Europawahl

Aufklärung ist eine Antwort auf unsere neue Herausforderung

Diese Europawahlen zeigen ganz klar: Rechtspopulisten haben im bürgerlichen Milieu Fuß gefasst. Haben die Falschen die Schlechten gewählt? Das wäre zu einfach und beide Augen zudrücken ist abwegig – Dmitri Stratievski kommentiert die Wahlergebnisse.

Von Dienstag, 27.05.2014, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 26.10.2015, 14:47 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Sie nennen sich „euroskeptisch“ oder „patriotisch“. Diese Politiker nehmen ihre Kinder mit auf die Bühne und sprechen „im Namen der künftigen Generation“. Im Kern vertreten sie immer das gleiche Wertebild: Statt ein gemeinsames und solidarisches Europa brauchen europäische Rechtsradikale und Rechtspopulisten ein Europa des Nationalegoismus und der Ausgrenzung.

In der vergangenen Wahlwoche legten die Parteien rechts vom konservativen Spektrum in rund der Hälfte der EU-Staaten zu. Alarmierend ist die Lage in Frankreich, Dänemark und Großbritannien. Die deutsche AfD entsendet sieben Abgeordnete nach Straßburg. Dazu wird noch ein NPD-Mitglied im EU-Parlament sitzen. Mehrere Journalisten weisen jedoch auf das (wider Erwarten) relativ schwache Abschneiden der Rechten in einzelnen europäischen Ländern hin. Im österreichischen „Kurier“ heißt es: „Viele Proteststimmen, aber kein “Rechtsruck“. Schön wär’s! Das scheint mir aber zu kurz zu greifen. Hinter der neuen Konstellation verbergen sich neue Risiken.

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Zum einen behält die Phrase „Jeder Rechtsgesinnter im Parlament ist einer zu viel“ immer noch ihre Aktualität. Alle Europaabgeordneten können politische Werkzeuge Europas in Anspruch nehmen. Sie beschäftigen Mitarbeiter, verfügen über eigene Büros im machtpolitischen Zentrum der Union, versorgen Nachrichtenagenturen der Welt mit Presseerklärungen und können Veranstaltungen und Konferenzen für die Medien und Öffentlichkeit organisieren. Ein Mensch mit Mandat erreicht weite Kreise und spielt in einer anderen Liga als zuvor. Eine Gesprächsrunde mit Udo Voigt im Straßburger Pressezentrum oder im Europäischen Haus am Pariser Platz in der deutschen Hauptstadt? Das kann demnächst Realität werden. Die „Kämpfer“ gegen die „Brüsseler Bürokraten“ werden wohl gerne die europäischen Machtmechanismen ausnutzen, um die europäische Einheit und Demokratie zu schwächen.

Zum anderen zeigt das Wahlergebnis deutlich, dass die Rechtspopulisten im bürgerlichen Milieu Fuß gefasst haben. Rhetorisch begabte Krawattenträger von der AfD sorgten für die CSU-Schlappe. Neben der Hetze gegen Europa jagte die „Alternative“ nach dem Phantom der „Armutszuwanderung“ und punktete damit. Der Einsatz hat sich gelohnt. Das kann einige Politiker aus etablierten Parteien dazu bewegen, im Kampf um die Wählerstimmen diese Rhetorik zu übernehmen.

Schließlich bauen alle rechtspopulistiche Parteien ihr politisches Tagesgeschäft mithilfe der migrantenfeindlichen Parolen auf. Die Ablehnung der Andersaussehnenden und Anderssprechenden scheint eine globale und unabdingbare Begleiterscheinung der Rechtspopulisten zu sein. Die „europakritischen“ Big-Bosse führen sich im Recht zu entscheiden, wer „gut“ oder „ungenügend“ integriert wird, wer seiner Wahlheimat „zugutekommt“ oder potentiell „Sozialsysteme missbrauchen“ kann. In Kürze werden sie eine neue Bühne für ihre Hasspredigt und ihr demagogisches Wortgeklingel haben.

