Diversity-Tag

Wo Diversity drauf steht, ist nicht unbedingt Diversity drin

Ob Workshops, Konferenz oder ein Menü der Vielfalt in der Betriebskantine – am 11.06.2013 feiern Diversity-Begeisterte in ganz Deutschland den 1. Deutschen Diversity-Tag. Zahlreiche Veranstaltungen verschleiern jedoch den Blick auf die Realität.

Von Dienstag, 11.06.2013, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 12.06.2013, 0:59 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Den 1. Deutschen Diversity-Tag nutzen Unternehmen und Verbände, um mit öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten ihre kulturelle Offenheit zu zeigen. Fotoausstellungen, Sprachtandems und interkulturelle Wochen in der Kantine verschleiern jedoch den Blick auf die Realität: Wo Diversity drauf steht, ist nicht unbedingt Diversity drin. Das gilt vor allem für Entscheidungsgremien von öffentlichen und privaten Arbeitgebern in Berlin: Dort sind Menschen mit Migrationshintergrund praktisch nicht vertreten und deren Potenzial für Wachstum, Innovation und Demographie werden verspielt.

Eine Umfrage von Citizens For Europe e.V. bei großen privaten, öffentlichen und gemeinnützigen Arbeitgebern der Dienstleistungsbranche in Berlin hat zu alarmierenden Ergebnissen geführt: „Die Zusammensetzung von Vorständen, Aufsichtsräten, Geschäftsführungen und Kuratorien spiegelt offensichtlich in keiner Weise die plurale Bevölkerung Berlins wider. Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in Führungspositionen ist verschwindend gering und liegt deutlich unter 5 Prozent, gegenüber 25 Prozent in der Bevölkerung”, fasst Martin Wilhelm zusammen, Geschäftsführer von Citizens For Europe. „Der Bedarf an kultureller Vielfalt in Entscheidungsgremien ist bislang noch nicht ins Bewusstsein vorgedrungen – weder bei privaten noch bei öffentlichen Arbeitgebern. So gibt es auch kaum Daten über den Anteil von Führungspersonal mit Migrationshintergrund.“

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Falsche Einstellungsverfahren und interne Strukturen
Dabei mangelt es nicht an qualifiziertem Führungspersonal mit Migrationshintergrund. Vielmehr sind es Einstellungsverfahren und interne Strukturen, die soziale Mobilität verhindern. Laut den OECD-Indikatoren 2012 liegt in Deutschland die Beschäftigungsquote von UniversitätsabsolventInnen mit Migrationshintergrund 12 Prozent niedriger als die von gebürtigen deutschen Absolventen. Um der strukturellen Diskriminierung und dem Fachkräftemangel in Berlin, von der IHK für 2015 auf rund 50.000 Personen beziffert, entgegenzuwirken, müssen private Arbeitgeber und öffentliche Verwaltung mit der interkulturellen Öffnung bei den Entscheidungsgremien beginnen.

Im Integrations- und Partizipationsgesetz hat das Land Berlin Diversität zum Ziel einer zukunftsfähigen Personal- und Arbeitsmarktpolitik erhoben. Damit soll der Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund in der Verwaltung und öffentlichen Unternehmen entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung erhöht werden. Doch erfolgreiche Maßnahmen als auch Anreize für die Privatwirtschaft fehlen. Weil eine Migranten-Quote verfassungswidrig wäre muss die kulturelle Öffnung von der Politik honoriert und stärker befördert werden.

Mit der berlinweiten Kampagne “Vielfalt entscheidet!” wird Citizens For Europe gemeinsam mit einem breiten Bündnis von lokalen Akteuren, darunter u. a. DeutschPlus, das Kanadische Projekt “DiverseCity onBoard” in Berlin umsetzen – mit Veranstaltungen, Studien und regelmäßigen Berichten zur Vielfalt in Führungs-positionen. Durch aktive Vernetzung von hochqualifizierten Menschen mit Migrationshintergrund mit Berliner Arbeitgebern soll die kulturelle Vielfalt in Führungspositionen ausgebaut und der wirtschaftliche Erfolgsfaktor “Diversity” für ein prosperierendes und zukunftsfähiges Berlin genutzt werden. (cfe/hd) Aktuell Wirtschaft

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  1. Andreas Bylaitis sagt:

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass einen Migrantenquote verfassungswidrig wäre, dann wäre es auch eine Frauenquote. Aus meiner Sicht ist diese Quote nicht nur wünschenswert sondern erforderlich. Die deutsche Gesellschaft ist leider nicht integrationsfähig. In anderen Gesellschaften ist das Problem geringer ausgeprägt als in Deutschland.

