darstellte, wie wir sie heute nicht mehr kennen, ist Ihnen keineswegs klar, kann Ihnen auch nicht klar sein, weil die Bevölkerungsstruktur, etwa auf dem Land – eine ganz andere war. Armut ist für eine Demokratie ein schlechtes Pflaster. Wollen Sie das bestreiten?

    3. Selbstverständlich war man von amerikanischer Seite nach dem 2. Weltkrieg auf Deutschland angewiesen, schon rein ökonomisch betrachtet. Wer hätte denn den Anstoß für den Wiederaufbau Europas geben sollen? Deutschland war ja auch nach der Niederlage nicht irgendein „Bananenland“. Ohne ein starkes Westdeutschland hätte es der Kommunismus zudem in den 50er und 60er Jahren wohl schon sehr viel leichter gehabt. Dass die BRD von Wirtschaftswunder zu Wirtschaftswunder eilte, hing wesentlich damit zusammen, dass der Staat sich mit Umverteilungsphantasien zurückhielt und die persönliche Eigeninitiative seiner Bürger belohnte – ganz anders als heute. Die jungen Leute waren in der Relation besser ausgebildet als heute, die Bevölkerung war nicht so alt, die Steuern waren niedriger, die Ansprüche geringer, die Gewerkschaften hielten sich zurück usw. Man sparte und schaute darauf, dass keine Schulden gemacht wurden und die Inflation gering blieb. Man machte Politik, damit es den Kindern besser ging. Die Philosophie war eine ganz andere und damit auch die Republik.
    Die Leute sahen, dass der Wohlstand für alle ein Ziel war, das keine Illusion war. Das war gewissermaßen ein „Ersatzendsieg“ auch für diejenigen, die vorher mit Demokratie nichts am Hut hatten. Adenauer konnte nicht ohne Grund ohne Leibwache zur Arbeit fahren. Man hatte läppische 30 Milliarden DM Schulden (damals natürlich noch mehr Geld).

    4. Und nun zur heutigen Situation: Natürlich ist Deutschland in seiner Grundsubstanz ein armes Land. Reich ist es nur aufgrund seiner technologischen und geistigen Kapazitäten u n d – das ist ganz zentral – aufgrund von Währungsmanipulationen (der Euro ist nichts anderes), Zinsmanipulationen (Niedrigzinsen) und immenser Schulden. Wenn man das in die Bilanz einfließen lässt und sich vom schönen Schein nicht täuschen lässt, muss man zu dem Schluss kommen, dass es mit unserem Wohlstand nicht weit her ist. Wenn die öffentlichen Haushalte seit 2007 500 Milliarden Euro Schulden gemacht haben, muss das die nachfolgende Generation ausbaden. Sie muss es auch ausbaden, wenn 50% des Haushalts nur für Arbeit, Soziales und Schuldentilgung ausgegeben werden. Unser noch vorhandener Wohlstand verpflichtet uns zu seinem Erhalt. Das ist die erste Pflicht. Alles andere ist zweitrangig. Er ist nicht dazu da, an X und Y verteilt zu werden. Das Problem ist nicht die „Verteilung“, das Problem liegt darin, dass der Wohlstand simuliert ist. Beim nächsten Börsenkrach oder der nächsten Inflation – nur eine Frage der Zeit – wird das Thema „Umverteilung“ zum Witz, weil es dann nichts mehr zu verteilen gibt. Das ist auch der eigentliche Grund, wieso die „Linke“ in den 20er Jahren nicht mehrheitsfähig war. Zuviel Illusion.

