Deutsche Zustände

Gute Extremisten, schlechte Extremisten

Während zwei mutmaßliche Unterstützer der Nationalsozialistischen Union (NSU) gestern freigelassen wurden, erhielt ein Salafist aus Baden-Württemberg seinen Ausweisungsbescheid. Es scheint so, als ob der Staat zwischen "guten" und "schlechten" Extremisten unterscheidet.

Von Mittwoch, 30.05.2012, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 01.06.2012, 3:24 Uhr Lesedauer: 1 Minuten  |  

Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe verkündete gestern die Freilassung von zwei mutmaßlichen Unterstützern der Neonazi-Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Dabei handelt es sich um Carsten S. und Matthias D. Vergangene Woche war bereits Holger G. freigelassen worden.

Salafist wird ausgewiesen
Gleichzeitig verkündete Baden-Württemberg die Ausweisung eines Salafisten mit türkischer Staatsangehörigkeit. Zuvor war dieser bereits sechs Monate in Haft, weil er Drohvideos veröffentlichte und darin zum „Heiligen Krieg“ aufrief.

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Hier stellt sich nun die Frage, ob etwa die Beihilfe zum Mord an neun Migranten in diesem Land, wie beim dringend verdächtigten Carsten S., weniger harmlos ist, als das Ausrufen eines „Heiligen Krieges“? Wieso wird also der Salafist bestraft, während Carsten S. nicht mehr in Haft ist?

Doppelte Maßstäbe
Der Staat darf nicht mit doppelten Maßstäben hantieren. Extremismus bleibt Extremismus. Sowohl der Salafismus als auch der Rechtsextremismus richten sich gegen die freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland. Es kann daher nicht sein, dass mit Rechtsextremisten milder ungegangen wird, als mit Islamisten. Dies gilt übrigens auch für die rechtsextreme Partei Pro NRW und den islamfeindlichen Blog „Politcally Incorrect“, die bislang von Medien und Staat mit Samthandschuhen angefasst werden.

Das Gesetz sollte jedoch beide extremistische Richtungen mit derselben Härte bestrafen. Denn nichts weniger als die Glaubwürdigkeit des Staates steht hier auf dem Spiel. Deutschland darf sich daher nicht dazu verleiten lassen, zwischen vermeintlich guten und schlechten Extremisten zu unterscheiden.

Es bleibt nun zu hoffen, dass die Innenministerkonferenz heute in Mecklenburg-Vorpommern grundsätzlich das Thema Extremismus und nicht ausschließlich die Ausweisungen oder Aberkennung der Staatsbürgerschaft von Salafisten diskutiert. Aktuell Meinung

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  1. Socke sagt:

    Sie haben die „Lösung“ selber genannt, nur erkannt haben sie sie nicht: „mit türkischer Staatsangehörigkeit“.
    Das ist der einfache Hintergrund – wir können und dürfen kriminelle Ausländer ausweisen, was sollten wir denn mit den – und da haben sie es wieder genannt „mutmaßlichen“ (was soviel heißt wie es gibt keine stichhaltigen Beweise!) Unterstützern der NSU machen? Das sind deutsche Staatsbürger.
    Wären das Ausländer würden wir wohl auch diese ausweisen. Das hat nichts mit „Doppelmoral“ oder „guten und schlechten Extremisten“ zu tun.

  2. Socke sagt:

    und noch eine Ergänzung – anstatt sich darüber zu freuen, dass wir einen Extremisten los sind (ich lese nirgendwo in Ihrem Artikel dass sie die ausweisung begrüßen!) , beschweren Sie sich darüber dass wir das nicht gleich mit anderen auch so machen.
    Das ist wie mit der Vernichtung von illegalen Waffen: Ich freue mich über jede Waffe die vernichtet wird – und sicher, ich könnte meckern das wir trotzdem noch millionen Waffen haben – das tue ich aber eben nicht. Auch deren Zeit wird irgendwann kommen….

    Denke Sie eifnach mal ein bischen postiv und meckern sie nicht nur rum!

  3. Zeitungsente sagt:

    Im vorliegenden Fall wir mitnichten mit zweierlei Maß gemessenem, denn ein Aspekt zur Beurteilung ist hier, ob von der Person auch weiterhin eine Gefahr ausgeht oder nicht.

    Und Carsten S. hat sich den Berichten zu Folge seit einem Jahrzehnt glaubhaft vob der rechtsextremen Szene distanziert währen der Mann, zu dessen Anwalt Sie sich hier machen, sich nicht einmal durch eine verbüßte Haftstrafe von seinem Tun hat abbringen lassen.

    Es wird also ein Maß angelegt – nur die Motivation der Beteiligten unterscheidet sich.

