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Statistisches Bundesamt

Migrantenkinder immer noch seltener in Kitas

Kinder mit Migrationshintergrund werden deutlich seltener in einer Kita betreut als gleichaltrige ohne Migrationshintergrund. Das teilt das Statistische Bundesamt mit. Grünen-Politiker Kılıç fordert gebührenfreie Kitas statt Betreuungsgeld.

Freitag, 03.02.2012, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 09.02.2012, 7:18 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Kinder unter 3 Jahren mit Migrationshintergrund werden deutlich seltener in einer Kindertageseinrichtung betreut als Kinder ohne Migrationshintergrund. Wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag (02.02.2012) mitteilte, lag bundesweit die Betreuungsquote der unter 3-jährigen Kinder mit Migrationshintergrund zum Stichtag 1. März 2011 bei lediglich 14 Prozent.

Bei den gleichaltrigen Kindern ohne Migrationshintergrund war sie mit 30 Prozent mehr als doppelt so hoch. Die Betreuungsquote misst den Anteil der Kinder in Kindertagesbetreuung bezogen auf alle Kinder in der jeweiligen Bevölkerung. Bei Kindern unter 3 Jahren lag sie in Deutschland insgesamt bei etwas über 25 Prozent.

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Nachholbedarf trotz Anstieg
Im Alter von 3 bis 5 Jahren lag die Betreuungsquote von Kindern mit Migrationshintergrund mit 85 Prozent ebenfalls deutlich unter der Quote von Kindern ohne Migrationshintergrund (97 Prozent). Die durchschnittliche Betreuungsquote aller Kinder in dieser Altersgruppe lag bei 93 Prozent.

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Bei einem Vergleich mit den beiden Vorjahren zeigt sich, dass bei den unter 3-Jährigen die Betreuungsquote gestiegen ist, sowohl bei Kindern mit Migrationshintergrund (+ 3 Prozentpunkte) als auch bei Kindern ohne Migrationshintergrund (+ 5 Prozentpunkte).

Bei Kindern zwischen 3 und 5 Jahren ist zwischen 2009 und 2011 die Betreuungsquote aber weitgehend konstant geblieben.

Kitabesuch nicht an Geldbeutel knüpfen
Wieso Migrantenkinder im Vergleich zu ihren Altersgenossen ohne Migrationshintergrund seltener eine Kita besuchen, erklärt Sevim Dağdelen, migrationspolitische Sprecherin der Linkspartei: „Eltern mit geringerem Einkommen schicken ihre Kinder nur halb so oft in eine Einrichtung der Frühförderung wie Eltern, deren Einkommen über dem Durchschnittsverdienst liegt. In Bundesländern mit Beitragsfreiheit sind die Kitaquoten von Migrantenkindern und denen von Kindern ohne Migrationshintergrund fast gleich hoch. In Niedersachsen sorgten bisher die bundesweit höchsten Beiträge dafür, dass bei den Unter-Dreijährigen mit Migrationshintergrund die Teilhabequote in Kitas nur bei fünf Prozent liegt. Das sind nicht nur fünf Prozentpunkte weniger als bei Kindern gleichen Alters ohne Migrationshintergrund, es ist die niedrigste Quote aller westlichen Bundesländer. Am geringsten waren 2010 die Unterschiede in Baden-Württemberg, wo die ökonomische Situation der Migranten vergleichsweise gut ist, oder auch im Saarland, wo die Kita-Gebühren weitgehend abgeschafft wurden.“

Info: Einem Kind wird in den Statistiken der Kindertagesbetreuung dann ein Migrationshintergrund zugeschrieben, wenn mindestens ein Elternteil ausländischer Herkunft ist, das heißt Mutter und/oder Vater aus dem Ausland stammen. Die Staatsangehörigkeit der Eltern oder des Kindes spielt dabei keine Rolle.

Migranten sind laut Dağdelen infolge der jahrzehntelangen sozialen Ausgrenzung und Diskriminierung besonders betroffen von gebührenpflichtigen Leistungen in der frühkindlichen Betreuung und Bildung. Wer die Integration und den Spracherwerb von Migranten verbessern wolle, müsse deshalb die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft beenden. Das Betreuungsgeld werde nicht an der richtigen Stelle investiert. „Die dafür veranschlagten zwei Milliarden Euro jährlich wären besser in der sozialen Infrastruktur aufgehoben“, so die Linkspolitikerin. Dass in einem der reichsten Industrieländer der Welt der Geldbeutel der Eltern über den Zugang zu Kindereinrichtungen entscheide, sei „erbärmlich“. Statt auf Integrationsgipfeln schöne Reden zu schwingen, sollte sich die Bundesregierung lieber für die grundsätzliche Beitragsfreiheit von Kitaplätzen einsetzen.

Kein Betreuungsgeld, lieber gebührenfreie Kitas
Ähnlich sieht es auch Memet Kılıç, Sprecher für Migrations- und Integrationspolitik der Grünen: „Wir brauchen massive Investitionen in die Kita-Qualität und perspektivisch die Abschaffung der Kita-Gebühren statt ein integrationshemmendes Betreuungsgeld“, so der Grünen Politiker.

Kılıç freut sich über den zumindest leichten Anstieg beim Kindergartenbesuch von unter Dreijährigen. Es gebe aber noch viel Potenzial nach oben. „Doch durch das Betreuungsgeld, das die schwarz-gelbe Koalition ab 2013 auszahlen will, wird genau das Gegenteil passieren. Aufgrund des finanziellen Anreizes werden viele Eltern auf die professionelle Kinderbetreuung verzichten. Das wird vor allem Kinder aus einkommensschwachen Familien treffen. Die Folge davon wäre eine integrations- und bildungspolitische Katastrophe“, so die Prognose des Grünen-Politikers. (sb)
Gesellschaft Leitartikel

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  1. Tom Berg sagt:

    Das ist doch Quatsch.
    „Migranten sind laut Dağdelen infolge der jahrzehntelangen sozialen Ausgrenzung und Diskriminierung besonders betroffen “
    Deutsche werden genauso Ausgegrenzt und es gab auch einmal eine Zeit, dass wenn du nicht Katholisch bist kein Platz in der Kita bekommen hast, für dein Kind als deutscher.
    Arme Volksgruppen egal welchen Glaubens und Staatsangehörigkeit haben es überall schwer.
    In England gibt es Engländer die schon in der 3.Generation arbeitslos sind und das gibt es auch hier und das ohne Migrationshintergrund.