  8. Tai Fei sagt:

    @Rolfi

    zu 1. Sie sollten sich mal die Statistiken zu den Reichstagswahlen genauer ansehen. Nimmt man die Wahlen von Mai 1924, ab diesem Zeitpunkt stabilisierte sich die Weimarer Republik bis November 1932, der letzten wirklich freien Wahl, so liegt der Block der Arbeiterparteien immer recht stabil bei 35%. Auch das Zentrum, welches vor allem große Teile der katholischen Bauernschaft vertrat, blieb sehr stabil. Die Erfolge der NSDP liegen hier vor allem auf den Verlusten der bürgerlichen und liberalen Parteien, bzw. der rechten DNVP. So weist auch Kolb in seiner Arbeit „Die Weimarer Republik (München 1984) nach, dass gerade die Arbeitslosen mehrheitlich KPD wählten. Die NSDAP hatte vor allem ihre Erfolge in Wohnviertel der oberen Mittelschicht. Gerade in Berlin, Hamburg und im Ruhrgebiet hatte sie ihre Spitzenergebnisse in Wohngebieten der Oberschicht. Von vielen Wissenschaftlern wird inzwischen bestätigt, dass der Faschismus seine Wurzeln in der Mitte der Gesellschaft hat und nicht an den Rändern.

    zu 2. Ja aber warum mussten die Deutschen denn Reparationen bezahlen. Weil Deutschland eben die Hauptverantwortung für den WW1 hatte. Somit ist auch dieser Vergleich zu den Romas nicht relevant. Die hatten schließlich GAR KEINE Verantwortung für diesen Krieg. Im übrigen stabilisierte sich DE nach 1924 dennoch recht deutlich und die Armut und Hungersnöte nach 1929 lassen sich weniger auf Reparationen als viel mehr auf die Austeritätspolitik von Brüning zurückführen. Auch das ist heute der allgemein akzeptierte Stand der Geschichtswissenschaft. Im Übrigen war die Situation in DE mit der in den USA vom Ausmaß her durchaus vergleichbar, zumal das dt. Bankensystem eng mit dem amerikan. verknüpft war. Während die USA jedoch ab 1933 ihren New Deal durchführten um die Situation in den Griff zu bekommen, verfiel DE in die Barbarei.

    Zu 3. Das wiederum ist völlig falsch. Umverteilung war der Schlüsselpunkt in Ehrhards Wirtschaftspolitik. Die Beseitigung der breiten Armut als Krisenursprung war die Idee der sozialen Marktwirtschaft. Die Steuern mögen zwar absolut weniger gewesen sein, prozentual jedoch nicht. Bis in die 80er gab es in der BRD eine höhere Unternehmensbesteuerung als heute. Der Abbau begann erst erheblich in den 90ern. Ferner ist es ja falsch, dass man keine Schulden machte. Mit der Londoner Schuldkonferenz wurde die dt. Schuldhöhe praktisch halbiert, ist also extern gesenkt wurden. Erst das bewirkte im Wesentlichen das Wirtschaftswunder. Die schnell ansteigenden Schulden von Staaten sind in der Folge immer durch Rezession der kap. Wirtschaft (Ölkkrise, Dot-Com-Blase, Asienkrise und schließlich Bankenkrise) verursacht wurden. Ferner liegt unsere heutige Inflation unter 2% also deutlich UNTER der damaligen.

    zu 4. Was ist denn Falsch daran, wenn der Staat einen Großteil in Soziale Dienstleistungen investiert, die im Übrigen gar nicht überproportional angestiegen sind. Damit kommt das Geld ja auch der Gesamtheit der Bevölkerung wieder zu Gute. Der höchste Anstieg ist übrigens im Gesundheitsbereich zu verzeichnen. Das ist aber normal, denn immerhin ist ja die Mortaliät gesunken. Wir leben länger, haben niedrigere Kindersterblichkeit und sind länger gesünder. Dieser lächerliche Vergleich mit der idealen Bevölkerungspyramide ist letztendlich Sozialfaschismus. Die „ideale“ Bevölkerungspyramide ist das Kennzeichen von Entwicklungsländern. Dahin zurück wollen wir aber bestimmt nicht. Sie blenden, was die Umverteilung angeht, auch einen wichtigen Part aus. Die Schulden des Einen sind IMMER das Vermögen des Anderen. Die Schulden der BRD könnte man heute, auf EINEM Schlag mit den Sichtvermögen bezahlen und es wäre sogar noch etliches über. Das Geld ist also nicht weg, es hat sich halt nur in bestimmten Händen konzentriert. Ebenso wie Schulden werden auch Vermögen vererbt. Also müssen nicht künftige Generationen für heutige bluten sondern die Masse blutet für die Erhaltung heutiger Vermögen und die Zukünftige für zukünftige Vermögen. Das ist keine Frage von Heute und Morgen, sondern von Arm und Reich.

