Deutschland hat gewählt

Die SPD hat alle Möglichkeiten zu regieren

Eine langweilige, distanzierte, ermüdende und am Ende doch noch überraschende Bundestagswahl liegt hinter uns. Distanziert und ermüdend deshalb, weil wir einen Wahlkampf erlebten, der wenig mit „Kampf“ zu tun hatte und dann auch noch in die Sommerferien fiel.

Von Dienstag, 24.09.2013, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 01.12.2015, 9:28 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Langweilig war der „Wahlkampf“, weil die erkennbaren Unterschiede zwischen den Parteien immer weniger auffallen. Nur die Piratenpartei hat mit einigen unkonventionellen Wahlkampfstrategien bzw. durch „Guerillamarketing“ auf sich aufmerksam gemacht. Mit 2,2 Prozent lag die Partei aber weit abgeschlagen unter der Fünf-Prozent-Hürde.

Besonders schlimm erwischte es die Freidemokraten (FDP): Mit dem schlechtesten Ergebnis in ihrer 65-jährigen Geschichte (4,8 Prozent) hat es die 1948 gegründete FDP nicht geschafft, in das Bundesparlament einzuziehen. Die Konsequenz: Rösler ist zurückgetreten. Eine Neuausrichtung hat die Partei bitter nötig. Die FDP wurde seit dem Verlassen der sozialliberalen Koalition Anfang der 80er nicht nur immer weiter zu einer Klientel- und Lobbyistenpartei, sondern auch zum alleinigen „Juniorpartner“ und Wahlhelfer der Christdemokraten (CDU). Ärzte und Anwälte, Versicherungs- und Immobilienmakler, Banker, Selbstständige und Millionäre fühlten sich von der FDP vertreten. Das Bild als Partei ohne soziales Gewissen gab der FDP den letzten Stoß. Nun haben Leute mit ein wenig mehr Solidaritätsgefühl wie Kubicki oder Leutheusser-Schnarrenberger Zeit genug, die Partei auf die Erfolgsspur zu lotsen. Die Liberalen können sich noch mal Gedanken machen, ob sie sich weiterhin den Luxus leisten wollen, von vornherein Koalitionen mit dem linken Lager auszuschließen. Auch darüber haben sie jetzt lange Zeit, nachzudenken.

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Eine herbe Enttäuschung mussten auch die Grünen (8,4 Prozent) hinnehmen. Die Partei, die in Baden-Württemberg die grün-rote Koalition anführt und noch vor einem Jahr bei über 20 Prozent lag, ist nun wieder dort, wo sie schon mal war. Auch hier wird es personelle Konsequenzen geben müssen. Claudia Roth und Cem Özdemir haben Medienberichten zufolge bereits ihren Rücktritt angekündigt.

Die Linkspartei dagegen hat obwohl sie leicht Stimmen verlor ein beachtliches Ergebnis (8,6 Prozent) erzielt und ist wie Gregor Gysi es schon am Wahlabend euphorisch mitgeteilt hat, drittstärkste Kraft in Deutschland.

Die Sozialdemokraten (SPD) haben leicht hinzugewonnen (25,7 Prozent). Dennoch ist dieses Ergebnis eines der schlechtesten in ihrer Parteiengeschichte. Eine Volkspartei ist die SPD Langem, spätestens aber seit der Agenda 2010 und den sogenannten Hartz-Reformen, nicht mehr.

Auch die Einwanderer, besonders die Türkischstämmigen, vertrauen der SPD nicht mehr, weil sie sich von dieser Partei hintergangen fühlen. Die versprochene und nicht eingehaltene „doppelte Staatsbürgerschaft“ sowie „Sarrazin“ lassen grüßen. Die SPD disqualifiziert sich daneben, wenn sie ideologisch und stur darauf besteht, unter gar keinen Umständen mit der Linkspartei zu kooperieren. Stattdessen biedert sich die Partei als Juniorpartner der CDU an und verliert seit der Großen Koalition 2009 immer mehr Stimmen.

Einzig und allein die Christdemokraten (CDU) und Christsozialen (CSU) haben bewiesen, dass sie mit 41,5 Prozent der Stimmen eine Volkspartei in Deutschland sind. Chapeau (Hut ab) vor dieser Leistung. Angela Merkel, nach Margaret Thatcher, die neue eiserne Lady, führt nicht nur Deutschland, sondern auch Europa mit strengem Regiment.

Es liegt an der SPD, die Herrschaft von Merkel zu beenden. Würden die Sozialdemokraten über ihren Schatten springen und die ausgestreckte Hand der Linkspartei annehmen, könnten sie sogar den Kanzler stellen. Aber auf dieses Experiment wird sich kein Sozialdemokrat einlassen, auch wenn die Basis kein Problem damit hätte. Die Mehrheit der Deutschen sprechen sich für eine Große Koalition aus. Aktuell Meinung

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  1. Densus sagt:

    Würde die SPD die Hand der Linkspartei ergreifen, hätte sie ihren Stimmanteil bei der nächste Wahl halbiert – sie sollten vielleicht etwas über ihre Migranteninteressen hinaus denken, Herr Bas.

