NRW-Wahlen

Welche Partei sollten Migrant/innen wählen?

In Nordrhein-Westfalen stehen bald Landtagswahlen an. Doch welche Partei sollten Migranten wählen? Soll etwa die Zahl der Kandidaten mit Migrationshintergrund ausschlaggeben sein? "Nein", schreibt Asiye Öztürk.

Von Asiye Öztürk Freitag, 13.04.2012, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 17.04.2012, 8:09 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Bald sind Landtagswahlen in NRW. Alle Parteien streifen den Anzug glatt und packen ihre (Vorzeige-) Migrant/innen aus – an dieser Stelle unterscheiden sich die Parteien nur wenig voneinander. Stimmen entscheiden über die Verteilung der politischen Macht, auch die wachsende Zahl der migrantischen Wählerstimmen möchte man für sich gewinnen. Kandidat/innen mit MH und das fast durchgängige Bekenntnis zu einer pluralen Gesellschaft zeigen, dass die Realität der Migrationsgesellschaft bei (fast) allen Parteien angekommen ist.

Aber ist die Frage, welche Parteien Migrant/innen wählen sollten – oder „wie kompatibel Migranten und eine bestimmte Partei“ sind – die richtige Frage? Wer sind „die“ Migrant/innen? Gibt es überhaupt „die“ Interessen „der“ Migrant/innen, außer dem allgemeinen Wunsch nach „Integration und Teilhabe“ oder „Anerkennung von Vielfalt und Pluralität“? Sagen uns die Präsenz von „den“ Migrant/innen und integrationspolitische Positionierungen etwas über die Fortschrittlichkeit oder Rückständigkeit von Parteien aus? Irgendwie schon: MHs in den Reihen der Parteien – inklusive der damit verbundenen (un)bewussten Symbolik – sowie der allseitige Wunsch nach einem Miteinander auf Augenhöhe untermauern die integrationspolitische Glaubwürdigkeit einer Partei.

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Doch welche Rolle sollte diese Symbolik bei meiner Wahlentscheidung spielen? Inwiefern bieten die jeweiligen Partei- und Wahlprogramme die Grundlage, um die propagierten integrationspolitischen Ansprüche zu erfüllen? Passen die angekündigten Ziele zu den angekündigten Mitteln? Wie repräsentativ sind bestimmte Meinungen und Forderungen für eine Partei?

Nehmen wir einzelne Handlungsfelder in den Blick: Eine in den „Integrations“debatten oft geäußerte These lautet, dass Bildung Schlüssel zur Integration sei, Aufstieg und Teilhabe seien durch Bildung zu erreichen. Doch was heißt das mit Blick auf die hohe soziale Selektivität unseres Bildungssystems, die immer wieder von unverdächtigen Stellen wie der Bertelsmann-Stiftung oder der OECD bescheinigt? Welche Auswirkungen haben die Gliederung des Schulsystems, die Art und Weise, wie Bildungsressourcen verteilt werden, an welcher Stelle, wie und wer gefördert und von wem wie gefordert wird, auf die Aufstiegs- und Bildungschancen von Menschen, die „integriert“ werden sollen?

Anderes Beispiel: der Wunsch nach mehr „Integration“ auf dem Arbeitsmarkt. Wie kann diese Forderung vor dem Hintergrund eines sich ständig flexibilisierenden und entgrenzenden Arbeitsmarkts umgesetzt werden? Wie lauten die Konzepte, um Diskriminierungen und andere Barrieren auf dem Arbeitsmarkt abzubauen? Welche Rolle könnte eine konsequente Umsetzung des Antidiskriminierungsgesetzes dabei spielen, welche Handlungsräume wurden hierbei von der Politik noch nicht genutzt?

Oder die Forderung nach „mehr Miteinander“: Wie kann die Politik in Zeiten strikter Sparprogramme die Rolle des Schrittmachers übernehmen? Wie kann das zivilgesellschaftliche Zusammenwachsen gefördert werden, wenn parallel die Handlungsmöglichkeiten öffentlicher Einrichtungen abgebaut und immer mehr Aufgaben auf private (und damit oft wirtschaftlich orientierte) Akteure übertragen werden?

