Griechenland

Fremdenhass in Krisenzeiten

Die Finanzkrise hat Griechenland nicht nur wirtschaftlich geschwächt. Die rechtsextreme Partei „Goldene Morgenröte“ gewinnt immer mehr an Popularität. Gwendolyn Buttersack war in Griechenland und hat auch diese Krise beobachtet.

Von Gwendolyn Buttersack Dienstag, 04.12.2012, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 07.12.2012, 8:18 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Die rechtsextreme Partei „Goldene Morgenröte“ findet im Schatten der griechischen Krise immer mehr Zuspruch. Nach einer Umfrage vom 15./16. November erhält die Partei 10,3 Prozent der Wählerstimmen. Das ist mehr, als sie bei den Parlamentswahlen 2012 erzielte. Damals zogen sie mit 6,9 Prozent erstmals ins griechische Parlament ein.

Eine erschreckende Entwicklung für Griechenland. Denn mit nichts ist es zu entschuldigen, für die missliche Lage Migranten zu verantworten, die am wenigsten hierfür können. Doch warum sich der griechische Wähler von den etablierten Parteien abwendet, ist aufgrund der zuspitzenden Krisensituation verständlich.

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Die von der Troika geforderten Sparmaßnahmen schnüren der griechischen Bevölkerung den Gürtel so eng, dass ihnen kaum mehr Luft zum Atmen bleibt. Das Bürgertum Griechenlands ist seit der Krise in immer steigendem Ausmaß von Massenarbeitslosigkeit (22,3 Prozent) und Niedriglöhnen betroffen. In einer Umfrage gaben 78 Prozent der befragten Griechen an, von Armut bedroht zu sein. Hinzu kommen die stetig sinkenden Ausgaben für die sozialen Sicherungssysteme, was dazu führt, dass 600.000 der 1,2 Millionen Langzeitarbeitslosen nicht mehr krankenversichert sind.

Wofür die Opfer?
Gleichzeitig sehen die Griechen nicht, wofür sich die Opfer lohnen könnten. Immerhin geht das südeuropäische Land mittlerweile in das fünfte Jahr der Rezession. Für das Jahr 2013 soll die Wirtschaft um weitere 4,5 Prozent einbrechen. Die Schulden steigen im Jahr 2013 voraussichtlich auf einen Rekordstand von 189,1 Prozent des BIP an. Aufgrund der depressiven Lage scheint für immer mehr Menschen der Freitod der letzte Ausweg zu sein.

Für andere ist die Endstation der Krise, Griechenland zu verlassen und in einem anderen Land das Glück zu versuchen. Fest steht: Die Griechen sind verzweifelt. Über 40 Prozent der Griechen sind nach einer Umfrage wütend und enttäuscht über ihre Politiker, ihr Justizsystem sowie deren Gewerkschaften.

Leere Wahlversprechen
So ist das Vertrauen der griechischen Wähler in ihre Volksparteien zutiefst betrübt. Die Wahlversprechen der etablierten Parteien PASOK und ND verpuffen, sobald die Parteien an der Regierung sind. Hatte die ND vor der Wahl noch versprochen, keine weiteren Sparmaßnahmen durchzuführen, so ist jetzt trotz dessen ein erneutes Sparpaket im Umfang von 13,5 Milliarden Euro im Gespräch.

Zudem werden zunehmend Skandale aufgedeckt, wonach hochrangige Politiker aus den etablierten Parteien ND und PASOK in Skandale der Steuerhinterziehung verstrickt sein sollen oder ihre prall gefüllten Konten in die Schweiz verlegt hätten.