  2. posteo sagt:

    Danke Herr Bas,Sie stehen mit Ihrer Meinung nicht allein da. Bleibt zu hoffen, dass es zu einer Mitgliederabstimmung kommt, mit wem di SPD regieren will.

  3. Die Emotionale sagt:

    eine „mal sehen“ Ministerpräsidentin in Hessen mit Namen Ypsilanti hat 2008 die schmerzvolle Erfahrung machen müssen, dass mit den „Linken“ und der SPD schnell Schluss ist.
    Diese Ypsilantin strebte nach der Wahl eine von der SPD geführte Regierungsbildung unter einer vor der Wahl kategorisch ausgeschlossenen Beteiligung der Linken an. Dies wurde ihr innerparteilich als strategischer Fehler ausgelegt. Ebenso sprachen externe Stimmen – inklusive Claudia Roth – Ende 2008 von einem „machtpolitischem Dilettantismus“ der SPD unter Führung Ypsilantis.
    Wortbruch verzeiht der Wähler nicht!

  4. Cengiz K sagt:

    …Wortbruch verzeiht der Wähler nicht!…

    Aber Denunziantentum, das gefällt 42% der Wahlberechtigten..

  5. Han Yen sagt:

    Doppelte Staatsbürgerschaft und Ächtung des Rassismus sind nun wirklich kein auschlaggebendes Wahlkampfargument für Immigranten. Die Ursache für die relative Macht der meisten sozialen Gruppen ist der Besitz einer raren Ressource. Arbeiter bilden Arbeitskartelle. Angestellte bilden Berufsverände. Ärzte vertreten sich durch Standesverbände. Frauen können durch Gebärstreik der Politik des Kapitals Arbeitskräfte entziehen. Die Doppelte Staatsbürgerschaft erlaubt nicht einfach mit den Füssen gegen Arbeitsbedingungen abzustimmen, denn Umzüge sind teuer und die Akkulturation verursacht psychologischen Stress. Es hilft auch wenig, wenn ein Einwanderungsgesetz da ist, und der Staat und Arbeitgeberseite, den internationalen Arbeitsmarkt anzapfen können. Das Wesentliche bei der gelaufenden Wahl ist das Überlaufen weiter Teile der Arbeiterschaft, Haupt- und Realschüler, Frauen, Besserverdienende, Rentner zur CDU. Strukturell bleibt für ein progressives Bündnis für die diasporischen Bevölkerungen nur noch das junge Wählerspektrum mit Abitur aufwärts und alternde Menschen aus den Neuen Sozialen Bewegungen. Die Überalterung der Gesellschaft verschiebt die Kräfteverhältnisse national nochmals. Die Einwanderung von Fachkräften stärkt potentiell die gesellschaftliche Macht der Berufsverbände zur Facharbeiter und Angestellten-Solidarität. National ist eine Sackgasse. Der Wahlaufruf von minoritären, ethnischen Nationalisten war ein Lacher. Wir sollten uns auf die Globalisierungskritiker fokussieren und die neuen Weltöffentlichkeiten der Nichtregierungsorganisationen und dem Weltsozialforum, um die Nöte und Sorgen von Ein- und Auswanderungsregionen unter einer regionalen Perspektive auf die Agenda der Globalen Gerechtigkeit zu setzen. Die Globalisierung amerikanischen Stils durch Fitch, Moody und Morgan-Stanley im Bündnis mit der Weltbank, IWF, WTO und G8 hat in allen Ein- und Auswanderungsregionen zu sozioökonomischen Verwerfungen geführt. Das Landgrabbing der reichen Staaten und Finanzinstitutionen hat die Nahrungsmittelpreise in den Auswanderungsregionen hochschnellen lassen und ganze Staaten im Nahen Osten zur Arabellion getrieben. Die Inflation in Produzentenländern China, Mexiko und Vietnam galoppiert und die Löhne bleiben klein. Die Verursacher dieser Misere sind auch die Auswanderungsstaaten. Doppelte Staatsbürgerschaft wäre nur ein Kotau. Wir sollten die Staatsbürgerschaft mit dem Auswanderungsland neu verhandeln, indem wir die Staatsbürgerschaft aufschnüren und einen neuen Gesellschaftsvertrag mit Ein- und Auswanderungsstaat und supranationalen Organisationen wie der ILO, Weltagrarrat, Kinderhilfswerken und regionalen Entwicklungsbanken schliessen. Rechte und Pflichten in einem Gesellschaftsvertrag machen nur Sinn mit Institutionen, die die Absicht haben sie auch zu respektieren. Das ist weder beim Ein- und Auswanderungsstaat der Fall, so dass wir einen neuen Vertragspartner in der Form supranationaler Organisationen benötigen. Das hat auch den Vorteil, dem Illoyalitäts-Vorwurf den Wind aus den Segeln zu nehmen. Supranationale Organisationen sind explizit zu dem Zweck geschaffen worden, den Mitgliedsstaaten zu nutzen. Ausserdem eignen sie sich als Schiedsrichter und ehrlichen Makler zwischen Ein- und Auswanderungsstaaten.