Integration im 16:9 Format

Eine Reaktion auf Julia Engelmanns Poetry Slam

Julia Engelmann hat mit ihrem Poetry Slam Millionen mitgenommen, zum Nachdenken gebracht. Martin Hyun hingegen konnten sich mit Engelmanns Text nicht identifizieren, er hat seinen eigenen geschrieben - ich laufe, ich renne, ich kämpfe.

Von Freitag, 21.02.2014, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 09.05.2020, 0:57 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Mit dem Text der Poetry Slammerin Julia Engelmann ging ein Ruck durch Deutschland. Engelmann schaffte es mit ihrer Art und Weise, die Menschen zum Nachdenken zu bringen.

In ihrem Wortfluss über die Sinnhaftigkeit des Lebens, dem dornigen Weg geplagt von Selbstzweifel, der Antriebslosigkeit, mit dem Blick gerichtet zur Erlösung, der versklavten Hoffnung auf den Anfang vom Ende sah ich mich nicht wieder, wie viele meiner Bekannten. Wir konnten uns mit Engelmanns Text nicht identifizieren.

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Nur die eine Frage drehte sich in meinem Kopf. Wie wäre dieser Text wohl ausgefallen, wenn es aus der Feder eines Migranten stammen würde? Und so wollte ich ein Versuch starten:

* * *

Ich warte nicht ab,
ich nehme mir viel vor und doch schaffe ich davon alles,
ich halte mich nicht zurück,
ich zweifele nichts an,
ich bin klug,
allein das ist ziemlich gut.

Ich sage sehr viel und bleibe dabei nicht still,
ich tue sehr Vieles, meine Liste ist sehr lang,
also fange ich früh an.
Ich hänge nicht planlos herum und wart auf den nächsten Freitag,
„Ach das mach ich später“ ist nicht die Baseline meines Alltags,
eher: „Ich wäre ein Narr wenn ich aufgeben würde“.

Ich bin fleißig, wie eine Ameise,
ich überwinde immer meinen eigenen Schweinehund,
ich stehe früh auf, ich gehe nicht oft raus, um nicht unnötig Zeit zu verlieren,
ich gehe meine Träume an,
ich gehe auf Risiko wenn es sein muss,
ich laufe meinen Marathon durch, bis ich die Ziellinie erreicht habe,
Aufgeben kommt für mich nicht in Frage.
Kein Tag vergeht für mich nur einfach so.

Eines Tages werde ich alt sein und ohne Bedauern an all die Geschichten zurückblicken,
die ich angefangen und zu einem Ende gebracht habe, ob erfolgreich oder nicht.

Und trotz all dieser Mühen bleiben mir die Türen verschlossen,
weil ich am falschen Ort zur falschen Zeit bin,
weil sich meine Herkunft in meinem Erscheinungsbild widerspiegelt,
weil mein Migrationshintergrund nicht in den richtigem Namen mündet,
und sich mein Äußeres vom Rest unterscheidet.
Der Traum bleibt nur ein Traum, der das Morgenlicht nie erblicken wird.

Der Marathonlauf eines Migrantenlebens kennt keine Zielgerade, sondern nur „Durchhalten“ oder „Aufgeben“,
Absagen werden als „planlos“ und als „Lücke im Lebenslauf“ gewertet,
mein Ehrgeiz wird auf eine harte Probe gestellt.

Die Zeit verrinnt,
ich vergeude mein Talent mit einer Arbeit, die nicht meiner Qualifikation entspricht.
Ich renne und doch stehe ich still,
ich gehe zwei Schritte vor und doch einen Schritt zurück,
ich laufe, ich renne, ich kämpfe,
aufgeben kommt für mich nicht in Frage.
Dafür bin ich zu weit meines Weges gegangen, um einfach kehrt zu machen,
ich habe mein Selbstvertrauen.

Und jede Niederlage ist irgendwie doch ein Sieg,
sie versuchen, meinen Fleiß zu brechen, mich zu demoralisieren,
in der Hoffnung, dass ich leise werde, von der Bildfläche verschwinde,
Aber sie vergessen, dass ein Migrant aus einem anderen Holz geschnitzt ist,
so leicht wird die Flinte nicht ins Korn geworfen.

Eines Tages werde ich alt sein und ohne Bedauern an all die Geschichten zurückblicken,
die mich stärker gemacht und von meinen tiefen Ängsten befreit haben. Aktuell Meinung

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  1. Thomas_1978 sagt:

    @ Global Player: Das was Sie schreiben ist völlig übertrieben „Elektroschocks“ und „Gehirnwäsche“. Sehen Sie die Dinge nicht so eng. Bilden Sie sich sich weiter. Es scheint, dass Sie einen kleinen Hang zum Extremen haben.

  2. Dottore Mario sagt:

    Sie werfen also Menschen, die nicht Ihrer Meinung sind, (geistige) Krankheit vor, die behandelt werden sollte? Hmmmm, woher kenn ich denn solche Schlußfolgerungen?
    Nein Global Player, Sie kriegen einfach nur eine Kostprobe von Ihrer eigenen Medizin. Denn das was Sie anderen vorwerfen, haben Sie mit Ihrem Erstbeitrag selbst gemacht. Das Leben ist nicht immer aber manchmal wie ein Boomerang, Sie kriegen das zurück was Sie selbst geben. Dafür gibt es auch ein deutsches Sprichwort So wie man in den Wald hinenruft, so schallt es heraus. Man kann auch sagen wer austeilt muss auch einstecken können.

  3. Dubliner_Birdie sagt:

    Der Autor Martin Hyun ist eine wichtige Stimme in der Integrationsdebatte und eine Bereicherung für Deutschland. Was für ein Unfug Olesia und Global Player da schreiben und von sich geben ist absolut engstirnig und dumm. Hyun engagiert sich in unserer Gesellschaft. Was machen Sie @Olesia und Global Player? Mit seinen Büchern, Worten, Statements und Initiativen bewegt Martin Hyun die Menschen zum Nach- und Umdenken. Nachvollziehen kann dies nur einer, der selbst in den Schuhen des Autors steckt. Nicht umsonst wird seine Kolumne „Integration im 16:9 Format“ bezeichnet.