Rechte nutzen soziale Missstände aus
Neben der rechtsextremistischen Partei konnte aber auch die linke SYRIZA bei den letzten Wahlen kräftig zulegen. Sie ist als zweitstärkste Kraft aus den Parlamentswahlen hervorgegangen. Nur aufgrund der Regelung, dass die Partei mit den meisten Stimmen 50 Abgeordnetenplätze zusätzlich erhält, hat es die konservative Partei ND überhaupt geschafft, die Regierung zu bilden. Bei aktuellen Umfragen erhielte die SYRIZA sogar 22,3 Prozent der Stimmen und ginge somit als Wahlsieger hervor. Von einem ganzheitlichen Rechtsruck der griechischen Wählerschaft kann von daher keine Rede sein.

Dennoch gelingt es der rechtsextremistischen Partei „goldene Morgenröte“, sich im Moloch der Krise als soziale Wohltäter aufzuspielen und immer mehr Stimmen für sich zu gewinnen. Sie organisieren Lebensmittelverteilung, geben Kleider an Bedürftige aus und betreiben eine Blutbank sowie eine Arbeitsvermittlung – nur für Griechen versteht sich. Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung sympathisiert zunehmend mit ihnen und lässt ihren Frust an den Migranten aus.

Polizei von Rechtsextremen unterwandert
Das „Rechtsrücken“ der Gesellschaft drückt sich auch in der vermehrten Gewalt gegenüber Migranten und Flüchtlingen aus. Nach einer Studie des UNHRC (UN Refugee Agency) gab es zwischen Januar und September 2012 über 87 solcher rassistischer Vorfälle. In mehr als die Hälfte der Übergriffe wurde ein Zusammenhang zu extremistischen Organisationen hergestellt und in bestimmten Fällen sogar eine Verbindung zur rassistischen Partei die „Goldene Morgenröte“. In 15 Vorfällen sollen sogar Polizisten involviert gewesen sein. Der UNHCR macht die Unfähigkeit oder den mangelnden Willen der Polizei an der Aufdeckung der rassistischen Straftaten für das Ausmaß der Straftaten verantwortlich. In den 87 Fällen wurde kein einziger Täter eingesperrt.

Das mangelnde Eingreifen ist durch die offenbar rechtsradikale Prägung der Polizisten zu erklären. Nach der Zeitung „To Vima“ gaben bei den Parlamentswahlen am 17. Juni die Hälfte der griechischen Polizisten der „goldenen Morgenröte“ die Stimmen. Trotz dessen dies schwer überprüfbar ist, so ist es doch sehr auffällig, dass in den Athener Wahllokalen 806 bis 816, zu deren Einzugsbereich besonders viele Polizisten gehören, die Rechtsextremisten mit bis zu 23,67 Prozent ihr bestes Ergebnis einheimsten.

Europäische Flüchtlingspolitik
Neben der Wirtschaftskrise ist ist Griechenland aufgrund des Dublin II Abkommens auch schlichtweg mit der Flüchtlings- und Migrationssituation überfordert. Das Dublin-2-Abkommens besagt, dass Flüchtlinge in dem europäischen Land, dass sie zuerst passieren auch ihren Asylantrag stellen müssen. Über das Transitland Türkei suchen Massen von Flüchtlingen über Griechenland den Weg nach Europa – und stecken dort fest.

Seit dem arabischen Frühling ist die Zahl der Flüchtlinge noch weiter gestiegen. Dass Europa Griechenland in dieser wirtschaftlichen Lage in Stich lässt und diese sowieso fragwürdige Regelung aufrechterhält, unterstützt die ohnehin angespannte Situation zusätzlich.

Fazit
Die wirtschaftliche Not führt viele Griechen dazu, sich von den etablierten Parteien abzuwenden. Vielleicht ist das notwendig, damit das Land sich neu formieren und aus dem „Dunkel ohne Licht“ wieder befreien kann. Bleibt zu hoffen, dass die Wähler erkennen, dass nicht die Migranten oder Flüchtlinge, sondern die Politiker für die Situation zu verantworten sind.

