Prof. Ahmad Milad Karimi
„Kinder islamischer Prägung verfügen in Deutschland kaum über Literatur“
Der Werdegang von Prof. Milad Karimi ist beeindruckend. Mit 13 Jahren flüchtete er mit seiner Familie aus Afghanistan. Seine neue Heimat fand er in Darmstadt. Heute ist er Professor an einer deutschen Universität. Seine Leidenschaft: Bücher. MiGAZIN sprach mit ihm über das von ihm gegründete Kinderbuchverlag und seine Motivation.
Von Nasreen Ahmadi Freitag, 25.07.2014, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 29.07.2014, 0:13 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
MiGAZIN: Herr Professor Karimi, wieso haben Sie einen Kinderbuchverlag gegründet?
Prof. Ahmad Milad Karimi: Weil ich festgestellt habe, dass vor allem Kinder mit islamischer Prägung in Deutschland kaum über Literatur verfügen. Muslimische Kinder in Deutschland haben aber ein Recht auf adäquate Bildung; dazu gehört wesentlich, dass sie Bücher vorfinden, in denen sie selbst repräsentiert werden. Sie sind kleine west-östliche Divane; es ist aber immer noch ein Desiderat, vor allem Bücher in deutscher Sprache zu finden, die qualitativ hochwertig religiöse, aber auch kulturelle Interessen dieser Kinder berücksichtigen.
Was ist Ihnen bei Kinderbüchern besonders wichtig?
Mir sind Qualität und Ästhetik von immenser Bedeutung.
Salam heißt Frieden. Inwieweit können Bücher Frieden stiften?
Prof. Ahmad Milad Karimi ist Sohn afghanischer Eltern und deutscher Staatsbürger. Mit 13 Jahren flüchtete er mit seiner Familie aus Afghanistan und fand in Darmstadt seine neue Heimat. Dort besuchte er die Schule und studierte Philosophie und Islamwissenschaft in Darmstadt, Freiburg und Neu-Delhi. Karimi war Mitbegründer zweier Verlage, des Salam Kinder- und Jugendbuch Verlag (gegründet 2009) und des Kalam Verlag für islamische Theologie und Religionspädagogik. Zurzeit ist er Vertretungsprofessor für islamische Philosophie und Mystik an der Universität Münster.
Ich verstehe Frieden (Salam) als einer der wesentlichen Botschaften des Islam. Insofern stellt der Koran den Inbegriff des Friedens dar. Im Gedenken Gottes, so heißt es sinngemäß im Koran, finden die Herzen Ruhe. Im erkenntnistheoretischen und im ethischen Sinne ist für die Muslime der Koran als das Buch schlechthin maßgebend. Allein deshalb bin ich davon überzeugt, dass Bücher die Seele jeder Zivilisation und Kultur darstellen.
Haben Sie einen persönlichen Wunsch, was diese Bücher bei den jungen Lesern auslösen soll?
Die Bücher sollen Kinder neugierig machen, sie religiös fördern und bestärken. Sie sollen die Kinder aber auch in ihrer ursprünglichen Offenheit und Toleranz für das Andere, für das Fremde unterstützen. Eigentlich sollen die Bücher den Kindern die Einsicht nahe bringen, dass das Buch als Buch wertvoll ist, Quelle der Weisheit und des Wissens ist. Sie merken: Ich liebe Bücher.
Die Forschung zeigt, dass junge Kinder Vorurteile und Stereotype über sich und andere Menschen übernehmen, weil sie sich die Welt erklären wollen. Welche zentrale Rolle können hier Bücher für die Entwicklung der Kinder einnehmen?
Bücher können korrektiv wirken, Vorurteile ins Wanken bringen und festgefahrene Meinungen infrage stellen. Dafür müssen aber die Bücher und ihre Inhalte höchst sorgfältig und verantwortungsvoll aufgebreitet sein. Ob wir diese oder jene Hautfarbe haben, so oder so uns kleiden, diese oder jene Behinderung haben, so sind wir primär Menschen; und deshalb haben wir ein Recht, an der Gesellschaft gleichwertig zu partizipieren. Migrantenkinder sind wertvolle Schätze, die eine große Bereicherung für unsere plurale Gesellschaft sein können, wenn wir sie nicht behandeln, als wären sie Menschen zweiter Klasse. Allein durch ihre bilinguale Erziehung, ihre Empfindsamkeit für zwei Kulturen sind beachtlich.
In Deutschland gab es bislang keine Kinderbücher für muslimische Kinder, bei denen auch Muslime als Protagonisten fungieren. War es eine besondere Herausforderung, sich den komplexen Themen Kultur, Religion und vielfältige Identität zu nähern?