  9. Rolfi sagt:

    @Tei Fei Heute gilt es als ausgemacht, dass viele Arbeiten der 70er und 80er Jahre zeitbedingt dem damaligen linksliberalen Kurs gehuldigt haben (Ära Willy Brandt). Das gilt unter anderem auch für die Fritz Fischer These und mit Einschränkungen auch für die Analyse der Wahlerfolge der NSDAP. Fest steht, dass die SPD am Ende der Weimarer Republik schlicht und ergreifend einen Großteil ihrer Wähler verloren hatte. Gleiches gilt für die KPD. Bei damals fast 90% Wahlbeteiligung bedeutet das ganz einfach, dass viele SPD-Wähler zu den Nazis hinüber sind. Das ist logisch gar nicht anders möglich, da alle anderen Parteien nicht hinzugewonnen hatten, die Wahlbeteiligung aber nicht signifikant angestiegen war.
    Die NSDAP hatte ihre Wurzeln in der unteren Mittelschicht. Sie war aber in ihrer sozialen Gesamtzusammensetzung keine typische ‚“bürgerliche Partei“. „Die“ Mittelschicht gab es nicht. Die gibt es im Übrigen auch heute nicht. Beamte, Angestellte, Facharbeiter, Selbständige, Landwirte, Kleinhandwerker, Unternehmer usw. sind eine so heterogene Gruppe, dass diese Zuweisung unsinnig ist. Außerdem: Wie kann man von „Mittelschicht“ reden, wenn Millionen samt Familie, Eltern, Großeltern, drei, vier, fünf Kindern und Frau auf der Straße stehen? Eher war es doch so, dass die NSDAP eine die Schichten übergreifende, die „Volksgemeinschaft“ erfassende Partei war.

    2. Die Behauptung, dass Deutschland „die“ Hauptverantwortung am 1. Weltkrieg hat, ist ein Blödsinn. Dieses Märchen aus der Willy-Brandt-Ära ist mittlerweile auch wissenschaftlich von einem Briten durch eine sehr quellenintensive Studie widerlegt worden. Fritz Fischer hat einst auf sehr schmaler Quellenbasis geurteilt. Mehr nicht.
    Die USA haben ihre Wirtschaft durch massive Rüstungsprojekte saniert, die Bestandteil des New Deal waren. Was die Armut anbelangt, war die in Deutschland auch schon vorher sehr gravierend, etwa während der Hyperinflation. Dort lag z.B. die Kindersterblichkeit meines Wissens nach noch deutlich höher als zur Weltwirtschaftskrise selbst. Was das alles mit den Roma zu tun haben soll weiß ich nicht.

    3. Völlig falsch und historisch geradezu unwahr. Ludwig Erhard war alles andere als ein „Umverteiler“. Er war der Ansicht, dass Umverteilung dazu führe, dass „jeder die Hand in der Tasche des anderen habe“. Umverteilung führte nach seiner Meinung zu mangelnder Solidarität, Ablehnung des Sozialen, zu einem Missbrauch der Sozialsysteme usw. „Nichts ist unsozialer als der Wohlfahrtsstaat“, steht so – glaube ich – in seinem Werk „Wohlstand für alle“.

    4. Bedeuten Schulden nicht automatisch, dass andere das Geld auf der hohen Kante haben. Wenn A bei B verschuldet ist, ist B bei C verschuldet und C bei A.
    Schulden können alle haben, ohne dass daraus einer einen Vorteil hat. Wenn Staaten bei Banken Billionenschulden haben, verdienen Banken an den Zinszahlungen gewiss, aber das Geld wird ja sofort wieder in Form von Kredit weitergegeben, denn sonst wäre es ja nicht produktiv angelegt. Sind die Zinsen niedrig, löst sich der Gewinn in Luft auf und die Bank muss riskant spekulieren. So sieht das Szenario aus.

