Vielfalt
„Wir brauchen mehr mutige Vordenker“
„Vielfalt leben“, das klingt so wunderbar einfach. Ist es aber im Alltag nicht. Im Gegenteil: Es sorgt für Konfliktstoff und lohnt sich doch – davon ist Daniela A. Ben Said, Referentin und Coach mit arabischen Wurzeln, überzeugt.
Von Daniela A. Ben Said Mittwoch, 04.06.2014, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 06.06.2014, 0:24 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Wie es sich anfühlt anders zu sein, weiß ich sehr genau. Mein tunesischer Vater lebte in meinen ersten Lebensjahren noch nicht in Deutschland. Meine Mutter zog mich alleine auf. Sie war drei Tage nach meiner Geburt erst 18 Jahre alt geworden und noch in der Ausbildung zur Krankenschwester. Mein schwarzes Haar, meine dunkle Haut, mein außergewöhnlicher Nachname und meine für die 70er Jahre ungehörig junge, alleinerziehende Mutter machten mich schon früh zu einer Außenseiterin. Schon im Kindergarten gab man mir das Gefühl, nicht nur anders, sondern weniger wert zu sein als andere Kinder. Und an meinem allerersten Schultag, in den ich so viele Erwartungen und Hoffnungen gesetzt hatte, fand sich kein Kind, das neben mir in der Bank sitzen wollte.
Vieles hat sich seitdem verändert. Unsere Gesellschaft ist bunter und toleranter geworden. Und doch gibt es gute Gründe, warum der gestrige 3. Juni von der Charta der Vielfalt e.V. zum Diversity-Tag erklärt wurde. Vielfalt ist eben kein Thema, mit dem sich heute nur Bildungs- und Sozialpolitiker beschäftigen sollten. Vielfalt ist zu einem Wirtschaftsfaktor geworden. Und Unternehmen tun gut daran, sich damit auseinanderzusetzen. Gut, ein paar große Konzerne haben Vielfalt bereits in ihren Wertekodex aufgenommen und in ihrer Unternehmenskultur verankert. Manche Großunternehmen leisten sich ein Diversitymanagement. In den meisten Unternehmen jedoch ist die Akzeptanz von Vielfalt eher noch Lippenbekenntnis als gelebte Realität, von einer „Förderung von Vielfalt“ gar nicht zu reden.
Wie ließe sich sonst das Ergebnis einer im März veröffentlichten Studie erklären? Der nach haben Jugendliche mit türkischem Nachnamen bei gleicher Qualifikation deutlich schlechtere Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Die Bewerber mit türkischen Namen wurden nicht nur seltener zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, ihnen wurde häufig direkt abgesagt.
Wie sonst lässt sich erklären, dass nirgendwo sonst in Europa der Verdienst von Männern und Frauen so weit auseinanderklafft wie in Deutschland? Von den Aufstiegschancen weiblicher Führungskräfte in die Aufsichtsräte großer Unternehmen ganz zu schweigen…
Ethnische Herkunft, Religion und Weltanschauung, Behinderung, aber auch sexuelle Orientierung, Geschlecht und Alter – das sind die Kerndimensionen von Diversity. Der Azubi mit türkischem Elternhaus, die lesbische Sekretärin, die erste Frau in der Vertriebsleitung, der Produktmanager im Rollstuhl.
„Vielfalt leben“, das klingt so wunderbar einfach. Ist es aber im Alltag nicht. Im Gegenteil: Es sorgt für Konfliktstoff.
Dennoch lohnt es sich, die gesellschaftliche Vielfalt nicht nur zu akzeptieren, sondern sie mehr noch gezielt zu fördern. Nicht aus reiner Menschenliebe, sondern auch vor dem Hintergrund harter betriebswirtschaftlicher Kennzahlen. Bis zu 21 Milliarden Euro im Jahr könnten deutsche Unternehmen durch Diversity- und Inklusionsmaßnahmen einsparen, haben Experten berechnet. Positive Effekte lassen sich demnach nicht nur beim Zugang zu neuen Märkten und Kundensegmenten, bei Innovation und Kreativität erwarten. Vor allem eine geringere Fluktuation und die strategische Positionierung als „Wunscharbeitgeber“ helfen den Diversitymanagement betreibenden Unternehmen beim Kosten sparen.
Um Vielfalt in Unternehmen zu fördern, brauchen wir mehr mutige Vor- und Querdenker in den Chefetagen. Wir brauchen nachhaltigere Konzepte, zukunftsorientiertere Strategien und keine netten Einzelaktionen. Aktuell Meinung
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Liebe Frau Daniela A. Ben Said,
wenn Sie etwas dazu lernen wollen: „Managing Diversity“ gab es bei der Arbeitgeberseite schon immer, weil man die Belegschaft entlang ethnischer, religiöser, Alter und sexueller Orientierung spalten möchte.
In den USA ist die Innovation in der Arbeitgeberpolitik Afroamerikaner als Streikbrecher einzusetzen, die aus dem Süden in den Norden einwandern.
Die Aufregung um Vielfalt exisitert erst, seitdem man weiss, dass die ethnische Vielfalt die Kostenaufteilung zwischen Migranten und Arbeitgeberseite durch die traditionellen Diskriminierungspraktiken zuungunsten der Arbeitgeberseite verschoben hat. Diskriminierungskosten tragen nicht mehr hauptsächlich die Migranten, sondern auch die Arbeitgeberseite durch verminderte Kaufkraft und Sparpotential.
Die Arbeitgeberseite ist sehr bemüht die Gerechtigkeitsbegriffe wie Geschlechtergerechtigkeit, globale Gerechtigkeit, Verteilungsgerechtigkeit, Menschenrechte und „Rassengleichheit“, die eng mit der Migration zusammenhängen durch eigene Gerechtigkeitsbegriffe zu besetzen. Ideologische Verwirrspiele mit Chancengerechtigkeit, Chancengleichheit reichen nicht mehr aus.
Die Gerechtgkeitsbegriffe der Gegner sollen als Business Case im Sinne der Arbeitgeberseite historisch einmünden und überflüssig gemacht werden.
Die Arbeitgeberseite hat keine Probleme damit, Anti-Diskriminierungsrichtlinien durch Lobbyisten zu verwässern. Die Menschenrechte der Mittelmeerflüchtlinge auf dem Weg zur Arbeit auf den südeuropäischen Agrarbetrieben sind ebenfalls ein Thema, das „Managing Diversity“ kaum zu Business Case umdeuten kann. Ausser man definiert die Prämienzahlungen der EU an die Kapitäne, um Leute absaufen zu lassen und nicht zu retten als „Managing Diversity“.
Auch damals bei der ideologischen Verwirrungsaktion des angelsächsischen Multikulturalismus wurde ein weißer Herrschaftsdiskurs mit Hilfe von Vorzeige-Migranten und Tränendrüse in die Öffentlichkeit gedrückt, um die Mehrheit der Migranten zum Schweigen zu bringen.
Ich bin gespannt, ob es dem Bündnis von Universität, Stiftungen, Konzerne, VIP-Migranten und Bürokraten es diesmal schaffen im Zeitalter von youtube, Blogs und Fileservern sich gegen die Migranten durchzusetzen.