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Integration

Die anderen Mütter

Der Berliner Migrantinnenverein „Mütter in Bewegung“ möchte ein Anlaufpunkt sein für Frauen und ihre Familien. In allen Lebensbereichen – Gabriele Voßkühler hat die Mütter besucht.

Von Gabriele Voßkühler Mittwoch, 04.06.2014, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 06.06.2014, 0:24 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die Geräusche spielender Kinder dringen durch die offenen Fenster von draußen in den Raum. Ein Handy klingelt, zwei Nachzüglerinnen müssen mit Plätzen in der hinteren Reihe Vorlieb nehmen. „Ich habe heute meine Eltern dabei. Die wollen mal sehen, was wir hier so machen“, sagt Stefan Komoß, Bezirksbürgermeister von Marzahn-Hellersdorf, und lächelt auffordernd in die Runde. Nichts von alledem scheint die Anwesenden aus der Ruhe zu bringen.

Denn die dunkelhaarigen Frauen, die an diesem späten Mittwochnachmittag den Weg in den tiefen Osten der Hauptstadt gefunden haben, wollen etwas lernen. Etwas lernen über Politik. „Politik für MaMis“ heißt das Seminar, zu dem der gemeinnützige Verein „Mütter in Bewegung“ Frauen aus der ganzen Stadt eingeladen hat. „Politik heißt für mich mitregieren“, sagt eine der Frauen. Aber wie funktioniert politische Teilhabe in Deutschland? Als Mutter und noch dazu mit Migrationshintergrund?

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Die Geschichte der MaMis

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Einige der Frauen, die an diesem Tag an dem Politikseminar in Hellersdorf teilnehmen, engagieren sich bereits. Sie gehören zu den „Müttern in Bewegung“, die es seit 2010 in Berlin gibt. Die Geschichte der MaMis – wie sie sich selber nennen – das ist eine dieser leisen Erfolgsgeschichten, die sich fernab von den lauten Tönen in der Integrationsdebatte erzählen lässt. Am Anfang stand eine Frau mit einer Idee und einem ausgeprägten Interesse für das Thema Immigration: Die 46-Jahre alte Peruanerin Marita Orbegoso. Nachdem Marita in Peru jahrelang für das Bildungsministerium gearbeitet hatte, kam sie 2007 für einen Master an Hertie School of Governance in Berlin und blieb. Mit der Geburt ihrer Tochter änderte sich so Einiges in ihrem Leben.

Ein positives Beispiel für Integration

„Bis meine Tochter laufen lernte, habe ich mich auf meine Forschungsarbeiten beschränkt. Keine Babykurse, gar nichts“, erzählt Marita in einem Prenzleberger Café. Als die Kleine dann älter wurde habe sie sich plötzlich tagein, tagaus auf Spielplätzen wiedergefunden. Dort sei sie ins Gespräch gekommen mit anderen Müttern. Mit den schicken Ökomüttern, die rund um den Kollwitzplatz das Straßenbild bestimmen, hat Marita trotzdem wenig zu tun. Stylische Kinderkleidung oder Bücher über zuckerfreie Kinderernährung gehören nicht zu ihren Lieblingsthemen. „Ich war auf der Suche nach Frauen, die wie ich, keine Antworten hatten und ich wollte ein positives Beispiel liefern. Ein positives Beispiel für Integration“, sagt Marita. „Solidarität“, dieser Begriff fällt immer wieder, wenn man Marita nach der Motivation für ihre Arbeit fragt. Und damit meint sie nicht Solidarität im politischen Sinn: „Für mich ist Solidarität etwas sehr Emotionales,“ sagt sie dann.

Solidarität mit den Müttern

Maritas Solidarität gilt den Müttern mit Migrationshintergrund. Zunächst waren das vor allen Dingen spanischsprachige Mütter, die sich – wie sie selber auch – für mehrsprachliche Erziehung und den beruflichen Wiedereinstieg nach einer Familienpause interessieren. Heute zählt die Datenbank der MaMis mehr als 1000 Mitglieder und es kommen immer mehr Frauen, die keinen spanischsprachigen Hintergrund haben, zu den Veranstaltungen der MaMis. Die Aktivitäten der „Mütter in Bewegung“ sind breitgefächert: Beratungssprechstunden, Zumba-Kurse, Kinderwerkstätten und interkulturelle Feste. In ganz Berlin. „Und wir haben bereits Anfragen aus anderen Teilen Deutschlands. Von Frauen, die sich dafür interessieren unseren Verein woanders aufzubauen“, erzählt Marita stolz.

Das neue Gesicht der MaMis

Szenenwechsel. Eine Schöneberger Altbauwohnung. Hier trifft sich zwei Mal im Monat das neue Gesicht der MaMis, die Kommunikationsgruppe. In einer geräumigen Wohnküche sitzen sich vier Frauen an einem langen Holztisch gegenüber. Einige haben ihren Laptops mitgebracht, eine Frau ihre kleine Tochter. Zwischen Croissants, Kaffee und Kindergeschrei geht es heute um die Kommunikationsstrategie der „Mütter in Bewegung“. María und Carmen sind ausgebildete Journalistinnen, Kommunikationsprofis also. Gema ist Ausstellungsgestalterin und kümmert sich um den Online-Auftritt des Vereins. „Einige links in unserem Blog funktionieren nicht. Das müssen wir prüfen.“ wirft Gema in die Runde. „Viele Frauen, die sich bei den MaMis engagieren, arbeiten und haben kleine Kinder“, erzählt Marita. „Unser Verein ist etwas für Frauen, die sich ihre Zeit gut einteilen können“ fügt sie schmunzelnd hinzu.

Integration heißt auch politische Teilhabe

Frauen, die sich ihre Zeit so gut einteilen können, dass sie nebenbei auch mal ein Politikseminar besuchen können. Zurück zum Bezirksbürgermeister Stefan Komoß und der „Politik für MaMis“: „Stellen Sie sich doch einmal vor, Sie wollen Bundeskanzlerin werden, wie könnten Sie das schaffen?“ fragt Komoß. Jetzt schaut er in verlegene und ratlose Gesichter. Viele der Seminarteilnehmerinnen sind keine EU-Bürger und gehören zu den 800.000 Berliner Bürgern, die regelmäßig nicht an Wahlen teilnehmen dürfen. Komoß möchte diesen Frauen das politische Engagement in ihrem Bezirk schmackhaft machen: Bürgersprechstunden besuchen, bei Vereinen und Interessensgruppen mitarbeiten, Fragen stellen in der Bezirksverordnetenversammlung. Zum Abschied gibt es für alle Frauen einen Gutschein für einen halbstündigen Gesprächstermin in der Bürgersprechstunde des Bezirksbürgermeisters. Den gilt es zu nutzen. „Die MaMis waren schon vor einem Dreivierteljahr bei mir in der Sprechstunde“, erzählt Stefan Komoß im Anschluss an das Seminar. „Das war richtig nett. Und zum Schluss sind sie mit neuen Fördermitteln in der Tasche nach Hause gegangen.“ Aktuell Gesellschaft

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