Diskriminierung wegen Namen

Mandys Leid

Ronny ist dümmer als Maximilian, Mandy ist im Aufsatz prinzipiell schlechter als Katharina. Neuen Studien zufolge ist auch die Integration innerdeutscher Migranten nicht immer leicht: Schüler mit echten oder vermeintlichen Ossi-Vornamen werden häufig diskriminiert.

Von Kühnel/Richter Montag, 27.02.2012, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 02.03.2012, 8:46 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Mandy hat ein schweres Schicksal. Sie kann ihren Namen nicht leiden, am liebsten würde sie sich umbenennen. Ihren Eltern macht sie schwere Vorwürfe. Wie konnten sie nur? Immer wieder wird sie mit stereotypen Assoziationen konfrontiert: Platinblond, Dummchen, Ossi. Unsere Mandy hat Glück gehabt: Es gibt sie nicht. Doch Klagen wie ihre hört man immer wieder. Von Mandys, von Ricos, von Cindys, von Justins…

Vorurteile gegen Namen mit fremdsprachigem, zumeist angelsächsischem Ursprung sind häufig in Westdeutschland. Verschrien sind sie als „Ossi-Namen“. Was die Betroffenen schon lange subjektiv erlebt haben, steht neuerdings erstmals auch im Fokus objektiver Studien.

___STEADY_PAYWALL___

Die Oldenburger Erziehungswissenschaftlerin und Professorin Astrid Kaiser hat sich als erste näher mit der Frage befasst. Sie hat bereits mehrere umfangreiche Abschlussarbeiten zum Thema „Diskriminierung wegen Vornamen“ betreut. Das Fazit der verschiedenen Studien ist eindeutig: Kinder mit Ossi-Vornamen haben schlechtere Chancen, egal ob es um Noten oder den Übertritt ins Gymnasium geht. Kaiser erklärt dies anhand eines Beispiels aus der Bachelorarbeit einer Frankfurter Studentin. „Die Studentin der Bachelor-Arbeit hat eine fiktive Mandy und eine fiktive Katharina zwei identische Aufsätze schreiben lassen. Bei der anschließenden Korrektur durch Lehrer hat Mandy immer eine viel schlechtere Note bekommen, als Katharina – und zwar wegen ihrem ostdeutschen Vornamen.“ Diese Schlussfolgerung wurde im Ausschlussverfahren getroffen, da die Lehrer weder Alter noch Herkunft oder soziale Schichtzugehörigkeit von Mandy und Katharina kannten. Namen haben also einen stärkeren Einfluss auf die Bildungsbiographie als bisher angenommen.

Kevinismus und Chantalismus
Die Studien fanden auch heraus, warum ostdeutsche Vornamen mit negativen Persönlichkeitsmerkmalen verknüpft werden. Dies lässt sich anhand einer Kettenreaktion erklären. Wer Vorurteile gegenüber Ossi-Namen hat, wertet diese negativer. Solche Voreinstellungen sind oft unbewusst verwurzelt. Ob bewusste oder unbewusste Vorurteile, eine Bewertung von Schülern kann dann nicht mehr neutral erfolgen. Das Urteilsvermögen ist eingeschränkt. Natürlich muss eine Stereotypisierung noch nicht zur unmittelbaren Diskriminierung führen. Wenn die Ossi-Namen aber zusätzlich als Indikator für die soziale Schichtzugehörigkeit gesehen werden, ist der Schritt zur Diskriminierung nicht mehr weit.

