Innovation

Simultane Übersetzung im Hörsaal für ausländische Studenten

Die Internationalisierung stellt Universitäten auch vor sprachliche Herausforderungen: Sollen sie ihre Lehrveranstaltungen auf Englisch umstellen – oder müssen alle ausländischen Studierenden Deutsch lernen?

Dienstag, 19.06.2012, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 25.06.2012, 1:06 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Eine alternative Lösung hat das Institut für Anthropomatik des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) entwickelt: den – an einer Universität – weltweit ersten automatischen simultanen Übersetzungsdienst per Computer. Professor Alex Waibel und sein Team stellten das System nun am KIT-Campus Süd vor. „Der automatisierte Vorlesungsübersetzungsdienst ist das Ergebnis langjähriger Spitzenforschung, das der Lehre zu Gute kommt und von dem hoffentlich bald Generationen von Studierenden weltweit profitieren werden“, sagte Theresia Bauer, Ministerin für Wissenschaft, Kunst und Kultur des Landes Baden-Württemberg bei der Vorstellung des Übersetzungsdienstes. „Er ist ein bedeutender Ansatz im Hinblick auf die zunehmende Heterogenität unserer Studierenden, der wir als weltoffener Wissensstandort begegnen wollen.“

„Am KIT haben wir etwa 16 Prozent ausländische Studierende, an Universitäten in den USA sind es bis zu 50 Prozent“, sagt KIT-Präsident Professor Horst Hippler, „im internationalen Wettbewerb um die besten Wissenschaftler sind wir also noch im Nachteil“. Das System des Vorlesungsübersetzers will hier helfen, talentierte Studierende aus dem Ausland ans KIT zu holen und ist Teil der Anstrengungen am KIT, die Sprachbarrieren zu überwinden. „Der Vorlesungsübersetzer zeichnet automatisch den Vortrag des Referenten auf, verschriftet ihn und übersetzt ihn in Echtzeit ins Englische“, sagt Professor Alex Waibel. „Über ihren PC oder ihr Mobiltelefon können die Studierenden dann der Vorlesung folgen.“ Zudem übersetzt die Technologie auch die Vorlesungsfolien und ermöglicht den Zugriff auf vergangene Veranstaltungen über Suchbegriffe in den verschrifteten Vorträgen.

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Übersetzung noch nicht perfekt
Der Vorlesungsübersetzer kombiniert die Technologien der automatischen Spracherkennung und der statistischen maschinellen Übersetzung zu einem integrierten System. Hilfskomponenten kümmern sich dabei um die Strukturierung des Textes, die Zeichensetzung, die Behandlung von Komposita im Deutschen sowie die Aufnahme des Vortrages und die Anzeige des Übersetzungsergebnisses. Die Kombination der Komponenten erfolgt dabei mithilfe einer innovativen Serviceinfrastruktur.

„Die Übersetzung ist nicht immer perfekt“, sagt Waibel, „aber sie wird Teil der sprachlichen Werkzeuge, mit denen nun Studierende den Vorlesungen trotz Sprachbarrieren besser folgen können“. Der Vorlesungsübersetzer läuft zurzeit im Testbetrieb in Lehrveranstaltungen der Fakultäten Informatik und Maschinenbau am KIT. Zukünftig ist geplant, mehrere Sprachen zur Auswahl anzubieten und ein breiteres Vorlesungsangebot damit zu unterstützen. Von dem Service profitieren nicht nur ausländische Studierende, sondern auch hörgeschädigte Personen.

Der Dienst des Vorlesungsübersetzers ist das Ergebnis von zwei Jahrzehnten Forschung von Alex Waibel und seinen wissenschaftlichen und kommerziellen Partnern, vor allem der Carnegie Mellon University, Pittsburgh, sowie Mobile Technologies LLC & GmbH. Unterstützung erhält der deutsche Vorlesungsübersetzer auch aus Mitteln der Europäischen Kommission sowie der deutschen Exzellenzinitiative. (eb) Feuilleton Leitartikel

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  1. pepe sagt:

    So tolerant ich in anderen Aspekten sein mag, in diesem Fall bin ich stark gegen eine solche „Innovation“. Erstens bring einem der Erwerb einer neuen Sprache vieles, zweitens ist die Übersetzung fehlerhaft (in vielen der Fällen) und drittens ist das störend für deutschsprachige Studenten.