  4. Sinan A. sagt:

    Die Sprache der Richter ist ein Hinweis darauf, wie die NSU-Verfahren laufen werden. Da wird weitgehend geschönt. Sprengstoff, Pistolen und falsche Pässe in den Händen von ideologisch verbohrten Nazis? Für die Richter kein großes Problem. Holger G. habe keine Hinweise gehabt und sei dem Trio nur freundschaftlich verbunden gewesen, vermuten die Richter, als handele es sich hier um ein paar Kumpels vom Handballverein.

    Auch Carsten S. wurde bei der Aidshilfe Düsseldorf mit offenen Armen empfangen, obwohl bei dem Mann einiges unklar war und er nie reinen Tisch gemacht hatte. Im Nachhinein reden die sich zwar raus, aber in Wahrheit war es denen egal. Hauptsache er macht seine Arbeit anständig.

    Rechtsextremismus gilt für viele Deutsche nur als wirres Hobby. Berührungsängste gibt es da wenig. Gewaltbereiten Nazis wird es insgesamt zu leicht gemacht, und selbst wenn sie mal erwischt werden, geht die Schönfärberei weiter.

  5. Optimist sagt:

    Um die Fakten mal auf das Wesentlichste zu reduzieren:
    – Salafisten bedrohen Leib, Leben und sind gegen die demokratisch, freiheitliche Verfassung
    – (Neo)Nazis bedrohen Leib, Leben und sind gegen die demokratisch, freiheitliche Verfassung

    Der einzige Unterschied ist, daß Salafisten die autochtonen Deutschen bedrohen (ua auch liberale Muslime), während die ausgehende Gefahr der Rechtsextremisten „nur“ gegen Ausländer gerichtet ist.

    Die Verharmlosung des Rechtsextremismus ist in D ein Problem, das nur allzugerne unter den Teppich gekehrt wird, damit das internationale Ansehen von D nicht zerstört wird und man nicht Willens ist, sich mit dieser Problematik auseinander zu setzen. Dabei weiß zB jeder in D wohnhafte Mensch von den „Ausländerbefreiten Zonen“ in Ostdeutschland und dem tiefsitzenden, latenten Rassismus in D. Dieser latente Rassismus spiegelt sich in sämtlichen Angelegenheiten gegen Ausländer wieder, beispielsweise die Missachtung der Gesetzesvorgaben der EU (in D).

    Wer an eine Relativierung der Taten von Rechtsextremisten vor Gericht nicht glaubt, der sollte mal ein paar (auffällig milde) Gerichtsurteile gegen solche in den vergangenen 10 Jahren betrachten, das sagt schon alles. Allein, daß seit der Wiedervereinigung offiziell von der Regierung nur knapp 60 Fälle als Rechtsxtrem eingestuft werden, obwohl Medien nachweislich min. 180 recherchiert haben, sagt ja alles über die Einstellung des Staates aus. Traurigerweise sitzen Sympathisanten solcher Attitüden an sämtlichen Hebeln, also Gericht, Polizei, Regierung. Die Arbeiten zwar nicht unbedingt Hand in Hand, die Einstellung ist aber die Selbe und das Resultat letzlich auch.

  6. Pragmatikerin sagt:

    Optimist schrieb unter anderem:
    „Die Verharmlosung des Rechtsextremismus ist in D ein Problem, das nur allzugerne unter den Teppich gekehrt wird……“

    Wie bitte? In Deutschland werden Rechtsextremismus und Rassismus verharmlost? Wer so etwas behauptet, der muß auf einem anderen Planeten leben, aber sicherlich nicht in der Bundesrepublik. Es gibt bekanntlich kaum einen Tag, an dem in hiesigen Medien nicht über die Schrecken der nationalsozialistischen Zeit aufgeklärt und die Gefahren rechtsextremistischer Umtriebe in der Gegenwart thematisiert werden.

    Auch die Politik handelt: Die Bundesregierung stellt im Rahmen des Programms „Toleranz fördern, Kompetenz stärken“ bis 2014 Jahr für Jahr 24 Millionen Euro zur Verfügung, um „lokale Aktionspläne, Modellprojekte und landesweite Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus“ in den Bundesländern zu unterstützen.

    Zum Vergleich: Für den Kampf gegen Linksextremismus und Islamismus wendet das Bundesfamilienministerium gerade einmal fünf Millionen Euro p.a. auf. Daneben gibt es zahlreiche private Initiativen, die sich finanziert aus Spenden der Bevölkerung ebenfalls gegen den Rechtsextremismus richten.

