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Ironie on

Aber gut, dass wir unter Hinnahme von Generalverdacht vorgesorgt haben

Die Große Koalition führte 2007 Ausweisungstatbestände in das Aufenthaltsgesetz unter anderem gegen Hassprediger und Integrationsverweigerer ein. Jetzt muss sie zugeben, dass es bis heute keinen einzigen Anwendungsfall gibt.

Von Freitag, 17.08.2012, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 23.08.2012, 1:06 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Ende 2009 gab es in Deutschland 1.924 Gesetze und 3.440 Verordnungen mit insgesamt 76.382 Artikeln und Paragrafen – exklusive der Gesetze und Rechtsverordnungen der 16 Bundesländer. Darunter viel Sinnloses, Kurioses und Überflüssiges.

So darf nach Artikel 21 Absatz 1 der Hessischen Landesverfassung bei besonders schweren Verbrechen die Todesstrafe verhängt werden. Und nach Paragraf 26 Landesreisekostengesetz NRW ist die Dienstreise eines Beamten beendet, wenn er während der Dienstreise stirbt. Wie gut, dass wir der Gesetzgeber das ein für alle Mal geklärt hat.

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Aber auch zahlreiche Bundesgesetze kommen übereifrig daher. So wird laut Paragraf 328 Absatz 2 Strafgesetzbuch mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine nukleare Explosion verursacht. Ob dieses Gesetz je zur Anwendung kommen wird, darf bezweifelt werden.

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Kein einziges Mal angewandt wurde auch Paragraf 55 Absatz 2 Nr. 9 bis 11 des Aufenthaltsgesetzes, wie die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion jetzt zugibt. Das Gesetz wurde im Jahr 2007 von Schwarz-Rot verabschiedet und regelt unter welchen Bedingungen ein Ausländer ausgewiesen werden kann. So etwa, wenn der Ausländer Hass bei Minderjährigen gegenüber anderen Religionen schürt (Hassprediger), ihn an der Integration hindert (Integrationsverweigerer in Hinterhofmoscheen) oder eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt (Zwangsverheiratungen). Ein auf Muslime maßgeschneidertes Gesetz, das allen Einwänden der Fachwelt zum Trotz verabschiedet wurde.

Viel zu groß war die vermeintliche Sorge von Unionspolitikern, dass ohne diese Gesetze Hassprediger aus dem Boden schießen, Zwangsverheiratungen zum Normalfall werden und Integrationsverweigerer sich frei entfalten können. Das mediale Aufsehen war groß, es wurde suggeriert, man müsse Muslime mit solchen Gesetzen bändigen.

Vor möglichen Nebenwirkungen hatte unter anderem der Deutsche Anwaltverein gewarnt: Die Änderungen seien unnötig und nicht geeignet, die Integration zu fördern, zudem bestehe die Gefahr, dass Muslime unter einen Generalverdacht gestellt würden. Eine vergleichbare Kritik kam auch vom Deutschen Institut für Menschenrechte, von PRO ASYL und zahlreichen anderen Rechtsexperten. Sie alle wurden ignoriert.

Heute gibt die Bundesregierung zu, dass es keinen einzigen dokumentierten Ausweisungsfall nach diesem Gesetz gibt. Dabei wollten Unionspolitiker im Jahr 2007 noch glaubhaft machen, wie wichtig und notwendig diese Ausweisungstatbestände sind, weil das Problem ja riesengroß ist. An Anwendungsfällen würde es ganz sicher nicht mangeln, hätte man damals glauben können.

Ulla Jelpke (Die Linke) dazu: „Der Versuch der Unionsparteien, mit der Keule der Ausweisung integrationspolitische Probleme lösen zu wollen, erweist sich erneut als blanker Stammtischpopulismus.“ Sie fordert eine Entwirrung des Paragrafendschungels, um dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit gerecht zu werden. Zumindest sollten die seit Jahren nicht angewendeten Ausweisungsbefugnisse wieder gestrichen werden.

Beispiele für ersatzlose Streichungen von unnützen Gesetzen gibt es viele. So wurde noch im Jahr 1977 ein Gesetz gestrichen, wonach die Ehefrau die Erlaubnis des Ehemannes brauchte, um arbeiten zu dürfen. Ob sich die Union aber dazu durchringen kann, sich von ihrem mühsam erschwindelten Ausweisungsparagrafen zu lösen, bezweifelt Jelpke. Die Bundesregierung lasse „jede Initiative für eine Anpassung des Gesetzes“ vermissen.

Für die Linkspolitikerin steht fest: „Die Ausweitung der Ausweisungsgründe war lediglich ein willkommener Anlass, in der aufgeheizten Debatte um vermeintliche Integrationsverweigerung am rechten Rand zu punkten“. Nichts weiter. Leitartikel Meinung

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  1. Sinan A. sagt:

    Wieder mal gute Arbeit, bravo!

    Wenn die Gesetze nicht greifen, dann muss man die Zielgruppe noch enger ins Visier nehmen. Ich hätte da ein paar Vorschläge, alles im Sinne der Integration natürlich, der Weltoffenheit, der Menschenrechte und überhaupt…

    – Satellitenschüsseln, die in die falsche Richtung zeigen (nicht zu Astra)

    – KFZ mit übermäßiger Lautstärke (außer bei Harley-Rockern)

    – häufige Verwendung von Fremdwörtern (außer Anglizismen)

    – Benutzung von fremdwörtigen Buchstaben (außer französischen)

    – Verwendung von unüblichen Instrumenten (außer Dudelsack)

    – öffentliches Tragen von Fußballtrikots (außer schwarz-rot-gold)

    Und so weiter und so fort. Die kreative Gesetzgebung hätte viele Möglichkeiten.