  2. Optimist sagt:

    Yup, bin definitiv deiner Meinung, pepe. Auch wenns nur ein Studienaufenthalt ist, so kann man die Sprache „zwangsweise“ lernen, was ja nur gut ist. Und wenns nicht auf Anhieb klappt, dann halt im nächsten Semester, was solls. Wo ein Willy ist, da ist auch ein Weg :D

  3. aloo masala sagt:

    @pepe

    Der Erfolg von Universitäten in den USA beruht u.a. auch auf der hohen Internationalität. Ein Großteil erfolgreicher Doktoranden in der US-Forschung sind Chinesen und Inder. Das gilt zumindest für Bereiche in der Informatik. Wenn Deutschland ähnlich erfolgreich sein will, muss es die besten Köpfe anziehen. Die deutsche Sprache ist dabei oft ein Hindernis, z.B. für viele indische Studenten, die perfekt Englisch können. Man vergeudet gewissermaßen ein Jahr Zeit um die Sprache zu lernen, um dann weiter machen zu können. Aus diesem Grund sind die Master Studiengänge auch in Englisch. Das neue Übersetzungstool ist somit ein weiteres gutes Mittel um die Internationalität bereits in den Bachelorstudiengängen zu fördern.

    Die Übersetzung der Vorlesung erfolgt übrigens schriftlich auf dem Rechner, stört somit nicht die Zuhörenden.

  4. Optimist sagt:

    Wenn ich kein japanisch kann, dann studiere ich auch nicht in Japan. Andersrum habe einige meiner ehemaligen Kommilitonen ein Semester im Ausland studiert. Jeder von denen hat seine sprachlichen Kenntnisse deutlich verbessern können, selbst in dieser relativ kurzen Zeit. Von daher sehe ich ein Studium im Ausland als eine enorme sprachliche Bereicherung an. Dieser Situation sollte man sich stellen. Wenn man mit der einheimischen Sprache generell nicht besonders klar kommt, dann sollte man sein Studiumsziel woanders verfolgen, wo es einem besser liegt.

  5. aloo masala sagt:

    @Optimist

    Im Vordergrund steht hier nicht das Privatvergnügen kulturell aufgeschlossener Menschen, die gerne eine Sprache lernen, sondern dass die Universitäten sich international etablieren. Die besten Köpfe gehen in die USA und nach Großbritannien. Deutschland ist nicht nur deswegen unattraktiv, weil die Unis kaum international mit den Spitzenunis mithalten können, sondern auch wegen der sprachlichen Barriere. Die Sprache der Wissenschaft ist Englisch. Solange die Sprachbarriere aufrecht erhalten wird, werden die deutschen Unis kaum internationale Spitzenklasse. Das gilt nicht nur für die Studenten, die nicht kommen sondern auch für Spitzenforscher, die man nicht berufen kann, weil sie nicht in Deutsch lehren können.

    Aus diesem Grund ist das Übersetzungstools des KITs eine Bereicherung. Und viele ausländische Studenten in Master-Programmen, die i.d.R in Englisch durchgeführt werden als auch Doktoranden und Postdocs bräuchten inzwischen kein Deutsch mehr, lernen es aber trotzdem gerne. Das eine schließt also das andere nicht aus. Wer eine Sprache lernen möchte, kann das weiterhin tun. Einen Zwang wie beim Mitsingen der Nationalhymne brauchen wir da nicht.

  6. Mary sagt:

    Ich stimme aloo masala da absolut zu. Vor allem
    „Und viele ausländische Studenten in Master-Programmen, die i.d.R in Englisch durchgeführt werden als auch Doktoranden und Postdocs bräuchten inzwischen kein Deutsch mehr, lernen es aber trotzdem gerne. Das eine schließt also das andere nicht aus. Wer eine Sprache lernen möchte, kann das weiterhin tun.“

  7. pepe sagt:

    Aloo Masala: Chinesen und Inder gehen in die USA, weil sie sich auf ihren dortigen Aufenhalt rechtzeitig vorbereiten. Dazu zählt natürlich das Erlernen (und Meistern) der Sprache. Wenn jemand in Deutschland studieren möchte, dann muss er damit rechnen, dass hier DEUTSCH gesprochen wird, und nicht Englisch (zumindest kein gutes).

