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Re-Generation

Im Auge des Betrachters

Nach seinem Film "93/13 - 20 Jahren nach Solingen" erhielt Mirza Odabaşı viele Leserbriefe. In einem wird er aufgefordert, einen Film über Deutschenfeindlichkeit zu machen. Ersmals schreibt er darüber in seiner neuen MiGAZIN Kolumne: Diesen Film gibt es schon, würden die Opfer als Deutsche akzeptiert werden.

Von Mirza Odabaşı Montag, 17.02.2014, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 20.02.2014, 23:11 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

„Sehr geehrter Herr Odabasi

Ich weiss nicht ob ich ihren Namen richtig geschrieben habe. Ich konnte es nicht erkennen

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30 Minuten intellektueller Dünpfiff von eitlen, selbstverliebten Dummschwätzern Cem Gülay war doch selber ein Straftäter, 100 Leute hat er zusammengeschlagen, Ich war eine Bestie, so seine Aussage (WDR) Wann machen sie einen Film über Deutschenfeindlichkeit und die deutschen Opfer?

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M.F.G.“

Dieser Brief lag eine Woche nach der TV-Premiere meines Films (93/13 – 20 Jahren nach Solingen) in meinem Postfach als einziger „Gegenwind“ zwischen dem ganzen Lob und Glückwünschen. Der Grund, weshalb ich mich jetzt damit auseinandersetze, ist, dass ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, dass ich mit ähnlichen Aussagen oder Fragen bei meinen Filmaufführungen oder Gesprächen konfrontiert werden würde.

Der Film wurde im WDR, im Phoenix und in 21 verschiedenen Städten in Deutschland, in Wien und an fünf verschiedenen Schulen in NRW gezeigt. Das sind zumindest die Stationen, an denen ich selbst anwesend war.

Ich bin stolz. Aber nicht auf mich.

Ich bin stolz auf die Menschen in diesem Land, die dieses Projekt angenommen, unterstützt und gewürdigt haben. Sie sind Hoffnung und Motivation für mich.

Vor allem sind mir die Aufführungen in den Schulen in Erinnerung geblieben. Die Menschen, die meine Programme besucht haben, sind ja Personen, mit denen man sich in „Rassismus“fragen einig ist, sonst hätten sich diese nicht die Mühe gemacht, zu erscheinen.

Der Unterschied zu den Schulaufführungen lag darin, dass die Schüler „gezwungenermaßen“ mit dem Film konfrontiert wurden, weil es eine Pflichtveranstaltung war oder weil sie im Rahmen einer Projektwoche damit beschäftigt wurden. In Schulklassen mit wenigen oder keinen Schülern aus Einwandererfamilien kamen oft Aussagen wie: „Ja, und was ist mit Jonny K.?, der wurde aber von einem Türken totgetrampelt!?“ Briefe und Gespräche folgten, die in diese Richtung gingen.

Soll ich zwischen Mördern differenzieren?

Leserbrief an Mirza Odabaşı © Mirza Odabaşı

Leserbrief an Mirza Odabaşı © Mirza Odabaşı

Ich habe Verständnis dafür, wenn sich die deutsch-deutsche Gesellschaft nicht mit den Opfern von rassistischen Übergriffen identifizieren kann. Ich kann es auch verstehen, wenn sie sich nicht mit den Tätern identifizieren können. Aber weshalb fühlt man sich dann angegriffen?

Ich habe noch einige ganz andere Fragen, die dieses Problem aus meiner Perspektive beschreiben: Warum waren 80 % meiner Gäste auf der Kinopremiere Menschen mit einem Migrationshintergrund? Warum haben fast alle meiner Filmaufführungen Vereine oder Hochschulgruppen mit türkischen Vorsitzenden organisiert? Warum kam nur eine deutschsprachige Zeitung zu meiner Premiere, obwohl 5-6 eingeladen waren? Warum liefen meine Ausstellung und mein Film in einem Fernsehmagazin für junge Menschen mit Migrationshintergrund? Weshalb sitzen in Multikulti-Vereinen, Freundschaften oder Plattformen, ausschließlich Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte? Warum organisieren die ganzen Vereine und Gemeinden Feste, Begegnungen und Tag der offenen Türen, wenn sowieso nur die Menschen dieser Gemeinde dahin gehen? Diese Liste könnte unendlich lang werden.