„Meist sind es englisch klingende Namen“, erklärt Kaiser, „wobei Namen nach Tradition und kulturellem Trend vergeben werden. In der ehemaligen DDR waren englische Namen, auch wegen Stars, sehr beliebt. Dies hatte eine fatale Folge für Ost-Kinder, da im Westen diese englischen Namen mit der Unterschicht kollidieren.“

Medial aufbereitet wurde diese Thematik in letzter Zeit oft unter dem Schlagwort „Kevinismus“ oder auch „Chantalismus“. Kaiser glaubt, dass verstärkte Aufmerksamkeit hilft, die Diskriminierung zu stoppen: „Die Bezirksregierung Mittelfranken etwa hat auf dieses Problem reagiert. Dort werden spezielle Kurse zum Thema ‚vorurteilsbewusste Erziehung‘ angeboten.“

Die zehn unbeliebtesten Vornamen
In Kürze wird die Masterarbeit von Julia Kube veröffentlicht, sie wurde ebenfalls von der Professorin betreut. Kube geht gezielt auf die Einstellungen von Grundschullehrern gegenüber Ossi-Vornamen ein und kommt zu dem Ergebnis, das eine Chancenungleichheit im Bildungssystem besteht. Kube belegt dies mit den Antworten aus ihrem Online-Fragebogen. Die Befragung der Grundschullehrer aus ganz Deutschland erfolgte anonym. Eine Frage war zum Beispiel: „Welche Vornamen werden mit ‚Verhaltensauffälligkeit’ assoziiert?“ Die Studentin stellte dabei zwei Hauptvermutungen auf. Zum einen, dass Lehrer Vornamen von Grundschülern mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen verbinden, und zum anderen, dass Lehrer einen extra Namenspool für Kinder mit besonders auffälligem Verhalten nennen.

Tipp: Weiterführender Link zu Verbreitungsgebieten einzelner Vornamen: Datenbank Vornamen

Julia Kubes Ranking der zehn unbeliebtesten Vornamen basiert auf den Auswertungen der Antworten von fast 2000 Lehrern. Die Hitliste führt ganz klar Kevin an. Weder Jacqueline, Chantal noch Justin können dies toppen. Im Mittelfeld der Unbeliebtheit befinden sich Justin, Marvin und Mandy. Etwas weniger katastrophal sind dagegen die Namen Dennis, Michelle und Pascal. Fast noch Glück gehabt hat Marcel. Sein Name landete auf Platz zehn.

„Aus den Studien ergeben sich viele neue Fragen, die beantwortet und erforscht werden müssen“, sagt Kaiser. Zum Beispiel, ob Vornamen einer bestimmten Schicht zugeordnet werden können. Natürlich hätten aber nicht nur Grundschullehrer Vorurteile. „Die Mauer in den Köpfen ist stabiler als die Mauer von Ulbricht“. Gesellschaft Leitartikel Videos

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. Ronny sagt:

    Es ist wahr, oft sagt der Name etwas über die Bildung aus! Der Grund dafür ist sehr einfach: Eltern aus der Unterschicht haben oft Komplexe, bzw. möchten sich interessand machen! Das unterordnen von Bildung, Abschülsse und Beruf wird z.B. mit einen „interessanten“ Namen der Kinder kompensiert! Eine ähnliche Studie besagt auch, je geringer das Einkommen, um so mehr Tattoos hat man! Auch hier möchte man sich interessant machen und sich besser fühlen.
    Da die Sache mit den Namen allerdings immer offensichtlicher wird, werden Eltern aus Unterschichten die gewöhnlichen Deutschen Namen bald bevorzugen, dann dreht sich die ganze Sache um! In 10 bis 20 Jahren werden die die heute lachen sehr traurig sein! Dann bedeutet aufeinmal ihr Name nichts gutes mehr.

  2. Die Sache ist ganz einfach … der Mensch muss seinen Faschismus verlieren … dann muss auch nicht mehr eine solch‘ absurde Diskussion über Namen geführt werden … bis dahin ist es jedoch wichtig auf die Mechanismen der Aufrechterhaltung und Perpetuierung sozialer Ungleichheit aufmerksam zu werden und aufmerksam zu machen …

    Josef Özcan (Diplom Psychologe)
    http://www.mig-gesundheit.com
    http://www.koelnerappell.de

  3. Mandy sagt:

    Ich liebe meinen Namen und von so etwas habe ich noch nie gehört. Trotz meines Namens bin ich Pädagogin geworden 😉