    Vor dem Hintergrund dieses umfangreichen Engagements von Politik, Gesellschaft und Medien ist es schlicht unwahr, wenn von einer Verharmlosung rechtsextremen und rassistischen Gedankenguts oder ihrer Vertreter in Deutschland die Rede ist.

    Hinter solchen Phrasen steckt oftmals der Versuch linker Kreise, Kritik aus der bürgerlichen Mitte an einer verfehlten Zuwanderungs- und Integrationspolitik als „rechtsextremistisches“ oder „rassistisches“ Gedankengut zu brandmarken und so zu tabuisieren. Tenor: Der „Faschismus“ kommt aus der Mitte der Gesellschaft. Genau dieses Strickmuster wird auch in dem Beitrag von Optimist sichtbar.

    Den Sicherheitsorganen in Deutschland wird unterstellt, sie hätten wissentlich über die Gefährdung durch neonazistische Gewalttäter hinweggesehen und damit deren Anschläge begünstigt.

    Ein ungeheuerlicher Vorwurf, zumal die Untersuchungen in diesem Fall, die auch mögliche Verfehlungen der verantwortlichen Stellen umfassen, noch gar nicht abgeschlossen sind.

    Gegen den Verdacht, der Staat würde den Rechtsextremismus nicht ernst nehmen, spricht bereits ein Blick in die jährlich erscheinenden Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder. Hier weist das Kapitel „Rechtsextremismus“ stets den mit Abstand größten Umfang auf. Das zeigt, wie akribisch die Szene vom Verfassungsschutz beobachtet und analysiert wird. Es kann schon deshalb keine Rede davon sein, daß der Staat die Bedrohung durch Radikale von rechts unterschätzt oder gar ignoriert.

  7. Anna Radack sagt:

    @Hakan Demir
    Wohin soll man die beiden Deutschen ausweisen? Was ist Ihr Vorschlag? In die Türkei? Zusammen mit dem türkischen Salafisten? Das wäre ein Vorschlag, dem ich zustimmen könnte. Da käme gleich zu gleich.

  8. Pingback: Mit zweierlei Maß gemessen? Zum Umgang des Staates mit Extremisten | Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung

  9. Lutheros sagt:

    Ich halte Ihren Artikel für brandgefährlich, weil Sie zwei unterschiedliche Vorgänge versuchen als gleichartig darzustellen. Aus meiner SIcht haben Sie das Prinzip und Wesen des Rechtsstaates leider nicht verstanden:

    – Im Fall 1 entscheidete ein Gericht über die Haft von Tatverdächtigten. Sie sind nicht verurteilt, und es muss entschieden werden, ob man einem Verdächtigen die Freiheit entzieht. Zuständig: Bund. Die Strafe ist noch gar nicht ausgesprochen, eine Tatbeteiligung formell auch nicht bewiesen – und erst dann!!! darf ein Staat jemand die Freiheit entziehen.

    – im Fall 2 entscheidet eine Behörde darüber, ob sich jemand in Deutschland aufhalten darf oder nicht. Ihm wird nicht die Freiheit entzogen, und er wird nicht verurteilt. Hiergegen kann nun die Gerichte als Instrument einsetzen. Zuständig: Land.

    In beiden Fällen geht es also um grundlegend andere Sachverhalte und es entscheiden zwei grundlegend andere Dinge. Warum heizen Sie die Stimmung auf und tun so, als sei das das gleiche?

  10. Optimist sagt:

    @ Lutheros

    Das Einzige, was in D frei rumläuft und was für Ali-Normal tatsächlich brandgefährlich ist, obwohl der Herr Innenminister und VS über diese Personen bescheid wissen, sind die in mehreren Fällen bereits straffällig gewordenen Neonazis, die frei rum laufen. Sie werden seit Jahrzehnten vom VS beobachtet, Gerichtsrelevante Daten hat man aber keine gesammelt (erst jetzt vor dem U-Ausschuss). Sie organisieren und intervenieren, sIe fangen Kinder von der Schule mit geisteskranken CDs ab, Brandanschläge, Bombenleger und Erschiessungen scheinen für Sie ja nicht erwähnenswert zu sein, um vor Gericht mal deutliche Zeichen zu setzen. Auch wenn ich kein Jura studiert habe, brauche ich nur die Zeitungen der vergangenen Jahre aufzuschlagen und einige Urteile zu betrachten. Die mir bekannten Fälle, wo jmd wirklich mehrjährige Haftstrafen bekommt, sind quasi immer nur im Zusammenhang einer Leugnung des Holocausts. Also tun Sie gefälligst nicht so, als wäre Justizia in dieser Sache blind. Ihre Ammenmärchen können Sie Ihrem Freundeskreis erzählen, aber versuchen Sie nicht, uns über das Rechtssystem zu belehren.