Meine Kernfrage ist: Wie kann ich ein Teil von dir sein, geliebtes Deutschland? Ohne Klammer auf, Klammer zu, ohne Nebensatz. Einfach nur ein Teil.

Ich habe selbst so viel Ungeklärtes in meinem Sinn und werde trotzdem auf die Frage im Brief eingehen. „93/13 – 20 Jahre nach Solingen“ ist nicht einmal ein Film über „Türkenfeindlichkeit“. Der dritte Satz im Film. Schon nach 30 Sekunden sage ich: „Wenn du glaubst, dass ich dir eine Geschichte erzähle, in der Deutsche Türken töten oder Türken Deutsche jagen, dann…, dann hast du dich geirrt.“

Aber, wenn Sie so scharf darauf sind zu differenzieren: Es hätte sehr wohl ein Projekt über die „Deutschenfeindlichkeit“ sein können, wenn Sie die Verstorbenen in Solingen und die Toten der NSU Morde als Deutsche akzeptiert hätten. Es liegt also eher im Auge des Betrachters.

Leider sind Menschen Ihrer Gesinnung damit beschäftigt Videos und Artikel bei Facebook zu teilen, für die es wichtig ist zwischen Täter und Täter mit Migrationshintergrund zu unterscheiden. Menschen Ihrer Art sind mit den schlechten Deutschkenntnissen von Mevlüde Genç beschäftigt. Es ist nicht ihre Aufgabe, gut Deutsch zu sprechen. Es ist meine Aufgabe. Ihre Aufgabe ist es, Menschen zu erziehen, die die Gefühle einer ganzen Generation übersetzen. Auf eigene Kinder mit Stolz zu blicken. Sie hat diese Kinder, die sie erzogen hätte, in den Flammen des Hasses verloren.

Deshalb übernehme ich diese Rolle.

Bei unserem gemeinsamen Interview also, sagte sie mir: „Almanya bizim memleketimiz“. Vielleicht drei Mal, vielleicht vier Mal. Das bedeutet übersetzt: „Deutschland ist unsere Heimat“.

Haben Sie noch Fragen? Ich habe eine ganze Menge. Leitartikel Meinung

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  1. Su sagt:

    Pure Gänsehaut. Danke Mirza Odabasi, vielen lieben Dank! Ich gebe es zu. Ich habe geweint als ich die Kolumne gelesen habe.

  2. Sinem sagt:

    I feel you! Hatte die ganze Zeit Gänsehaut. Danke Mirza für deine klugen und wahren Gedanken. Es geht unter die Haut.

  3. Melli sagt:

    Ich danke Dir sehr, dass Du Deine Gedanken und Empfindungen auf diese Weise ausdrückst. Dass Du es zum Thema machst. Es ist ein weiterer kleiner Schritt in Richtung Einheit/Verständnis und dieser Schritt is sehr wichig, es geht leider sehr langsam vorran, mi kl. Unterbrechungen/Seitwärts-Rückentwicklungen….

