Heinz Buschkowsky
Ein rassistischer Schrei nach Aufmerksamkeit?!
Wenn ich jetzt schreibe, dass es in diesem Beitrag um einen kleinen korpulenten Genossen aus Neukölln geht, dann meine ich schon den Aufschrei derer zu hören, die wegen dem kleinen Attribut „rassistisch“ aufschreien.
Von Aziz Bozkurt Mittwoch, 10.10.2012, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 12.10.2012, 7:48 Uhr Lesedauer: 7 Minuten |
Es schmerzt einzugestehen, dass auch ein Mitglied der Sozialdemokratie rassistisch argumentiert und damit Geld verdient. So wie wir uns mit dem Rassismus, der in unserem Land grassiert, abfinden, werden wir uns auch an die Debatte hierzu gewöhnen müssen. Gerade die SPD ist hierbei gefragt Rassismus offen zu erkennen und zu benennen.
Heinz Buschkowsky, der Bezirksbürgermeister von Berlin Neukölln, tingelt von Talkshow zu Interview und gab der BILD Exklusiv-Auszüge zum Abdruck. Natürlich die reißerischsten Stellen, aber sicher mit Genehmigung des Autors. Er gibt vor auf die „tabuisierten“ Missstände in unserer Gesellschaft hinzuweisen und inszeniert sich dadurch, wie sein Bruder im Geiste.
Die Verantwortung und Heinz Buschkowsky
Wieso rückt eine Person, die 40 Jahre politisch aktiv ist, 30 Jahre in der Bezirkverordnetenversammlung sitzt, 20 Jahre im Stadtrat waltet und 10 Jahre in Neukölln regiert, all die politischen Handlungsfelder in den Fokus, für die er mit verantwortlich ist? Es könnte die aufrechte Selbstkritik sein. Ist es aber nicht, weil er nichts mit den Problemen zu tun hat. Paradoxerweise funktioniert die Masche. Gefragt wurde er bislang selten nach der eigenen Verantwortung.
Er stellte früh nach der Bild-Vorab-Veröffentlichung fest, dass andere die Schuld tragen. Insbesondere ein Klaus Wowereit. Der „redet Stuss“ war zu lesen. Im neuen Bestseller wird er dann auch noch deutlicher, wenn es um die „Wand des Schweigens wie in der ehemaligen DDR“ geht: „Hier ist es ein Kartell aus ideologischen Linkspolitikern, Gutmenschen, Allesverstehern, vom Beschützersyndrom Geschädigten und Demokratieerfindern, das den Menschen das Recht abspricht zu sagen, was sie denken.“ Erschreckend an diesem Satz, dass dies die Wiederholung der Argumentation eines Rechtsterroristen Breivik ist. Dies ist natürlich kein direkter Vergleich zu Heinz Buschkowsky und von ihm wahrscheinlich gar nicht so weit gedacht. Nur eine Mahnung daran, wo sich solche Sätze sonst finden.
Die Kulturalisierung sozialer Probleme und Buschkowsky
Heinz Buschkowsky kleistert sozialpolitische Aufgaben mit Pauschalurteilen über Neuköllner zu. Damit begeht er eine Umkehr versäumter Bezirkspolitik hin zur Ethnisierung sozialer Probleme.
Ein Beispiel: Man kann sich noch sicher an die Bilder und den Aufschrei um die Rütli-Schule erinnern. Herscharen von Journalistinnen und Journalisten vor der Schule, die nur darauf warteten, dass sich Schüler mal so richtig prügeln. Je schlimmer die Bilder, desto schöner die Verkaufszahlen. Dass es zur selben Zeit auch einen Brandbrief von verzweifelten Lehrerinnen und Lehrern in Sachsen-Anhalt, in Gardelegen an der Karl-Marx-Schule gab, ist hierzulande doch recht schnell untergegangen. Wo war der Unterschied? In Sachsen-Anhalt gab es kaum Schülerinnen und Schüler ndH.