Das heißt auch, sich von den rechten Parteien bewusst zu distanzieren. Denn auf wessen Kosten ihre Wahlentscheidung geht, darüber sind sich die Wähler der „goldenen Morgenröte“ im Klaren. Um gegen die bestehende Regierung zu protestieren, bleiben zahlreiche andere Parteien, denen sich die Griechen zuwenden können.

Positiv hervorzuheben ist, dass viele Griechen trotz der trüben Krisenstimmung im Land Rechtsextremismus ablehnen. Denn obwohl die Rechten von der Krise stark profitieren, ist nicht zu vergessen, dass die meisten Protestwähler sich nach links orientieren. In der Sozialisation erlernte Werte wie Toleranz und Menschenrechte sind eben nicht für alle sofort vergessen, wenn auf ein Mal zu gelten scheint „Erst das Fressen, dann die Moral“. Aktuell Ausland

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  1. glamorama sagt:

    „Gleichzeitig sehen die Griechen nicht, wofür sich die Opfer lohnen könnten“.

    Ehrlich gesagt sehe ich auch nicht so recht, wofür sich das lohnt. Wenn wir hier in Deutschland davon reden, dass Griechenland mit den aktuellen Sparmaßnahmen „gerettet“ würde, dann ist das dreifach falsch. Erstens, weil die Wirtschaft unter den Sparmaßnahmen bereits jetzt sichtbar zusammennbricht und das Land mehr denn je auf Kredite angewiesen ist. Zweitens, weil die Maßnahmen ausgerechnet jene Teile der Bevölkerung am stärksten belasten, die vom jahrelangen Wachstum auf Pump am wenigsten profitiert haben. Drittens, weil die „Rettungspakete“, die das Land als „Belohnung“ für die Sparmaßnahmen erhält, gar nicht an Griechenland, sondern an dessen Gläubigerbanken gehen. Davon, dass der griechische Staat weiterhin Wucherzinsen an Deutsche Bank und Co. überweist, wächst aber bekanntlich keine Wirtschaft.

    Das Problem mit Chrysi Avgi liegt im Moment nicht so sehr darin, dass eine Mehrheit der Griechen sie wählen könnte. Viele Griechen haben aber derzeit andere Probleme, als ihre Demokratie, die sie in die aktuelle Situation gebracht hat, gegen die Faschisten zu verteidigen. Auf diesem Nährboden der Ignoranz und des Trotzes können die Schlägertrupps und die Hetzredner sich ungehindert ausbreiten.

  2. Einspruch sagt:

    Hm und dabei ist Griechenland in wirklichkeit gar nicht arm. In der Ägäis liegt Öl und südlich von Kreta Gas und zwar nicht wenig. Die Türkei hat da zwar auch schon Anspruch angemeldet was ich irgendwie süß finde, also geographisch gesehen (südlich von Kreta). Weil wenn überhaupt dann muss man sich noch mit Ägypten und Lybien zusammensetzen. Vielleicht soll Griechenland ja genau dazu gebracht werden. Und dann gibt es noch seitens von Griechen Mutmassungen das sie sofort von der Türkei angegriffen werden wenn sie (die Griechen) es „wagen“ würden und ich betone das jetzt ausdrücklich „auf eigenem Boden“ anfangen würden ihre Bodenschätze zu fördern. Nun was da dran ist müsste man halte rausfinden. Ich glaube aber nicht das selbst diese derzeitige Regierung in Ankara so blöd wäre einen Krieg vom Zaun zum brechen zumal Syrien auch schon Probleme macht.
    Es ist aber durchaus möglich, das der Zusammenbruch Griechenlands mit Absicht kommt, damit dann der Schuldenfreikauf per Energielieferungen vollzogen werden kann wenn das Land mit dem Rücken zur Wand steht. Und was politisch in Griechenland abgeht ist zutiefst natürlich. Die Migranten und Flüchtlinge geraten immer mehr unter Druck unabhängig davon ob sie Schuld sind oder nicht. Der Mensch sucht sich sein schwarzes Schaf immer ausserhalb der eigenen Gruppe.