50 Jahre Koreaner in Deutschland
Die Koreaner werden leise gewürdigt und verabschiedet
In der 250. und gleichzeitig letzten Sitzungswoche des Bundestages am 27. Juni 2013 wurden die Koreaner - anders als die Türken - leise gewürdigt und verabschiedet. Keiner der in Deutschland lebenden koreanischen Gastarbeiter bekam etwas mit.
Von Martin Hyun Montag, 01.07.2013, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 09.05.2020, 0:58 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Neben der deutsch-koreanischen Gemeinschaftsbriefmarke, die ich den Vorstandsmitgliedern der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft im November 2010 vorschlug und die kürzlich von Bundespräsident Joachim Gauck in Goslar präsentiert wurde, regte ich in einer weiteren Sitzung im April 2012 eine Bundestagsentschließung an. Sie sollte zeitnah zum Jahrestag, nämlich im November 2013 stattfinden und die koreanischen Gastarbeiter für ihre Lebensleitungen würdigen.
So wurde im Protokoll vermerkt: „Herr Hyun bittet Herrn Koschyk (parlamentarischer Staatsekretär), dass er bei der Integrationsbeauftragten Maria Böhmer eine Bundestagsdebatte zum Thema 50 Jahre koreanische Immigration anregt, verbunden mit einer Bundestagsentschließung“.
Gemeinsam mit dem Botschafter a.D. Michael Geier erstellte ich einen Entwurf, die der Bundestagsentschließung dienen sollte. Im Juni 2012 waren Gespräche mit den Mitarbeitern des Büros von Maria Böhmer vorgesehen. Doch dazu kam es nicht. Koschyk ließ durch seine Mitarbeiter verlauten, dass er mich über den Entwurf der Entschließung und den Termin auf dem Laufenden halte. Doch das entpuppte sich als politisches Versprechen. Als Ideengeber und Autor des Entwurfs der Bundestagsentschließung wäre es das Mindeste gewesen, mich über den Entwicklungsstand zu informieren.
Beim 50-jährigen Jubiläum des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens wurde zeitgemäß zum Festtag im Oktober 2011 eine Debatte im Plenum des Bundestages durchgeführt. Es war die 135. Sitzung in Berlin für die eine Dreiviertelstunde vorgesehen war und die sich nur auf das Abkommen konzentrierte. Die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer war die Erste, der das Wort durch den Bundestagsvizepräsidenten Hermann Otto Solms (FDP) erteilt wurde. Und so sprach Maria Böhmer: „Almanya – hieß der Traum von einem besseren Leben. Allein zwischen 1961 und 1972 kamen 750.000 türkische Männer und Frauen in die Bundesrepublik. Sie wurden hier dringend als Arbeitskräfte gesucht. Mit ihrem unermüdlichen Einsatz haben diese Gastarbeiter maßgeblich zum Wohlstand unseres Landes beigetragen. Dafür danken wir ihnen sehr herzlich“. Für diese Worte erntete Böhmer überfraktionellen Beifall.
Die zweite Rednerin war die türkischstämmige Abgeordnete Aydan Özoğuz von der SPD, die einen sehr persönlichen Einstieg fand und die Geschichte über die im Jahr 1973 angeworbene und bereits verstorbene Nermin Özdil erzählte. „Die meisten haben ihre Geschichten leider nie erzählt, häufig nicht einmal den eigenen Kindern. Daher ist es so wertvoll, dass in den vergangenen Jahren Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Regisseurinnen und Regisseure, Journalistinnen und Journalisten recherchiert und dokumentiert haben […]“, sagte die Politikerin. Nachdem insgesamt neun Politiker ihre Reden geschwungen hatten, endete die Sitzung um 19:29 Uhr.
Für das 50-jährige Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und Korea hatte ich mir, wie bei den Türken, eine ähnliche Vorgehensweise der Entschließung des Antrages mit Aussprache vorgestellt. Zu der auch Maria Böhmer eine Rede hält und sich bei den koreanischen Gastarbeitern bedankt. Doch stattdessen kam alles anders. In der 250. und gleichzeitig letzten Sitzungswoche des Bundestages am 27. Juni 2013 war der Antrag „Die deutsch-koreanischen Beziehungen dynamisch fortentwickeln“ ohne Aussprache an 41. Stelle des Tagesordnungspunktes gesetzt. Ausgerechnet in der letzten Sitzungswoche wurde der Antrag beschlossen.
Keiner der in Deutschland lebenden koreanischen Gastarbeiter bekam diese Würdigung mit. Auch bei den Medien ging diese Thematik bei der Fülle der Anträge völlig unter. Durch das Intervenieren Koschyks wurde der Antrag, so wie die Koreaner in Deutschland leben, nämlich laut- und sprachlos verabschiedet. Mein Wunsch war es, dass dieser Antrag Gehör in der Gesellschaft findet und die Koreaner dadurch sichtbar werden. Leider wurde diese historische Chance nicht genutzt. Das scheint die neue „Willkommenskultur“ zu sein, die Maria Böhmer von der Gesellschaft fordert und sie dabei ausschließt.
Bis zum Jahresende werde ich meine volle Kraft und meine Energie dafür verwenden, dass die Lebensleistungen der koreanischen Gastarbeiter gewürdigt werden, so wie sie es verdient haben, dass ihre Geschichten erzählt und sie sichtbar werden. Denn wer sonst, wenn nicht die Betroffenen selbst, würden das tun. Der einzige Absatz des Antrages, dessen Gedanken meine Handschrift und mein Wirken tragen ist „den 50. Jahrestag der Unterzeichnung des deutsch-koreanischen Anwerbeabkommens zum Anlass zu nehmen, die menschlichen und fachlichen Beiträge der ehemaligen koreanischen Gastarbeiter und ihrer nachfolgenden Generationen entsprechend zu würdigen“. Aktuell Meinung
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Hier zeigt sich ein Grundproblem der „integrationsdebatte“ In Deutschland. Hier richtet sich alles nach den mächtigen Lobbyverbänden und Gruppen.
Mensch redet von Migrant*innen und meint Menschen aus türkischen Kontexten. „Andere“ gibt es nicht.
Wobei Migrant (von lat. migrare = wandern) eigentlich Wanderer bedeutet – ein deplatzierter Begriff.
Immigrant (= Einwanderer) wäre zutreffend. Weshalb das in allen gängigen Fremdsprachen so formuliert wird, nur eben in Deutschland nicht – nach meiner Erinnerung aber auch erst seit etwa 15 Jahren – wäre eine verdienstvolle Aufgabe für einen Sprachwissenschaftler.
Sehr guter Artikel! Schade das diese Chance verpasst wurde, wie der Autor schreibt……..
comao – danke