Die Lösung liegt auf der Hand, wenn man sich Rütli und ähnliche Erfolgsgeschichten anguckt: ein neues Schulkonzept mit Lehrerinnen und Lehrern, die den Umgang mit der wachsenden Vielfalt nicht scheuen und eine entsprechende Finanzierung.
Was zufällig bei Buschkowsky hinten runter fällt sind die vielen positiven Beispiel: er lässt bspw. aus, dass die „heruntergekommene“ Karl-Marx-Straße 42 Ärzte mit Migrationshintergrund beherbergt. Er ignoriert den Boom im Norden Neuköllns, weil die Menschen gerade im multikulturellen Neukölln leben wollen. Also alles Schöne ist ihm kein Wort wert. Maximal eine Randnotiz im Verkaufsschlage „hau den Ali“.
Die Wurst und Heinz Buschkowsky
Bei Buschkowsky geht es oft um die Wurst. Sie ist für ihn der Quell des „Hier-bin-ich-zu-Hause-Gefühls“, was in der Karl-Marx-Straße abhanden gekommen sei: „Sie müssen schon über eine solide Pfadfinderausbildung verfügen, um auf der mehrere Kilometer langen Geschäftsstraße einen Imbiss mit Schweinefleischprodukten zu finden.“
Die Sonnenallee ein wirklich Albtraum für den Wurst-Liebhaber: „Und wer seinen Hunger mit einer ganz normalen Currywurst oder einer Bulette stillen will, kann auch hier nicht gerade auf ein überbordendes Angebot zurückgreifen. Imbisse mit bei den Ur-Berlinern beliebten Produkten gibt es in weiten Teilen der Neuköllner Innenstadt so gut wie kaum noch. Auch das verändert den Charakter einer Straße und eines Wohngebiets und führt zu Überfremdungsgefühlen und Segregation.“
Und das Ende des Abendlandes ist in unseren Gefängnisse zu beobachten: „In der Jugendarrestanstalt in Berlin erhalten die Insassen grundsätzlich kein Essen mehr, das Schweinefleisch enthält. Die Begründung für den Erlass: 70 % der dortigen Arrestanten haben einen Migrations-Hintergrund.“
Meine Lieblings-Kolumnistin Mely Kiyak fasst das verheerende Resultat für unsere Kultur humoristisch zusammen: „Das hat man nun davon, dass man eine Demokratie hat: Wurstbefreite Zonen. No-Wurst-Areas.“
Ist die Wurst wirklich das, was unsere Gesellschaft ausmacht? Falls ja, dann esse ich liebend gerne mehr Currywurst. Nach einer Radiodiskussion mit Heinz beim RBB lud ich ihn deshalb auf eine Wurst ein. Eine Friedenswurst so zu sagen. Leider hatte er keine Zeit. Ich hoffe aber, dass wir es nach seinem Auftritt am 15. Oktober im Willy-Brandt-Haus auf Einladung von Sigmar Gabriel schaffen. Ob Sigmar Gabriel das Buch gelesen hat? Und ob er die Einladung mit rechtspopulistischem Vokabular wie „Überfremdungsängste“ selbst geschrieben hat? Vielleicht gibt es am 15. eine Antwort drauf. Aber ich muss schon sagen, dass es doch befremdlich ist, dass meine eigene Partei Werbung für so ein Buch macht.
Der Rassismus und Heinz Buschkowsky
Jetzt wird es schwer. Es kommt die Stelle, wo man mindestens die 33,6% – laut FES-Studie – verliert, die der Meinung sind, dass die „Bundesrepublik durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet“ ist oder die 29,3% die meinen „wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken“. Rassismus ist – ganz einfach formuliert – wenn man Gruppen konstruiert und dann meint, feststellen zu müssen, dass die eine Gruppe in einem gewissen Maß minderwertig ist. Beispielsweise, wenn man auf der einen Seite die eigene Bezugsgruppe als den Erfinder der Zivilisation darstellt und auf der anderen Seite die archaischen, hinterwäldlerischen, zurückgebliebenen, gewaltgetriebenen Anderen an die Wand malt. Wie das aussieht? Bei Buschkowsky heißt es z.B.: „Wir erziehen unsere Kinder zur Gewaltlosigkeit. Wir ächten Gewalt in der Begegnung und bringen das unserem Nachwuchs bei. Andere bringen ihren Jungs bei, stark, tapfer und kampfesmutig zu sein.“ Und von diesen Beispielen finden sich viele im Buch.