    Von dem her finde ich Ihre Argumentation realitätsfern.

  8. aloo masala sagt:

    @Pepe:

    Sie schreiben:
    —-
    Wenn jemand in Deutschland studieren möchte, dann muss er damit rechnen, dass hier DEUTSCH gesprochen wird, und nicht Englisch (zumindest kein gutes).
    —-

    Das ist natürlich alles richtig aber leider kein Gegenargument meiner „realitätsfernen Argumentation“ sondern schlicht eine Bestätigung dessen, was ich bereits gesagt habe.

    Indische oder auch andere internationale Studenten, die nach Deutschland kommen sind keine Idioten. Sie wissen sehr wohl, dass sie erst einmal ein Jahr Deutsch lernen dürfen, bevor sie zum Studium zugelassen werden.

    Das ist genau der Grund, weshalb Deutschland für Inder nicht die erste Wahl ist. Denn Inder, die für einen Sprung an Universitäten im Ausland in Frage kommen, können durch das indische Bildungssystem perfekt Englisch. Das bedeutet, ein Inder verliert in den USA, Australien oder UK nicht ein Jahr durch einen Sprachkurs wie in Deutschland, sondern kann direkt in das Studium einsteigen.

  9. pepe sagt:

    Aloo Masala: wer gutes Deutsch nach einem Jahr spricht, ist entweder ein Genie oder existiert lediglich nur in Ihrem Kopf. Ich kenne viele Ausländer, die trotz Fleiß und seriösem Erlernen der Sprache, immerhin fehlerhaft Deutsch sprechen und schreiben. Nicht schlimm, eigentlich. Deutschen Studenten geht es nicht viel anders im Ausland…

    Ja, Inder können locker entweder in Australien, oder USA, oder England, oder Canada studieren. Warum denn ausgerechnet nach Deutschland kommen, wenn die Sprache ja eine Hürde darstellt? Entweder bezahle ich mehr in den USA, muss aber die Sprache nicht lernen, oder ich bezahle viel weniger in Deutschland, und ich erlerne die Sprache. Das ist halt die Entscheidung, und wenn jemand danach an einer der zwei Hürden scheitert, dann ist das seine Schuld.

  10. aloo masala sagt:

    @pepe

    Ich spreche lediglich von Alltag internationaler Studenten. Wer für ein Studium in Deutschland zugelassen werden möchte, muss Deutschkenntnisse nachweisen. Dazu besuchen ausländische Studienbewerber ein Jahr lang einen Deutschkurs und legen dann am Ende des Jahres eine Deutschprüfung für die Zulassung des Studiums ab. Über die Qualität der Deutschkenntnisse habe ich mich mit keinem Wort geäußert. Das existiert – aus was für Gründen auch immer – lediglich in ihrem Kopf.

    Im Grunde reden wir eiander vorbei. Sei fordern von internationalen Studenten eine Bringschuld ein. Ihr Leitmotiv ist dabei, wer in Deutschland studiert muss Deutsch sprechen. Ein Ziel der Universitäten/Regierungen ist jedoch die internationale Reputation. Internationale Spitze wird man, wenn man es schafft die besten Köpfe zu gewinnen. Die besten Köpfe beschränken sich allerdings nicht nur auf Deutschland sondern finden sich in der ganzen Welt. Mit diesem Ziel stehen die Universitäten in einer Bringschuld und nicht die Studenten und Wissenschaftler, um die man buhlt.

    Berücksichtigt man nun, dass in den meisten Fächern Englisch die Sprache der Wissenschaft ist, wird man kaum seinen Wissenschaftsstandort mit Deutschzwang attraktiver gestalten. Beispielsweise sind die wenigen indischen Studenten, die sich nach Deutschland zum Studieren verirren selten Spitzenstudenten; es sind meist mittelmäßige Studenten, die es in Indien nicht an die Top-Unis geschafft haben und für anglophone Länder kein Stipendium erhalten haben. Durch englischsprachige Masterstudiengänge ist das Thema ohnehin so gut wie obsolet. Wir diskutieren hier über Verhältnisse von vor über 10 Jahren.