Jetzt nämlich, wenn die „Integrations“debatten weit über die Integrationsdebatte hinausgehen, wird es erst spannend: Wenn die allgemeinen Forderungen nach Anerkennung, Teilhabe und Chancengleichheit in konkrete politische Konzepte und Maßnahmen gegossen werden (müssen). Hier stellt sich die Frage, was zentrale Handlungsfelder und gesellschaftliche Instanzen sind, an denen sich entscheidet, ob sich die gewünschte plurale Gesellschaft realisieren lässt. Welche Akteure tragen welche Verantwortung? Wo werden wie viele Ressourcen investiert? Woher sollen diese Ressourcen kommen? Und immer schwingt die Frage mit, welche Rolle hierbei Politik, Mehrheits- oder Minderheitsgesellschaften spielen sollen.

Alle diese Fragen werden von den Parteien – orientiert an ihren Programmen, nicht einzelnen Persönlichkeiten, die uns sympathisch oder gruselig erscheinen – unterschiedlich beantwortet. Diese Antworten sollten der ausschlaggebende Grund dafür sein, die eine oder andere Partei zu wählen. Wie viele MHs eine Partei auffahren kann oder allgemeine integrationspolitische Forderungen sind zunächst zweitrangig. Denn allein der Migrationshintergrund garantiert keine bessere Politik – und warme Worte machen nicht satt.

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  1. Zerrin Konyalioglu sagt:

    Welche Partei sollten sie wählen? Diese Frage stellt sich für viele Einwanderer erst gar nicht, leider.

  2. Die_Emotionale sagt:

    Das Wahlrecht ist eines der Hoheitsrechte der BRD verehrte Frau Zerrin Konyalioglu . Nur wer Deutscher Staatsbürger ist und nicht nur Rechte sondern auch Pflichten übernehmen will, hat mitzuwählen, wie die Politik eines Landes – auch Deutschlands – verwirklic ht wird. Ein Ausländer, und das sind Menschen, die es vorziehen, ihre ursprüngliche Nationalität zu behalten, darf sich – zu Recht – nicht in die Deutsche Politik einmischen, ganz egal wie lange oder kurz und warum er sich in der BRD aufhält.

  3. Die_Emotionale sagt:

    Nachtrag

    Es ist selbstverständlich, dass ein Migrant, welcherr die Deutsche Staatsbürgerschaft hat, das wählt, was ihm von den Parteiinhalten am nächsten kommt.

    Meiner Meinung sollte er aber auch berücksichtigen, ob diese partei eine Chance zum Mitregieren hat. Wenn er eine Stimme für eine kleine oder Splitterpartei abgibt muss ihm klar sein, dass er seine Stimme „verschenkt “ hat.

  4. Albrecht Hauptmann sagt:

    @Optimist

    „Sie waren und sind es, die sich im Bundestag am Stärksten für uns einsetzen.“

    Wir UND Ihr, gelle? WER grenzt sich denn aus?

  5. Yasemin sagt:

    @ albrecht

    was ist denn das bitte fuer eine logik? die schlecker mitarbeiter grenzen sich doch auch nicht aus, wenn sie w i r sagen. genausowenig die bayern, die csu oder borussia dortmund. so’n quatsch aber auch.

  6. gedanke sagt:

    Wie wäre es wenn alle Wahlberechtigten die NPD wählen,damit kommen wir allen Deutschen -Gute Reise- wünschern entgegen.Vielleicht ist es der Ansporn für alle ihre Zelte abzubrechen,den gewiss werden wieder Ausländer gebraucht für den folgenden Wiedraufbau…..

  7. AI sagt:

    Wie wäre es, wenn wir den Morgenthau-Plan umsetzen???

  8. Aaron sagt:

    @ gedanke, der wiederaufbau deutschlands nach dem 2. wk wurde von den trümmerfrauen geleistet, als die gastarbeiter kamen war die wirtschschaft längst wieder am laufen.

    Warum braucht es einen „wiederaufbau“ wenn einige ausländer wieder in ihre heimat gehen?