Um die Spitze des Aufschreis ein wenig zu brechen: Es geht nicht darum jemanden als Rassisten zu bezeichnen. Heinz Buschkowsky scheut sich nicht, sich rassistische Argumentationsmuster zu bedienen und Ängste gegenüber dem „Fremden“ zu fördern und zu bestätigen. Wenn seine Behauptungen unwidersprochen im öffentlichen Raum bestehen bleiben, bereitet auch die SPD den Nährboden für Ideologien der Ungleichwertigkeit von Menschen. Das ist der Bodensatz rechter Ideologie. So schlussfolgert Buschkowskys fatalerweise: „Deswegen kommen viele irgendwann zu dem Schluss: Ich mag diese Menschen nicht. Sie wollen mit mir nicht leben, dann will ich es mit ihnen auch nicht.“ Damit geben Buschkowsky und der schweigende Teil der SPD nicht nur der extremen Rechten das Gefühl der Legitimation, sondern auch dem Durchschnittsbürger. Mich überrascht es deshalb nicht, dass ich ressentimentbeladene Nachrichten bekomme, in denen ich u.a. aufgefordert werde, endlich meine Teestube zu verlassen und mit den Deutschen zu reden.
Die Aufmerksamkeit und Heinz Buschkowsky
Wieso? Frage ich mich. Wieso versucht er kurz vor Feierabend die Hütte, die er lange behütet hat, in Brand zu setzen? Ist es das Geld? Fühlt er sich nach Sarrazin als legitimes SPD-Sprachrohr der vermeintlich „schweigenden Mehrheit“? Was treibt einen Heinz Buschkowsky dazu, bei der offiziellen Trauerfeier der Opfer des rechtsterroristischen „NSU“ unverblümt einen Zusammenhang zwischen vermeintlichen Integrationsproblemen mit der rechtsterroristischen Mordserie herzustellen? Ist die Aufmerksamkeit es wert, so viel kaputt zu machen?
Und nun?
Aufräumen! Die Strategie „Kopf in den Sand“ und verschweigen, dass der Bezirksbürgermeister im selben Verein mitspielt, hat nicht gezündet. Diesmal heißt es, beherzt aufzeigen, wo auch ein Buschkowsky Gefahr läuft, sozialdemokratischen Wertekanon zu verlassen. Und wenn jemand argumentiert, dass Buschkowsky bei den letzten Wahlen 40% + x bei der Wahl erreicht hat, fällt mir nur die Frage ein: „Würdet ihr auch einen Sarrazin als Frontmann aufstellen, wenn er mehr Prozentpunkte für die SPD holt?“ Falls ja, dann haben wir ein größeres Problem als ich dachte! Aktuell Meinung
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Umfrage mit klarem Ergebnis Warum der Verfassungsschutz die AfD-Einstufung…
- Zum Muttertag Die Rolle der Mutter im Islam
- Deutsche Israelkritischer Linke lehnt IHRA-Antisemitismus-Definition ab
- Eilantrag Afghanische Familie will Aufnahme einklagen
- Historischer Bruch Erstmals werden an deutschen Grenzen Asylsuchende…
- Tödliche Polizeischüsse Trauerfeier und Beisetzung von Lorenz in Oldenburg
Pingback: Publikative.org » Blog Archive » Es gibt keinen Rassismus mit Herz!
Pingback: Es gibt keinen Rassismus mit Herz! — Antifa Netzwerk