OECD Studie

Deutschland kann viele Einwanderer nicht länger als ein Jahr halten

OECD-Studie zeigt: Aus den europäischen Krisenländern kommen viele Einwanderer nach Deutschland - aus Spanien, Griechenland oder Portugal. Trotz der guten Arbeitsmarktlage verlassen die meisten Deutschland wieder schon nach wenigen Monaten.

Freitag, 14.06.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

„Gerade die verstärkte Zuwanderung aus der EU ist Herausforderung und große Chance für unser Land“, hatte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, noch vor wenigen Wochen anlässlich des 6. Integrationsgipfels gesagt. Glaubt man den Zahlen einer aktuellen Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), meistert Deutschland aber weder die Herausforderung noch nutzt sie die Chance.

Auf den ersten Blick stimmen die Studienzahlen optimistisch: Die Einwanderung nach Deutschland ist von 2010 bis 2011 so stark gestiegen wie in kaum einem anderen Industrieland. Allein 2011 ließen sich rund 300.000 Menschen in Deutschland nieder (ein Plus von 68.000 im Vergleich zum Vorjahr). Die Meisten kamen aus den europäischen Krisenländern, darunter Griechenland, Spanien und Portugal.

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Deutschland kann Einwanderer nicht halten
Wie aus der Studie allerdings weiter hervorgeht, gelingt es Deutschland nicht, die Einwanderer in Deutschland zu halten. Viele Einwanderer bleiben nur für kurze Zeit in Deutschland. So kehren etwa die Hälfte der Griechen schon innerhalb des ersten Jahres wieder in die Heimat zurück. Bei den Spaniern waren es sogar zwei Drittel. Dabei sind die Berufsaussichten alles andere als schlecht. Die Beschäftigungsquote von Migranten stieg in Deutschland von 2008 bis 2012 um fünf Prozentpunkte; bei Nichtzuwanderern betrug der Zuwachs im selben Zeitraum vergleichsweise nur 1,5 Prozent.

Schätzungen der Autoren machen deutlich, wie wichtig Integration für die Volkswirtschaft sein kann. So könnten die hiesigen Staatseinnahmen um etwa 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) wachsen, wenn Menschen mit und ohne ausländische Wurzeln auf dem Arbeitsmarkt gleichermaßen vertreten wären. Mehr als 3,5 Milliarden Euro könnten die Mehreinnahmen schon bei hochqualifizierten Migranten liegen.

Einwanderung mit positiver Bilanz
Ein weiterer Befund der Studie: Familien, deren Oberhaupt im Ausland geboren wurde, zahlen in den OECD-Staaten im Schnitt weniger Steuern und Sozialabgaben als inländische Familien. Sie beziehen aber auch seltener Sozialleistungen, wenn man die Rentenbeiträge und -zahlungen außer Acht lässt. Eine Positive Bilanz also, die auch für Deutschland gilt. Bei Familienzulagen und beim Arbeitslosengeld sei das besonders deutlich. Nur Wohngeld und Sozialhilfe beziehen Einwanderer der Studie zufolge geringfügig häufiger als Einheimische.

Info: Die OECD-Studie „International Migration Outlook 2013“ kann hier kapitelweise und nur in englischer Sprache eingesehen werden.

Insgesamt profitieren Schweiz und Luxemburg am meisten von ihren Einwanderern. In der Schweiz etwa steigerten Einwanderer die Steuereinnahmen um stolze 6,5 Milliarden Franken bzw. das BIP um 1,9 Prozent. In Luxemburg beträgt der BIP-Anteil sogar zwei Prozent. Hintergrund: Prozentual wiesen beide Länder 2011 die höchste Zahl an Zuwanderern aus.

Diskriminierung von Einwanderern
Die Autoren der Studie haben sich auch mit der Diskriminierung von Einwanderern und ihren Kindern auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft beschäftigt. Sie kommen zu dem Schluss, dass Diskriminierung den sozialen Zusammenhalt beeinträchtigen und die Anreize für Investitionen in Bildung mindern kann. Darüber hinaus kann sie einen wirtschaftlichen Verlust für das Aufnahmeland darstellen. „Diskriminierung zu messen ist schwierig, Studien deuten jedoch darauf hin, dass es nicht unüblich ist, dass Zuwanderer und ihre Kinder über doppelt so viele Bewerbungen abschicken müssen, um eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zu erhalten, wie Personen ohne Migrationshintergrund, deren Lebenslauf ansonsten vergleichbar ist. Tatsächlich scheint der Effekt der Diskriminierung am deutlichsten im Einstellungsverfahren zu Tage zu treten, auch wenn der spätere berufliche Aufstieg und die Verdienste ebenfalls beeinträchtigt werden können“, so die OECD.

