Beschwerdebrief-Kampagne

Aktion soll Rassismus bei der Polizei sichtbar machen

Mit einer Beschwerdebrief-Aktion sollen Menschen, die Opfer von Polizeigewalt und Racial Profiling geworden sind, handlungsfähig gemacht werden. Ziel der Kampagne ist es auch, Rassismus bei der Polizei sichtbar zu machen.

Dienstag, 09.07.2013, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 12.07.2013, 1:07 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Täglich finden unzählige verdachtsunabhängige Personenkontrollen statt in der Bahn oder auf der Straße. Ins Visier der Polizei geraten vor allem Menschen mit „ausländischem Aussehen“. So sorgte ein Fall eines deutschen Studenten für Aufsehen. Im Dezember 2010 wurde er von zwei Polizeibeamten angesprochen und aufgefordert, sich auszuweisen. Er weigerte sich und es kam zu einem Rechtsstreit. Einer der beiden Beamten gab vor Gericht zu, dass sie Leute ansprechen, die „als Ausländer“ erscheinen und der Student sei „aufgrund seiner Hautfarbe ins Raster gefallen“.

Den eigentlichen Zündstoff dieses Falles lieferte das Verwaltungsgericht Koblenz: die Kontrolle sei zulässig, entschieden die Richter. Sie beriefen sich auf Gesetzesbestimmungen, welche die Polizei ermächtigt, an bestimmten Orten – wie etwa in Zügen oder Bahnhöfen – verdachtsunabhängig Personenkontrollen durchzuführen. Dabei könnten sich die Beamten an Erfahrungswerten orientieren.

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Rassismus erst in zweiter Instanz erkannt
Erst in zweiter Instanz hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz einen Verstoß gegen das Grundgesetz und eine verbotene Diskriminierung erkannt. Das Verfahren wurde, nachdem sich Vertreter der Bundespolizei für die Kontrolle im Zug entschuldigt haben, durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet.

Seit diesem Fall wächst die Wahrnehmung von „Racial Profiling“ in der Öffentlichkeit. Zuletzt hat das Deutsche Institut für Menschenrechte in einer Studie die Streichung der Rechtsgrundlagen für solche Kontrollen gefordert. Diese Forderung findet immer mehr Unterstützer. Eine aktuelle Beschwerdebrief-Aktion soll dieser Forderung noch einmal Rückenwind geben.

Download: Der vorformulierte Beschwerdebrief für Betroffene kann hier und der Brief für Zeugen kann hier heruntergeladen werden. Der Brief geht an die Bundespolizei, eine Kopie an info@kop-berlin.de. Weitere Informationen finden Sie auf kop-berlin.de.

Beschwerdebrief-Aktion
Die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) und die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) möchten Betroffene handlungsfähig und strukturelle Probleme des Racial Profiling sichtbar machen. „Wem Racial Profiling wiederfährt oder wer es beobachtet ist ab jetzt aufgerufen, seine Stimme zu erheben“, so ISD und KOP in einer gemeinsamen Erklärung. Dafür wurden Musterbriefe formuliert für direkt Betroffene wie für Zeugen.

„Es gibt eine Vielzahl von traumatisierenden Vorfällen, die sich tagtäglich hinter schalldichten Türen auf Polizeirevieren ereignen. Von offizieller Seite wird meist von ‚bedauerlichen Einzelfällen durch Polizeibeamt_innen‘ gesprochen. Genau an diesem Punkt setzt die geplante Kampagne mit der Vorlage eines Beschwerdebriefes an die Bundespolizei an“, so die Initiatoren weiter. Das Beschwerdesystem sei simpel: „Einfach die formulierten Protokollvorlage ausfüllen und an die Bundespolizei senden – eine Kopie geht an KOP“. (hs) Aktuell Gesellschaft

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  1. Diese Initiative muss unterstützt werden.

    „Racial Profiling“ ist eindeutig verfassungswidrig, denn es stellt eine Verletzung der Menschenwürde dar.

    Josef Özcan (Diplom Psychologe / Kölner Appell gegen Rassismus)

  2. aloo masala sagt:

    Angenommen wir haben eine Urne mit roten Kugeln und eine Urne mit blauen Kugeln. Etwa 10% der roten und 30% der blauen Kugeln enthalten einen Gewinn von 100 €.

    Man darf nun insgesamt dreimal eine Kugel ziehen, egal aus welcher Urne. Wie würde man ziehen, um seine Gewinnchancen zu maximieren?