    Des weiteren ist es schon erstaunlich, das gerade in den kommunalen Selbstverwaltungen Partizipation der Belegschaft und Arbeitnehmerrechte permanent ausgehebelt werden und erst recht Anstrengungen Migranten einzustellen. Aus eigener Erfahrung ist die Deutsch Tümmelei und der Hang der Verwaltungen alle möglichen Familienmitglieder einzustellen ausgeprägter als eine inkludierte multikulturelle Belegschaft. Daher führt kein Weg an einer Quote vorbei. Sehr anschaulich wird es, dass Migration aus Osteuropa ja mittlerweile die größte Einwanderung in Deutschland ausmacht und immer noch islamische Themen die Diskussion der Integrationspolitik beherrschen. Viele Migranten wenden sich daher von der Politik ab, denn die Probleme die sie haben, sind ganz andere. Diskriminierung und nicht Anerkennung und Wertschätzung ihrer beruflichen Fähigkeiten und kaum bezahlbare Sprachkurse sowie viel zu lange oder gar keine Requalifizierungsmaßnahmen, sowie Integrationsstellen die meisten gut Türkisch können, aber kaum Russisch, polnisch oder gar de seltenen baltischen Sprachen….Es gibt viel zu tun…aber keiner packt es „richtig“ an, dabei sind doch die Zahlen bekannt….

  2. Saadiya sagt:

    Ich halte weder eine Frauenquote noch eine Migrantenquote in Unternehmen für sinnvoll. Allein Wissen und Leistung sollten entscheidend sein und nicht das Geschlecht oder die Herkunft. Viel wichtiger finde ich es, das die Entscheidungsträger (Personalabteilungen, Chefs, Unternehmensleitungen) dazu übergehen, den Nutzen (auch aus wirtschaftlicher Sicht) von Diversity zu kennen. Eine Einwanderungsgesellschaft (oder eine GS die es gerne sein MUSS – warscheinlich aber gar nicht will) sollte auch nach außen zeigen, dass Zuwanderer Bestandteil des beruflichen und gesellschaftlichen Alltages sind. Es fehlt eine offene Gesellschaft, die Menschen willkommen heißt und nicht von vornherein abweist, weil deren Abstammung in einer andere Kultur begründet liegt.

  3. Kigili sagt:

    „Allein Wissen und Leistung sollten entscheidend sein und nicht das Geschlecht oder die Herkunft. Viel wichtiger finde ich es, das die Entscheidungsträger (Personalabteilungen, Chefs, Unternehmensleitungen) dazu übergehen, den Nutzen (auch aus wirtschaftlicher Sicht) von Diversity zu kennen. “ –> Reines Wunschdenken fernab der gegenwärtigen Realität. Wer diverse deutsche Unternehmen kennengelernt hat, die hierarchischen Machtstrukturen kennt, weiß, dass nicht Leistung sondern Filz, neudeutsch Networking, entscheidend ist. Machtkompetenz in deutschen Unternehmen sieht männlich, weiß und deutsch aus. Wer möchte, dass allein Leistung zählt, muss erstmal die bestehenden Strukturen durch Minderheitenquoten aufbrechen. Erst wenn diese Machstrukturen nicht existieren, kann wirkliches Leistungsdenken eingeführt werden.