Tatsächlich ist es eine Herausforderung. Ein Buch ist ein kleines Universum – damit es lebt, muss vieles aufeinander abgestimmt sein. Gerade komplexe Topoi wie Kultur und Religion verlangen nach Offenheit und Verständnis für Zwischenräume und Zwischenwelten. Kinderbücher sollten adäquat illustriert und in einer Sprache verfasst sein, die das Herz der Kinder erobert. Wenn Sie aber ein Kind erleben, das beim Lesen lächelt, ist dafür keine Mühe so viel.
Welche religiösen Fragen sprechen sie in den Büchern an?
Eigentlich geht es im Programm der Salam Kinderbücher um die Grundfragen, mit denen uns Kinder selbst konfrontieren. Wer ist Gott? Wie viele Götter gibt es? Was ist der Koran? Wie sehen die Engel aus? Und wer genau war der Prophet?
Die Kraft der Sprache darf nicht unterschätzt werden, denn Sprache konstituiert Wirklichkeit. Was macht das Schreiben für Kinder so unterschiedlich und vielleicht auch schwer, als zu dem Schreiben für Erwachsene?
Kinder sind unglaublich kritisch und feinsinnig. Die Sprache dabei spielt deshalb eine herausragende Rolle, weil sie sowohl präzise sein muss als auch kindgerecht und vor allem nicht langweilig. Komplexe Themen so herunterzubrechen, dass sie verständlich für Kinder sind, aber zugleich nicht falsch und entfremdet – dies ist eigentlich Kunst.
Die Bücher empfehlen sich für junge Muslime. Sie tragen viel zur religiösen Sozialisation und Glaubensorientierung bei, indem sie zum Beispiel mit dem wichtigsten Propheten des Islams bekannt machen. Sind sie aber auch für nicht-muslimische Kinder geeignet?
Die Bücher sind für alle Kinder gedacht. Sie klären auf; erzählen Geschichten und werfen Fragen auf, zeigen Gemeinsamkeiten und Differenz auf. Das Buch Der kleine Hassan beispielsweise kann bestens für einen interreligiösen Religionsunterricht geeignet sein, da in diesen Buch Fragen aufkommen, die in dieser Gesellschaft relevant sind. Warum feiern Muslime nicht das Weihnachtsfest?
Das Zuckerfest steht wieder vor der Tür, welchen Titel aus ihrem Verlag würden Sie zum Ramadan empfehlen?
Ich würde das Buch Yusuf der Prophet empfehlen, in dem es um die Geschichte des Propheten geht. Ich denke, dass das Leben von Yusuf heute viel zu sagen hat – den Kinden, aber auch den Erwachsenen. Aktuell Feuilleton Interview
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Wäre es nicht besser da grundsätzlicher heran zu gehen, und den Büchermarkt, die Mehrwertsteuer auf Bücher und den Handel mit Übersetzungsrechten neu zu organisieren.
Der papierne Kinderbuchmarkt mag in den Händen us-amerikanischer, europäischer und asiatisch-pafizischer Verlage liegen, d.h. heißt aber nicht, dass die Übersetzungsrechte alle Distributionsrechte auf allen Medienkanälen E-Reader, Tablett PCs, Socialbook Portale beinhalten müssen. Es ist auch noch nicht gesagt, dass der Ablauf des Urheberrechtes für alle Buchsorten gleich sein muss.
Wir haben in der Diskurshygiene Debatte um Rassismus in den Kinderbüchern gesehen, dass weiße deutsche Öffentlichkeit sehr gern die Reproduktion des Rassismus in den Medien für die Jüngsten beibehalten möchte. Die Ausländer und Diasporas hingegen wollen ihre Kinder keinen Rassismus aussetzen, weil es die Gefahr der Internalisierung des Rassismus beinhaltet.
Um die Internalisierung des Rassismus über den Einflußkanal Kinderbücher und Jugendliteratur zu vermeiden, brauchen wir eine Regulation des Büchermarktes, der die Profitrate selbst auf Nischenmärkten hoch hält, um Autoren zu motivieren für diese Märkte zu schreiben.
Da sehe ich mehrere Möglichkeiten:
1. Verlängerung des Urheberrechtes für die Autoren gegen exklusive Nachdruckrechte für diasporische Verlage.
2. Autoren erhalten für jeden Kanal eine eigene Börse für Reproduktion- und Übersetzungsrechte
– papierne Reproduktion bleibt bei den Medienkonzernen
– digitale Kanäle gehen an die Diaspora Communities, falls sie Buchklubs und Kulturzentren als Vertriebskanäle nachweisen können
– steuerliche Gleichstellung mit Modelleisenbahner bei den Steuernachlässen für fremdsprachliche und übersetzte Kinderbuch Käufe
3. Mehrwertsteuer für fremdsprachliche und übersetzte Kinderbücher werden hrabgesetzt, um alteingesessene Familien und diasporische Familien zu animieren mehr zu kaufen.
4. Übersetzungsrechte werden von Auktionshäusern im Eigentum der Diaspora Communities versteigert.