    Unter der Voraussetzung, dass bei der Kriminalität ähnliche Verteilungen gibt, wäre es vom statistischen Standpunkt am besten vermehrt dort verdachtsunabhängig zu fischen, wo die Aufdeckung von Rechtsüberschreitungen am wahrscheinlichsten ist. Warum soll ich in einer Pfütze nach einem Wal suchen?

    Ich habe mit einem Polizisten dieses Thema diskutiert, dem ich erzählte, wie sehr mich die verdachtsunabhängigen Kontrollen stören würden, wenn stets ich der Verdächtige bin. Das statistische Argument war seine Antwort. Was würdet Ihr darauf antworten?

  3. Kigili sagt:

    aloo masala: Ich würde den Polizisten fragen, woher er seine statistische Verteilung her hat, die schon in der Grundannahme unterstellt, dass die eine Gruppe krimineller ist als die Andere. Kann es etwa sein, dass ich – unabhängig mal von anderen ausgeblendeten Merkmalen, wie soziale ökonomische Lage – bei einer Gruppe mehr Kriminalitätsdelikte allein deshalb finde, weil ich da auch häufiger suche, würde ich fragen. Wenn zwei Menschen, einer weiß, der andere schwarz, beide ohne gültigen Fahrschein in der Bahn sitzen und ich nur den Schwarzen nach dem Ticket frage und auf dieser scheinbar empirisch fundierten Datenbasis meine statistischen Auswertungen durchführe, ist es nicht besonders verwunderlich, dass solche verqueren Verteilungsmodelle zustande kommen.

    Es gibt ja auch Statistiken, die besagen, dass es eine positive Korrelation zwischen der Fußgröße eines Menschen und seinem Gehalt gäbe. Wenn man aber genauer hinguckt, merkt man, dass es sich dabei lediglich um eine Scheinkorrelation handelt. Denn nicht die Fußgröße ist dabei entscheidend sondern das Geschlecht. Denn Frauen verdienen im Schnitt immer noch weniger als Männer und haben auch kleinere Füße, zumindest im Schnitt.

  4. Marie sagt:

    Was ich darauf antworten würde, weiß ich nicht wirklich, ich vermute mal, es würde mir die Sprache erstmal verschlagen. Mit dem statistischen Kugelargument jedenfalls konnte man auch verdachtsunabhängige Kontrollen ausschließlich bei Personen männlichen Geschlechts begründen, die Kriminalitätsrate bei Männern ist nämlich statistisch erheblich höher als die bei Frauen.

    Die erhöhte Kriminalitätsrate bei Menschen nichtdeutscher Herkunft basiert zu wesentlichen Teilen auf „Delikten“, die Biodeutsche nicht begehen können, z.B. Straftaten gegen das Aufenthaltsgesetz, das Freizügigkeitsgesetz und das Asylverfahrensgesetz.. Des Weiteren sind herauszurechnen: die Straftaten von ausländischen Touristen, Durchreisenden, die häufig unter den Begriff „organisierte Kriminalität “
    fallen , die Straftaten, die vom Ausland aus begangen wurden ( z.B. Computerkriminalität) u.v.a.m. Und wenn man alles dies herausrechnet, stellt man fest, dass in Deutschland lebende Menschen nichtdeutscher Herkunft keineswegs krimineller sind als Biodeutsche.

    […]

  5. Racial Socialising sagt:

    Mein Tip für die Polizei: Wenn ihr einen „Ausländer“ kontrollieren wollt, nehmt doch parallel dazu einen „Biodeutschen“ als Alibi für euren „Rassenansatz“ mit :)))

  6. Wendy sagt:

    @Marie – den Beleg ihrer Aussage „sind nicht krimineller“ bleiben sie uns leider schuldig, es gibt auc keinen.
    Laut statistischem Bundesamt sind -selbst ohne Delike die „Biodeutsche“, wie sie es so scön ausdrücken, nicht verüben können, immer noch deutlich überrepräsentiert, z.b. bei Gewaltverbrechen.

    Alleine der Anteil der -Verurteilten- bei Gewaltdelikten wie Mord, Vergewaltigung etc. liegt bei über 20%, gemessen an nicht mal 10% Bevölkerungsanteil ist das wohl eher schlecht.
    Sicher – damit sind die restlichen, etwas über 70% natürlich „Biodeutsche“ (und da vor allem Männer) aber es bleibt bei dem höheren anteil.

    Das man Männer deutlich häfuger kontrolliert als Frauen ist zwar nicht erfasst, aber sicherlich usus – man könnte natürlich auch hier mal die „Genderkonformität“ einfordern aber – ehrlich gesagt ist mir das relativ schnuppe dass mehr Männer kontrolliert werden – solange es nur die bösen Jungs trifft und die damit von der Straße sind.