    Schulden sind vorweggenommenes Wachstum, nichts anderes. Dieses Wachstum wird anderen weggenommen, unseren Kindern, Enkeln usw. Französische Banken sind z.B. wichtige Gläubiger der griechischen Banken. Und was haben Sie davon? Gar nichts. Sie müssen gerettet werden, damit sie nichtbankrott gehen. Die moderne Wirtschaft lebt vom Vertrauen bzw. vom Kredit. Ist das Vertrauen in eine Geldinstitution weg, ist sie bankrott.
    Umgekehrt muss man auch sehen, dass z.B. unsere Wirtschaft von der Misswirtschaft der USA und der europäischen Südländer jahrelang profitiert hat, eben weil die auf Pump gelebt haben. Aber das ist alles Profit auf Zeit. Einen langfristigen Profit für die „Reichen“ (wer soll das sein?) gibt es nur auf dem Papier, denn in Wirklichkeit hat kein „Reicher“ etwas davon, dass Banken gerettet werden müssen, dass Währungen inflationiert werden und dass das Heer der Armen von Tag zu Tag zunimmt. Das Problem des heutigen modernen Kapitalismus ist ein Problem der Arbeit und der Geldentwertung und nicht der falschen Verteilung.

    PS: Die Frage, von wem man das Geld hat und wer daran verdient, ist irrelevant. Entscheidend ist, d a s s das Geld vermehrt wird. Und genau darin liegt das Problem, denn Grenzen des Wachstums sind halt nun mal vorgezeichnet. W e r das Geld vermehrt, ist so egal wie die Struktur der Anteilseigner an einer Großbank. Entscheidend ist, d a s s man aus einem Euro zwei Euro macht. Das nennt man dann Kapitalismus. Will man aus einem Euro zwei Euro machen, braucht man Kredit. Den muss man dann zurückbezahlen. Derjenige, der den Kredit vergibt, macht das dann auf etwas gehobener Ebene genauso. Er holt sich Geld, um aus Geld Geld zu machen. Das führt dann dazu, dass jeder jedem irgendwo Geld leiht und Kredit gewährt. Problematisch wird es nur dann, wenn die Realwirtschaft nicht mehr mitspielt. Dann gibt es eine Kreditkrise, einen Börsencrash und eine Weltwirtschaftskrise. Die hat bekanntlich auch die „bösen“ Milliardäre getroffen.

  10. Matthias sagt:

    Mich persönlich, und ich glaube das gilt für viele Kinder der Nachkriegsgeneration, nervt dieses Schuldzugeweise unheimlich.

    Natürlich trägt Deutschland eine Schuld an dem Ausbruch der Weltkriege, beim zweiten sicherlich deutlich mehr als beim ersten. Und was bringt diese Erkenntnis? Mich trifft keine Schuld.

    Mich trifft auch keine Schuld an den Problemen auf dem Balkan. Auch nicht meine Eltern.

    Aber mal angenommen das wäre so. Ich und unsere Gesellschaft sind Schuld an dem Krieg auf dem Balkan und allen vorherigen Kriegen. Schuld an der Armut in der Welt. Daraus könnte ja jetzt folgen, dass man Verantwortung übernehmen müsste. Und diese Verantwortung gilt dann für Alles was an Politik in den Ländern stattfindet? Das hieße ja, wir sind mitverantwortlich für die Verhältnisse auf dem Balkan. Dies wiederum macht die Menschen auf dem Balkan in meinen Augen lediglich zu Opfern im Allgemeinen.

    Aber so kann und will ich das nicht sehen. Es gibt Eigenverantwortung und Eigeninitiative. Und nur so kann weiterhin ein Selbstbewusstsein entstehen, das einen Staat für sich genommen stark macht.

    Wenn wir als Gesellschaft glauben, ernsthaft nach unseren Maßstäben dortige Verhältnisse zu beurteilen, empfinde ich das als arrogant und sehe keinen Unterschied zu der Haltung „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“. Gefällt mir nicht.

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