Welche Gegenstrategie ist hier denkbar? Es reicht bei weitem nicht aus zu sagen: die Falschen wählen die Schlechten. Beide Augen zudrücken ist abwegig. Eine Antwort auf unsere neue Herausforderung heißt die Aufklärung. Immanuel Kant beantwortete 1784 die gestellte Frage nach der Bedeutung der Aufklärung wie folgt: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit… Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

Ein Anzeichen des Widerstandes gegen die rechte Denkweise in Form von Textbeiträgen, Gesprächen oder Protestaktionen kann die Sinnlosigkeit dieser Ideologie offenlegen und weckt den Verstand der Menschen. Selbst wenn ein Udo Voigt eines Tages auf europäischer Ebene vortragen wird, würde ich mir wünschen, dass dies vor leeren Stühlen in einem von wütenden Bürgern belagerten Raum stattfindet. Aktuell Meinung

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  1. Fritz Goergen sagt:

    Die meisten Medien kommen ihrer Rolle als Aufklärer nicht nach.

  2. Wendy sagt:

    „…weckt den Verstand der Menschen..“ . Okay, bei den GEsellen die die NPD gewählt haben ist (wissenschaftlich ermittelt) ja in der Regel eher wenig Verstand dabei. Zudem ist das eine Stammwählerschaft.

    Diie knapp 2 Millionen Menschen die die AfD gewählt haben aber nun in diese Richtung der „Verstandlosen“ oder „unaufgeklärten“ zu schieben ist auhc nicht redlich. Viele dieser Menschen wählten voher CDU/SPD/Linke -> haben die ihre „Aufklärung“ und ihren „Verstand“ insofern verloren?
    Ich denke nich, die fühlen sich nur nicht verstanden. Solange die großen Volksparteien das nicht begreifen werden die Wähler da auch nicht weniger werden.

    Zudem ist mir kein Spruch oder Plakat bekannt wo die AfD gegen2 Andersaussehnde oder anderspsrechende“ gehezt haben soll.

  3. Gero sagt:

    Schließlich bauen alle rechtspopulistiche Parteien ihr politisches Tagesgeschäft mithilfe der migrantenfeindlichen Parolen auf. Die Ablehnung der Andersaussehnenden und Anderssprechenden scheint eine globale und unabdingbare Begleiterscheinung der Rechtspopulisten zu sein. Die „europakritischen“ Big-Bosse führen sich im Recht zu entscheiden, wer „gut“ oder „ungenügend“ integriert wird, wer seiner Wahlheimat „zugutekommt“ oder potentiell „Sozialsysteme missbrauchen“ kann. In Kürze werden sie eine neue Bühne für ihre Hasspredigt und ihr demagogisches Wortgeklingel haben.
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    Diejenigen, die Sie „Rechtspoulisten“ nennen, haben nichts gegen „Andersaussehende“ oder „Andersprechende“, wie Sie es in Ihrem Text suggerieren möchten.

    A,lerdings muss die Frage der Integrationsfähigkeit und -bereitschaft von Zuwandern gestellt werden. Kein Land der Welt kann Zuwanderung, die keinen wirtschaftlichen Vorteil für beide Seiten bringt, akzeptieren – auch dieses Land nicht.

    Und Sie gehen mit mir sicherlich einig, dass Sozialmissbrauch stattfindet – in welchem Ausmaß auch immer – und dass jedes Land der Welt befugt ist, missbräuchliche Nutzung seiner Sozialsysteme – soweit vorhanden – zu unterbinden.

  4. Dmitri Stratievski sagt:

    @Fritz Goergen. Einverstanden. Ich kenne aber glückliche Ausnahmen.

    @Wendy. Das meinte ich gerade. Deshalb ist mir die Erklärung „die Falschen haben die Schlechten gewählt“ zu kurz. Ich will auch die Volksparteien nicht bedingungslos in Schutz nehmen, heißt jedoch m.E. nicht, dass die Parteien aus dem rechten Spektrum gewählt werden müssen. Protest und Frustration sind keine guten Ratgeber bei der Entscheidungsfindung.
    Zum Themenkomplex die AfD etc. habe mich hier zu Wort gemeldet: http://www2.forum-dl21.de/blog/index.php?blog=257 Meinen Sie, dass diese AfD-Repräsentanten tolerant sind?

    @Gero. Sie stellen eine Vermutung auf. Haben Sie ein Zahlenwerk dazu? Meinen Sie ernst, dass viele Menschen davon träumen, ihr Heimatland ohne Gut und Habe zu verlassen und ohne Sprach- und Sittenkenntnisse in die Fremde zu ziehen, um stolze 390 Euro monatlich zu kassieren?