Die meisten Länder hätten Maßnahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung ergriffen. Allerdings variierten diese in Umfang und Reichweite stark. Am üblichsten sei die Schaffung von Klagemöglichkeiten. „Eine Reihe von OECD‑Ländern setzt darüber hinaus Maßnahmen der positiven Diskriminierung auf der Grundlage von Zielvorgaben und Quoten sowie bestimmte Instrumente wie anonyme Lebensläufe ein. Die Befunde deuten darauf hin, dass Diskriminierung mit solchen Maßnahmen wirkungsvoll bekämpft werden kann, wenn sie umsichtig konzipiert werden“, heißt es weiter. (bk) Gesellschaft Leitartikel Studien

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  1. mka sagt:

    Allen voran Deutschland und dann folgend Belgien, Holland, Dänemark, Österreich, Frankreich um einige Länder zu nennen, diskriminieren Ihre Minderheiten. Das Schlimme ist folgendes: Nehmen wir Deutschland. Die Antidiskriminierungsstelle dokumentiert seit Jahren, dass es über 20.000 dokumentierte Diskriminierungen in Deutschland gibt. Jedoch ist die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher ist. Denn Diskriminierung zu offenbaren ist eine schwere Angelegenheit für die Opfer. Dies wissen die Politiker und die Institutionen. Tun Sie was gegen diesen strukturellen und institutionellen Rassismus? Nein. Sie unterstützen und legitimieren den Rassismus in diesem Land. Siehe die Arbeit und die Aussagen des NSU Kommissionsvorsitzenden Sebastian Edathy. Erschreckend, furchtbar erschreckende Feststellungen hinsichtlich der Politiker, Verfassungsschutz, Institutionen, Minister usw. Das eigentlich Schlimme ist: Es wird nicht akzeptiert, dass es in Deutschland Rassismus und Diskriminierung latent und radikal vorhanden ist. Außerdem wird auch verhindert, dass man dagegen angeht. Und jetzt kommt das unverschämte: Dann ziehen deutsche Politiker gegen China bzw. Türkei und greifen diese Länder mit einer Arroganz und Aggressivität an, dass ist einfach unglaublich.

  2. „Einwanderung mit positiver Bilanz.“

    Auch dieser Artikel begeht den schwerwiegenden Fehler Einwanderung nach Kriterien der strukturalfaschistischen Verwertbarkeitsideologie als gut oder schlecht zu bestimmen.

    Wer Sozialleistungen bezieht ist also der Schlechte der Schädling, welcher dem Nützling gegenübergestellt wird.

    Zumindest distanziert sich der Artikel nicht von dieser Lesart.

    Josef Özcan (Amnesty International)

  3. Saadiya sagt:

    In Deutschland ist es leider über die Jahre üblich geworden, Einwanderer zu diskriminieren. Diese Diskriminierung ist inzwischen „gesellschaftsfähig“ geworden, scheint kaum jemandem aufzufallen und rassistische Äußerungen gelten als normal („das wird man ja wohl noch mal sagen dürfen…“). Selbst in den „höheren Bildungskreisen“ gelten rassistische Ressentiments nicht als verwerflich. Die Politik unterstützt, ob gewollt oder eher „nur falsch formuliert“, diese Haltungen in der deutschen Mehrheitsgesellschaft, in dem sie populistische Äußerungen in Umlauf bringt, die Minderheiten als Gruppe und im Generellen stigmatisieren. Wer gut gebildet ist und die Möglichkeit hat, verlässt Deutschland.

  4. Lionel sagt:

    Zuwanderung und Einwanderung sollten begrifflich nicht vermischt werden.
    Viele Zuwanderer beabsichtigen gar keinen dauerhaften Verbleib und damit Einwanderung, sondern möchten nur eine gewisse Zeit bleiben.
    Das Phänome der hohen Rückkehrerquote ist seit Jahrzehnten bekannt.
    So blieben von den mehr als 4 Mio. Italienern, die bis 1973 als Gastarbeiter tätig waren, weniger als 700 000 im Land.

    Bei der genannten Zahl 300 000 handelt es sich um Netto-Zuwanderung (ja, böses Wort).
    Die ergibt sich, wenn von Zahl der Zuwanderer die Zahl der Ab- oder Auswanderer subtrahiert wird.
    Trotz der beklagten Stigmatisierung und Diskriminierung wanderten im letzten Jahr fast 1,1 Mio. zu – was allerdings angesichts der dargestellten katastrophalen Zustände sehr verwundert.

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