  4. Saadiya sagt:

    @ Kigili

    Ich führte aus, dass ich dieses Vorgehen WICHTIGER fände, dies impliziert, dass es heute noch nicht so ist. Richtig ist, dass die Entscheidungsträger dieses Handeln im Top-down Prozess zunächst einmal selbst im Unternehmen verankern und sichtbar machen müssen. Es muss zur Realität, zum Standard in den Unternehmen werden und sollte keine Ausnahme bleiben. Erst dann kann es zu einem bottom-up Prozess kommen. Bisher haben deutschlandweit aktuell 1.501 Firmen die „Charta der Vielfalt“ unterzeichnet und sich damit verpflichtet, Diversität in ihrem Unternehmen als Normalität zu betrachten. Das allein verhindert natürlich nicht die „interne“ Vergabe von Positionen via Networking, eröffnet zumindestens aber Spielräume für Einwanderer (oder anderen von Benachteiligungen betroffene Gruppen – Menschen mit Behinderung, Frauen usw. ), auch in diesen Netzwerken zu partizipieren, in denen sie bisher kaum vertreten sind.

  5. Pingback: Partiziano: Pfand(p)fade - Bildung, Einwanderung, Kolumne, Meinung, Migranten, Partiziano - MiGAZIN

  6. Kigili sagt:

    @Saadiya: Siehe meine Kommentare unter http://www.migazin.de/2013/05/28/ein-anstoss-fuer-anonyme-bewerbungen/
    bzgl. warum ich Minderheitenquoten als notwendig erachte.

  7. Lionel sagt:

    Eine Migrantenquote wirft – einmal von der gesetzlichen (AGG) und verfassungsrechtlichen Problematik (Art. 3 Abs.3 GG) abgesehen – schon ein beinahe unlösbar scheinendes juristisches Definitionsproblem auf.
    Was ist ein Migrant? Alle Leute mit Migrationshintergrund (der Begriff stammt vom Statistischen Bundesamt)?
    Ein hier Geborener (ob mit oder ohne dt. Staatsangehörigkeit) ist für mich kein Migrant, es ist kein Einwanderer.
    Wie soll mit Kindern aus Mischehen verfahren werden – sollen sie nur den halben Anspruch auf eine Migrantenquote besitzen?
    Was ist mit er regionalen Verteilung?
    In manchen Landkreisen liegt die MiHiGru-Quote bei 2%.
    Bei einer festen Migrantenquote von 10% ergibt sich ein Problem.

    Schwierig also.
    Die Frauenquote findet eine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 3 Abs.2 GG. und Männer und Frauen sind etwa gleich verteilt und leicht zu definieren :-)
    Das ist bei Migranten nicht der Fall.

  8. Han Yen sagt:

    Diversity Management ist ein Wirrwarr von Einzelstrategien, die Diskriminierungsbekämpfung als Business Case schmackhaft für Betriebe machen will. Diversity Management ist nicht harmlos, weil es essentielle Wesenseigenschaften in der Mitarbeiterschaft voraussetzt. Es werden ethnische Stereotype im Kommunikationsverhalten, Sozialverhalten und Arbeitsethik perpetuiert und positiv umgewertet. Diese Diskurse können einen Schuss nach hinten sein, weil sie rassistische Diskurse aufgreifen. Eine solide Wirtschaftspolitik für mehr Arbeit und soziale Sicherheit kann man nur durch neue Institutionen, Steuerreformen und ein innovatives Wirtschaftsrecht erreicht werden. Z.B. erlauben viele Staaten Migranten den Zugang zu Sonderwirtschaftszonen, um Handelsaktivitäten mit den Auswanderungsländern aufzunehmen, andere haben besondere Export/Importquoten für den Handel zwischen Ein-/Auswanderungsland. In den USA und Israel sind Business Inkubatoren direkt an Universitäten institutionalisiert, um mehr Arbeitsplätze für Einwanderer zu schaffen. Lateinamerikanische Entwicklungsbanken haben steuerbefreite Investmentsfonds für Auswanderer geschaffen, um Jobs zu schaffen. Die seit Jahren diskutierte Finanzmarkt für Langlebigkeitsrisiken an der Lebensversicherungen und Pensionsfonds miteinander handeln können, könnte das Interesse von Einwanderungsstaaten senken, Migranten in gesundheitsgefährdende Berufe einzusortieren. Migranten werden missbraucht. Einwanderungsquoten sind nicht dazu da, Prognosefehler der Lebenserwartung der Versicherten bei den Lebensversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds nachzubessern.