  5. Gero sagt:

    @Gero. Sie stellen eine Vermutung auf. Haben Sie ein Zahlenwerk dazu? Meinen Sie ernst, dass viele Menschen davon träumen, ihr Heimatland ohne Gut und Habe zu verlassen und ohne Sprach- und Sittenkenntnisse in die Fremde zu ziehen, um stolze 390 Euro monatlich zu kassieren?
    ___________

    Es braucht kein Zahlenwerk. Ebenso ist es müßig , darüber zu sinnieren, ob und wieviele „für stolze 390 € “ ihr Land verlassen. Ohne Gut und Habe kommen dank schlampigem EU-Handwerk (seit 2007 ist es beschlossen, dass die „Arbeitnehmerfreizügigkeit“ für Bulgarien und Rumänien mit Beginn 2014 umgesetzt wird – flankierende Maßmahmen seither, um Missbrauch zu verhindern: keine) dennoch genug ins Land. Schauen Sie auf die betreffenden Städte.

    Wollen Sie im Ernst, dass Missbrauch von Sozialleistungen folgelos bleibt? Gibt es irgendwo auf der Welt einen Staat, der dies so hinnimmt? Fordern Sie das für Deutschland?

  6. Filip P. sagt:

    Da wir in einer Demokratie leben, kann ich nichts falsches und auch nichts unmenschliches daran erkenne, wenn jemand nach einer restriktiveren und erschwerteren Einwanderung verlangt. Warum sollte bei diesem Thema eine Ausnahme gemacht werden? Ich kann daran nichts rechtspopulistisches oder „verstandsloses“ erkennen.

    Warum versucht man die Migrationspolitik komplett aus der Diskussion herauszunehmen, bzw. als alternativlos darzustellen?

  7. Lionel sagt:

    Einwanderung ist eben auch mit Zumutungen und Belastungen für die aufnehmende Bevölkerung verbunden.
    Darüber muss sachlich geredet werden können, es genügt nicht, Beschwerden, die berechtigt sein können, pauschal als fremdenfeindlich abzukanzeln.
    Rechtsradikale Parteien werden dann gewählt, wenn sich Teile der Bevölkerung überhaupt nicht mehr politisch vertreten fühlen.

  8. Global Player sagt:

    Ich persönlich möchte es nicht so bunt, wie sich viele hier das vorstellen. ich möchte ein Deutschland, in dem ich mich als Deutscher zu Hause fühle. In dem meine Kultur die vorherrschende ist. In dem meine Srpache gesprochen wird. ich möchte kein buntes, willkürliches Durcheinander von Dönerbuden, Callshops, Gemüsemärkten. Ich möchte ein Deutschland, in dem Ausländer willkommen sind, die sich bestmöglich integrieren, wenn sie bleiben wollen und sich auch ein Stück weit unterordnen. Genau, wie ich es im Ausland mache. So, wie es sich gehört. Deshalb wähle ich die Afd. Das hat nichts, aber überhaupt nichts mit rechts oder radikal zu tun.

  9. Wiebke sagt:

    Wer hat denn die Globalisierung gewollt? Ging das nicht vom Kolonialismus der reuropäischen-Staaten und Wirtschaftskräften aus? Haben sie nicht massenhaft Länder erobert, in denen sie nichts zu suchen haben, Sozial- und Wirtschaftssysteme in großen Stil zerstört und unter tatkräftiger Unterstützung christlicher Missionare, Andersdenkende ‚bekehrt‘?
    Viele der heuten Bürgerkriege und desolaten Staaten sind ein Erbe dieser Art der Globalisierung, die durch ungleiche Verteilungskanäle und Wirtschaftsstrukturen bis heute am Leben erhalten wird. Klar, die Flüchtlinge vor solchen Zuständen lassen wir lieber im Mittelmeer absaufen, falls sie sich an das reiche Europa klammern wollen. Wodurch ist Europa reich geworden????
    Da frag ich doch: Wo steht geschrieben, wem die Erde gehört?

  10. muslim sagt:

    @Global Player
    „Ich möchte ein Deutschland, in dem Ausländer willkommen sind, die sich bestmöglich integrieren, wenn sie bleiben wollen und sich auch ein Stück weit unterordnen.“

    Sie möchten also eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, Ausländer sollen sich gefälligst „unterordnen“??!! Danke, dass Sie die geläufige Haltung gegenüber AfD-Wählern bestätigt haben. Dass sie so krass ist, hätte ich aber beim besten Willen nicht gedacht. Si tacuisses…

    „Genau, wie ich es im Ausland mache. “

    Sie sind im Ausland wohl auch nur als Tourist oder sonst wie vorübergehend unterwegs. Das ist ein gewaltiger Unterschied!