endaX-Studie

Türken glauben nicht an Aufklärung der NSU-Morde

Die Skandale nach dem zufälligen Bekanntwerden der NSU-Morde hat das Vertrauen der Türkeistämmigen in den Staat und seine Institutionen offenbar stark gemindert.. Vier von fünf Türkeistämmigen glauben nicht an eine lückenlose Aufklärung.

Donnerstag, 18.07.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die breite Mehrheit der Türkeistämmigen in Deutschland (80 Prozent) glaubt nicht daran, dass die NSU-Morde lückenlos aufgeklärt werden. Lediglich 5,1 Prozent schauen optimistisch in die Zukunft. Besonders interessant ist: vor allem Hochqualifizierte glauben nicht an eine Aufklärung. Das ist das zentrale Ergebnis einer aktuellen Erhebung des Meinungsforschungsinstituts endaX mit über 700 Befragten mit türkischen Wurzeln.

Der allgemeine Pessimismus spiegelt sich auch auf die Bewertung des Staates und seiner Institutionen wieder. So glaubt mehr als die Hälfte (55 Prozent) aller Befragten „nicht“ oder „überhaupt nicht“ daran, dass die Bundesregierung einen starken politischen Willen hat, die NSU-Morde aufzuklären, weitere 23 Prozent glauben „eher nicht“ daran. Lediglich eine kleine Gruppe von 7 Prozent bleibt optimistisch.

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Kein Vertrauen in den NSU-Untersuchungsausschuss
Etwas besser aber immer noch schlecht schneidet auch der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages ab. Über 38 Prozent sind davon überzeugt, dass der Ausschuss nicht zur Aufklärung der Morde beitragen wird, weitere 28 glauben „eher nicht“ daran. Auch hier ist es nur eine kleine Gruppe von 9 Prozent, die den Glauben an den Ausschuss nicht verloren hat. Ähnlich kommt auch das Oberlandesgericht München (OLG) bei den Befragten weg: Zwei von drei (67 Prozent) sind mäßig bis gar nicht überzeugt, dass das OLG ein faires Verfahren gewährleisten wird.

Überraschend negativ beurteilen Türkeistämmige auch die deutschen Medien. Während nur 13 Prozent der Meinung sind, dass deutsche Medien die Aufklärung der NSU-Morde kritisch begleiten werden, glaubt fast die Hälfte (44 Prozent) nicht oder „überhaupt nicht daran“. Den türkischen Medien schenken die Befragten deutlich mehr Vertrauen (75 Prozent).

Überraschende Ergebnisse
„Dieses Ergebnis hat uns doch sehr überrascht“, führt Kamuran Sezer, Leiter des futureorg Instituts und Autor der endaX-Studie an. „Die deutschen Medien verfügen über mehr Ressourcen und haben eine größere Reichweite. Angesichts dieser strukturellen Vorteile haben wir nicht angenommen, dass die Zustimmung so niedrig sein wird.“

Ähnlich ist das Vertrauen der Türkeistämmigen in Bezug auf Nichtregierungsorganisationen (NGO) verteilt. Über 57 Prozent sind „mäßig“ bis „sehr schwach“ davon überzeugt, dass deutsche NGOs politischen Druck ausüben werden, damit die NSU-Morde aufgeklärt werden, türkischen NGOs vertrauen demgegenüber 70 Prozent der Befragten.

Info: Die ersten Ergebnisse der Erhebung können unter www.endax.de kostenlos heruntergeladen werden. Dort haben Menschen mit einem so genannten Migrationshintergrund nach einer Registrierung zudem die Möglichkeit, an den Befragungen teilzunehmen.

NSU hat Auswirkungen auf Lebensplanung
Persönlich betroffen von den NSU-Morden fühlen sich fast 83 Prozent der Türkeistämmigen, 65 Prozent sogar „stark“ bis „sehr stark“. Diese Betroffenheit schlägt sich jedoch nicht in Angst um: Gut zwei Drittel (68 Prozent) der Türkeistämmigen fühlt sich in Deutschland (sehr) sicher. Dennoch machen sich die NSU-Morde bemerkbar: Fast 58 Prozent geben an, die NSU-Morde würden Auswirkungen auf die private Lebensplanung haben.

Auffällig ist die Gruppe der Unter-25-jährigen im direkten Vergleich mit den anderen Gruppen (Männer, Frauen und Hochqualifizierte): Sie zeigen mehr Zuversicht bei der Aufklärung der NSU-Morde und fühlen sich vergleichsweise seltener persönlich betroffen. Allerdings geben sie auch überdurchschnittlich häufig an, dass die NSU-Morde starken Einfluss auf ihre private Lebensplanung in Deutschland haben werden. (bk) Gesellschaft Leitartikel Studien

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  1. Lynx sagt:

    Ich bin nicht türkeistämmig und glaube auch nicht an die lückenlose Aufklärung der NSU-Morde. Allein schon die Abkürzung NSU ist zweideutig: Man kann sie als „Nationalsozialischer Untergrund“ lesen oder als „Nationalsozialische Union“, nämlich eine Verbindung von nationalsozialistischem Untergrundterror und einigen einflußreichen Personen in bundesdeutschen Behörden. D. h., in den bundesdeutschen Sicherheitsorganen und vielleicht auch in der Justiz gibt es einige Leute, die zumindest mit dem Nationalsozialischen Untergrund sympathisieren und ihre Möglichkeiten einsetzen, um eine lückenlose Aufklärung zu verhindern.

  2. Affron sagt:

    So schafft man kein Vertrauen liebe Staats“gewalt“:

    „In Offenbach am Main sollen mehrere Beamte muslimische Jugendliche im Anschluss an das Tarawih-Gebet schwer misshandelt haben. Den Jugendlichen, denen nichts nachgewiesen werden konnte, sei nahegelegt worden, „nicht zur Presse zu gehen“. “

    http://dtj-online.de/news/detail/2680/offenbach_polizei_geht_nach_moscheebesuch_gegen_jugendliche_vor.html

    Wird die Claudia Roth in Offenbach gegen die Gewalt protestieren?