  4. Azadê sagt:

    Danke für den bewegenden Film (und den Artikel hier)!
    Und für Person Unbekannt ein Paar kostenlose Bildungsangebote, warum es Deutschenfeindlichkeit nicht gibt und nie geben wird:
    http://www.taz.de/!59433/
    und hier:
    http://www.youtube.com/watch?v=dw_mRaIHb-M

  5. Stewie Griffin sagt:

    Also ich finde das ehrlich gesagt etwas verlogen. Zum einen ein Attentat, das schon symbolischen Charakter für Gewalt von Rechts hat zu nehmen, dann zu behaupten es ginge dir ja gar nicht um Gewalt gegen Migranten, sondern auf einer schwammigen Metaebene zu argumentieren und zu behaupten, es hätte ja ein Film über Deutschenfeindlichkeit sein können, aber „deutsch-Deutsche“ hätten kein Interesse daran find ich schlichtweg falsch. Ich habe auch den Film gesehen. Ich halte ihn für hochgradigst emotionalisiert und das ist mit Sicherheit nicht der richtige Weg Menschen an dieses Thema heranzuführen. Außerdem ist deine Position völligst unklar. Auf der einen Seite geht es dir um Menschenfeindlichkeit, nicht Türken und Deutsche, auf der anderen Seite greifst du eben diesen symbolischen Anschlag auf, lässt nur Leute mit Migrationshintergrund zu Wort kommen und wunderst dich dann über die Resonanz von manchen Menschen. Sehr zwiespältig, schon fast demagogisch! Außerdem unfundiert!
    Cem Özdemir ist bekennender Lobbyistenfreund, Cartels Musik war definitiv nationalistisch/populistisch.
    Ich habe selber einen Migrationshintergrund. Meine Eltern stammen aus der Türkei. Und was für Leute repräsentieren Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland? Menschen mit Hang zum Faschismus ([…]) oder welche die rein zufällig islamistische Geschwister haben ([…])!
    Wenn du dich zu einer neunen Generation zählst solltest du vielleicht mal anfangen die alten Denkmuster über Bord zu werfen. Dazu gehört ALLE Seiten in Frage zu stellen und nicht mit Emotionen herumzuspielen. Man muss das Haus schon abreißen um ein neues hinzubauen. Oder man lässt es sein.

  6. Sa sagt:

    Hoffentlich bekommen viel mehr Menschen deine Worte zu hören! Einfach nur super!

  7. demet sagt:

    Wouw tolle Arbeit geleistet alles auf den punkt gebracht es gibt sehr gute Denkanstöße hat mich sehr berührt –BRAVO–

  8. e.e.s sagt:

    wie soll ein Film, über eine so wichtige und brutale Geschichte, wie der Brandanschlag auf eine türkische Familie mitten in Deutschland, in Solingen, vor 20 Jahren nicht emotional sein??? Frau Genc verliert ihre Kinder durch diesen Brandanschlag …der damalige Bundeskanzler spricht von „Beileidstourismus“ und weigert sich an der Trauerfeier für die Opfer teil zu nehmen ….. 20 Jahre später erfahren wir von den Taten der NSU …..und wie fahrlässig diese brutalen Morde ich finde Mirza Odabaşı hat einen bewegenden und unglaublich guten Film gemacht …. und appeliert an uns alle , sich mit dem Thema Rassismus auseinanderzusetzen ….. ganz großartig die Aussagen von Michel Friedmann in dem Film, der seit Jahren gegen den Rassismus in unserer Gesellschaft kämpft!!!! Danke für diesen Film

  9. posteo sagt:

    Die einzige Möglichkeit, dauerhaft zu verhindern, dass je wieder ein rassistisches Verbrechen von deutschem Boden ausgeht, besteht darin, die Bundesrepublik aufzulösen. Und das gilt nicht nur in Bezug auf die rassistischen Verbrechen an „Menschen mit Migrationshintergrund“, sondern auch für die Verbrechen an jenen autochthon deutschen Opfern, die mit über 100 Opfern rassistischer Gewalt die absolute Mehrheit bilden, wenn man den Angaben der Antonio-Amadeu-Studie glauben will.

  10. Demet sagt:

    Es ist so schön wie du schreibst, viel schöner ist es was du schreibst. Ich wünsche mir Menschen wie du. Menschen, die die Wahrheit auf eine bescheidenen Art und Weise veranschaulichen..