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Betreuungsgeld

Wo kein Krippenplatz, da keine Wahlfreiheit

Laut Statistischem Bundesamt fehlen in Deutschland 220.000 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren. Ausgerechnet dort, wo die meisten Migranten leben – in Westdeutschland. Statt Kita-Ausbau beschlossen Union und FDP aber das Betreuungsgeld.

Mittwoch, 07.11.2012, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 13.11.2012, 8:08 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Kaum hat Schwarz-Gelb das Betreuungsgeld beschlossen, liefert das Statistische Bundesamt (Destatis) Zahlen zur Kindertagesbetreuung. Danach wurden zum 1. März 2012 rund 558.000 Kinder unter 3 Jahren in einer Kindertageseinrichtung oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege betreut. Das waren 44.000 Kinder mehr als im Vorjahr. Die Betreuungsquote lag bei 27,6 Prozent (2011: 25,2 Prozent). Soweit so gut.

Doch um das Ziel zu erreichen, bis zum August 2013 für 780.000 der unter 3-Jährigen ein Betreuungsangebot zur Verfügung zu stellen, müssen noch rund 220.000 Plätze für Kleinkinder geschaffen werden. „Der Zuwachs muss binnen 18 Monaten damit stärker ausfallen als in den letzten vier Jahren insgesamt“, sagte Karl Müller, Direktor beim Statistischen Bundesamt, am Dienstag in Berlin.

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Platzmangel vor allem im Westen
Sonst kann der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz, der im August 2013 in Kraft tritt, nicht gewährleistet werden. Damit würde auch das Argument von Union und FDP, das Betreuungsgeld biete Eltern Wahlfreiheit, zusammenfallen wie ein Kartenhaus. Wo keine Alternative zum Betreuungsgeld, da keine Wahlfreiheit.

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    Und besonders betroffen von fehlenden Krippenplätzen sind vor allem Migrantenkinder. Denn Krippen sind ausgerechnet dort rar, wo Migranten leben – in den westdeutschen Großstädten. Destatis stellt hier fest, dass die „Betreuungssituation in Ostdeutschland schon immer deutlich besser war, als in Westdeutschland“. Dabei sollte gerade der Zugang von Migranten in die Kindertagesbetreuung so leicht wie möglich gestaltet werden. Das zeigt ein näherer Blick auf die Zahlen des Bundesamtes.

    Migrantenkinder seltener in Kitas
    Danach wiesen Kinder unter 3 Jahren und mit Migrationshintergrund eine Betreuungsquote von lediglich 16 Prozent auf. Die Betreuungsquote der gleichaltrigen Kinder ohne Migrationshintergrund war mit 33 Prozent mehr als doppelt so hoch. Auch in der Altersgruppe der 3 bis 5-jährigen Kinder lag die Betreuungsquote von Kindern mit Migrationshintergrund mit 87 Prozent unter der Quote von Kindern ohne Migrationshintergrund (96 Prozent).

    Zwar sind die Betreuungsquoten bei den unter 3-Jährigen im Vergleich zu den Vorjahren sowohl bei den Kindern mit als auch bei den Kindern ohne Migrationshintergrund angestiegen. Mit rund Plus 8 Prozentpunkten zwischen 2009 und 2012 lag der Anstieg bei Kindern ohne Migrationshintergrund jedoch etwas höher als bei Kindern mit Migrationshintergrund (Plus 5 Prozentpunkte).

    Info: Das Betreuungsgeld soll an Eltern bezahlt werden, die sich um ihr Kind in den ersten beiden Lebensjahren zu Hause kümmern und keinen Kita-Platz oder keine staatlich geförderte Tagesmutter nutzen. Im ersten Jahr sind 100 Euro monatlich vorgesehen, ab August 2014 dann 150 Euro. Verzichten Eltern aber auf eine Barauszahlung und legen das Geld stattdessen zur privaten Altersvorsorge oder für die Ausbildung der Kinder an, bekommen sie einen zusätzlichen Bonus von 15 Euro pro Monat.

    Migranten gegen Betreuungsgeld
    Und mit dem Betreuungsgeld wird die Situation für Migrantenkinder nicht besser werden, befürchtet Kazım Erdoğan, Psychologe und Vorsitzender des Vereins „Aufbruch Neukölln“, in der Väter- und Frauengruppen mit Migrationshintergrund organisiert sind. „Wir fürchten, dass viele Eltern das Geld nicht für Bildung ausgeben werden. Vielmehr werden sie es sparen oder anderweitig Verwendung dafür finden“, so Erdoğan. Trotz guten Willens würden viele Familien der Verlockung des Geldes erliegen und ihre Kinder von den Kindergärten abmelden. „Wir wissen, dass viele Mütter mit Migrationshintergrund keine ausreichende Bildung haben, um ihre Kinder auf die Schule vorzubereiten. Ihre Deutschkenntnisse sind oft mangelhaft“, so die Sorge von Erdoğan.

    Weitere Destatis-Zahlen stützen Erdoğans Sorge: Bei der Hälfte der Kinder mit Migrationshintergrund unter 3 Jahren, die nicht zu Hause betreut wurden, wird zu Hause vorrangig nicht deutsch gesprochen. Bei den Kindern zwischen 3 und 5 Jahren lag der Anteil sogar bei 61 Prozent. Das sind zwar aktuelle Zahlen, aber keine neuen Erkenntnisse. Doch beim Thema Betreuungsgeld scheint das nicht zu interessieren. Hier fahren Union und FDP am Kurs ihrer bisherigen Integrationspolitik komplett vorbei. Leitartikel Politik

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    1. Hans Gothe sagt:

      Grundsätzlich ist das Betreuungsgeld kein Schwachsinn, sondern Ideologie der Regierungsparteien. (in den USA würde das supergut ankommen!) Die Familien, die es sich leisten können, KInder zuhause zu erziehen, sind dazu in der regel auch finanziell in der Lage – es kommt, wie immer, den falschen zu – das ist Absicht. Wie wird eigentlich das Betreuungsgeld mit Hartz4 verrechnet?????? Denn Familien, die ihre Kinder vor dem Hintergrund der Arbeitslosigkeit zuhause behalten, würden das a) gern anders machen und müssen b) solche Gelder wahrscheinlich angeben – oder?????

    2. Soli sagt:

      „mit dem Betreuungsgeld wird die Situation für Migranten nicht besser.“
      Ach so – sind die anderen jetzt daran Schuld wenn die das geld -statt in die Zukunft ihrer Kinder- lieber in andere Dinge stecken?

      Vielleicht sollten die Migrantenverbände einfach mal mehr druck ausüben…