  7. aloo masala sagt:

    Die Sache mit der Scheinkorrelation (eigentlich Scheinkausalität, weil eine Korrelation zwischen Geld und Fuß ist ja vorhanden) ist dann wichtig, wenn wir nach kausalen Zusammenhängen suchen. Wenn aber die Information ist, dass hauptsächlich in großen Schuhen das große Geld und in kleinen Schuhen seltener großes Geld zu finden ist und mein Job darin besteht, möglichst viel Geld mit möglichst wenig Aufwand zu finden, dann schaue ich mir natürlich bevorzugt große Schuhe an. Mich interessieren keine kausalen Zusammenhänge, mich interessiert nur das Geld in den Schuhen.

    Erfahre ich später, dass es weniger an den Schuhen, sondern am Geschlecht liegt, dann habe ich eine zusätzliche Information, die ich bei der Maximierung meiner Trefferquote verwende.

    Wenn die Statistik besagt, dass 80% der Gewaltverbrecher junge Männer sind und der Rest junge Frauen, dann führe ich verdachtsunabhängige Kontrollen so durch, dass ich keine alten Frauen belästige. Ich würde bevorzugt junge Männer kontrollieren und gelegentlich junge Frauen. Warum sollte ich anteilsmäßig auch bei alten Frauen nach Gewaltverbrechern suchen, wenn diese in unserer hypothetischen Statistik nicht als Gewaltverbrecher vorkommen.

    Ein Nachteil hat die Methode. Wenn ich vermehrt in einer Gruppe nach Verdächtigen suche, erhöht sich auch automatisch die Wahrscheinlichkeit, dass ich einen Treffer lande und verschlechtert somit die Statistik der Gruppe. Das führt zu einer Spirale, die am Ende dann tatsächlich in rassistischen Vorurteilen endet. Simples Beispiel:

    Ich kontrolliere verdachtsunabhängig und überführe dabei einen Inder und einen Türken. Dann sind die Tatverdächtigen zu 50% Inder und 50% Türken. Ich fange an nur noch Inder und Türken zu kontrollieren. Weil es kaum Inder in D gibt, werde ich eher bei den Türken fündig. Habe ich zwei weitere Türken überführen können, dann sind 25% der Tatverdächtigen Inder und 75% Türken. Ich kontrolliere irgendwann nur noch Türken, obwohl es Übeltäter in allen Gruppen gibt. Man kann dieses Effekt vermeiden, aber ich bezweifle, dass die Polizei bei verdachtsunabhängigen Kontrollen mit methodisch komplizierten und politisch korrekten Algorithmen zur Sache geht.

  8. aloo masala sagt:

    Ein Nachtrag zu diesem Mickey-Maus Beispiel. Die Polizei setzt die Anzahl der Tatverdächtigen einer Gruppe in Verhältnis zur Gesamtanzahl der Gruppe. Finde ich als Tatverdächtige einen Inder und einen Türken, dann ist der Anteil der Tatverdächtigen unter den Indern deutlich höher als unter den Türken.

  9. Ömer sagt:

    @ Wendy

    Marie liegt näher bei der Wahrheit als Sie. Wenn Sie nur auf den Anteil an der Bevölkerung abstellen und alles andere ausblenden, haben Sie keinen Vergleich, sondern eine Krücke.

    1. Migranten in Deutschland sind deutlich jünger als die Mehrheitsbevölkerung. Jüngere begehen statistisch erfasst viel häufiger Gewalttaten. Wenn Sie vergleichen wollen, müssen Sie also auch das Alter berücksichtigen und gleichaltrige miteinander vergleichen.

    2. Migranten leben viel häufiger in sozialen Brennpunkten. Dort ist die Kriminalitätsrate deutlich höher. Wenn Sie vergleichen wollen, müssen Sie also auch auf das gleiche soziale Millieu achten.

    3. Bildung….

    4. Wohnort Stadt/Land ….

    Wenn sie aber schon nur die ersten beiden Faktoren berücksichtigen, werden Sie schon feststellen, dass es keine signifikanten Unterschiede gibt. Wurde schon erforscht. Vom Christian Pfeifers Kriminologisches Institut. Suchen Sie, wenn Sie Ihre Vorurteile beseitigt haben wollen. Andernfalls könnte ich Ihnen die Zahlen auch auf dem Silbertablett servieren und es würde nichts bringen. ;)

  10. bernd sagt:

    @Kigili ich würde sagen, dass menschen keine kugeln sind und ich mit rassisten nicht diskutiere – denn statistisch haben ca 25 % der polizistInnen ein extrem rechtes, somit auch rassistisches Weltbild.