Deutschland hat gewählt

Die SPD hat alle Möglichkeiten zu regieren

Eine langweilige, distanzierte, ermüdende und am Ende doch noch überraschende Bundestagswahl liegt hinter uns. Distanziert und ermüdend deshalb, weil wir einen Wahlkampf erlebten, der wenig mit „Kampf“ zu tun hatte und dann auch noch in die Sommerferien fiel.

Langweilig war der „Wahlkampf“, weil die erkennbaren Unterschiede zwischen den Parteien immer weniger auffallen. Nur die Piratenpartei hat mit einigen unkonventionellen Wahlkampfstrategien bzw. durch „Guerillamarketing“ auf sich aufmerksam gemacht. Mit 2,2 Prozent lag die Partei aber weit abgeschlagen unter der Fünf-Prozent-Hürde.

Besonders schlimm erwischte es die Freidemokraten (FDP): Mit dem schlechtesten Ergebnis in ihrer 65-jährigen Geschichte (4,8 Prozent) hat es die 1948 gegründete FDP nicht geschafft, in das Bundesparlament einzuziehen. Die Konsequenz: Rösler ist zurückgetreten. Eine Neuausrichtung hat die Partei bitter nötig. Die FDP wurde seit dem Verlassen der sozialliberalen Koalition Anfang der 80er nicht nur immer weiter zu einer Klientel- und Lobbyistenpartei, sondern auch zum alleinigen „Juniorpartner“ und Wahlhelfer der Christdemokraten (CDU). Ärzte und Anwälte, Versicherungs- und Immobilienmakler, Banker, Selbstständige und Millionäre fühlten sich von der FDP vertreten. Das Bild als Partei ohne soziales Gewissen gab der FDP den letzten Stoß. Nun haben Leute mit ein wenig mehr Solidaritätsgefühl wie Kubicki oder Leutheusser-Schnarrenberger Zeit genug, die Partei auf die Erfolgsspur zu lotsen. Die Liberalen können sich noch mal Gedanken machen, ob sie sich weiterhin den Luxus leisten wollen, von vornherein Koalitionen mit dem linken Lager auszuschließen. Auch darüber haben sie jetzt lange Zeit, nachzudenken.

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Eine herbe Enttäuschung mussten auch die Grünen (8,4 Prozent) hinnehmen. Die Partei, die in Baden-Württemberg die grün-rote Koalition anführt und noch vor einem Jahr bei über 20 Prozent lag, ist nun wieder dort, wo sie schon mal war. Auch hier wird es personelle Konsequenzen geben müssen. Claudia Roth und Cem Özdemir haben Medienberichten zufolge bereits ihren Rücktritt angekündigt.

Die Linkspartei dagegen hat obwohl sie leicht Stimmen verlor ein beachtliches Ergebnis (8,6 Prozent) erzielt und ist wie Gregor Gysi es schon am Wahlabend euphorisch mitgeteilt hat, drittstärkste Kraft in Deutschland.

Die Sozialdemokraten (SPD) haben leicht hinzugewonnen (25,7 Prozent). Dennoch ist dieses Ergebnis eines der schlechtesten in ihrer Parteiengeschichte. Eine Volkspartei ist die SPD Langem, spätestens aber seit der Agenda 2010 und den sogenannten Hartz-Reformen, nicht mehr.

Auch die Einwanderer, besonders die Türkischstämmigen, vertrauen der SPD nicht mehr, weil sie sich von dieser Partei hintergangen fühlen. Die versprochene und nicht eingehaltene „doppelte Staatsbürgerschaft“ sowie „Sarrazin“ lassen grüßen. Die SPD disqualifiziert sich daneben, wenn sie ideologisch und stur darauf besteht, unter gar keinen Umständen mit der Linkspartei zu kooperieren. Stattdessen biedert sich die Partei als Juniorpartner der CDU an und verliert seit der Großen Koalition 2009 immer mehr Stimmen.

Einzig und allein die Christdemokraten (CDU) und Christsozialen (CSU) haben bewiesen, dass sie mit 41,5 Prozent der Stimmen eine Volkspartei in Deutschland sind. Chapeau (Hut ab) vor dieser Leistung. Angela Merkel, nach Margaret Thatcher, die neue eiserne Lady, führt nicht nur Deutschland, sondern auch Europa mit strengem Regiment.

Es liegt an der SPD, die Herrschaft von Merkel zu beenden. Würden die Sozialdemokraten über ihren Schatten springen und die ausgestreckte Hand der Linkspartei annehmen, könnten sie sogar den Kanzler stellen. Aber auf dieses Experiment wird sich kein Sozialdemokrat einlassen, auch wenn die Basis kein Problem damit hätte. Die Mehrheit der Deutschen sprechen sich für eine Große Koalition aus.