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Guntram Schneider

„Ihr seid willkommen, ihr gehört zu uns.“

Das nordrhein-westfälische Integrationsgesetz kommt. MiGAZIN dokumentiert die Rede des Integrationsministers Guntram Schneider (SPD) anlässlich der Einbringung des Gesetzentwurfs im Plenum des Landtags am 20. Oktober 2011:

Montag, 24.10.2011, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 25.10.2011, 23:38 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

1. Zur Genese des Integrationsgesetzes
Am 19. Juni 2011 jährte sich die Integrationsoffensive des nordrhein-westfälischen Landtags zum 10. Mal. Die damals von allen im Landtag vertretenen Fraktionen getragene Integrationsoffensive ist ein Dokument der politischen Ehrlichkeit und des nüchternen Realismus. Sie anerkennt ohne Umschweife und semantische Verbiegungen, dass Nordrhein-Westfalen sich zu einem Einwanderungsland entwickelt hat.

Sie ist gleichzeitig sichtbarer Ausdruck eines parteiübergreifenden Konsenses in der Integrationspolitik. Ohne diesen Konsens hätte Nordrhein-Westfalen seine immer wieder unter Beweis gestellte bundesweite Vorreiterrolle nicht übernehmen können.

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Keine Landesregierung beginnt ihre Integrationspolitik beim Punkt Null – jede Landesregierung baut auf den Leistungen der Vorgängerregierungen auf. So richtig 2005 die Entscheidung war, ein Integrationsministerium zu schaffen, so richtig ist es jetzt, Nordrhein-Westfalen zum 1. Flächenland zu machen, dass seine Integrationspolitik auf eine verbindliche gesetzliche Grundlage stellt.

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Download: Eine 40-Seitige Präsentation der vergangenen 50 Jahre mit Fotos und Multimedialen Inhalten aus dem einzigartigen DOMID-Archiv kann kostenlos unter www.mais.nrw.de heruntegeladen werden (PDF, 14 MB).

Das ist weit über die Landesgrenzen hinaus von Bedeutung. Mit unserem Gesetz setzen wir eine Forderung der sog. Süßmuth-Kommission aus dem Jahr 2001 um. Damals forderte Frau Professor Süßmuth die Schaffung von „untereinander abgestimmten Integrationsgesetzen des Bundes und der Länder.“

Der Bund hat mit seinem Aufenthaltsgesetz von 2005 im Wesentlichen die Erstintegration gesetzlich geregelt. Seither konnten bereits über 700.000 Menschen von Sprach- und Integrationskursen profitieren. Nordrhein-Westfalen legt nun mit seinem Gesetz den Schwerpunkt auf die nachholende und nachhaltige Integration.

Zusammen genommen entsteht so Schritt für Schritt eine aufeinander abgestimmte gesamtstaatliche Integrationspolitik. Wer hätte das vor 10 oder 20 Jahren für möglich gehalten?

2. Integrationsgesetz stärkt die Kommunen
Ein zentrales Element des Gesetzes ist die Stärkung der Integrationskraft der Kommunen. Das war der Landesregierung besonders wichtig. Integration findet vor Ort statt. Sie kann nur in enger Kooperation mit den Kommunen gelingen.

Ich habe mir bei meiner Integrationstour ein Bild davon machen können, dass es überall im Land engagierte Menschen und Organisationen gibt. Aber ich habe auch den Eindruck gewonnen, dass deren Arbeit noch zu wenig systematisch koordiniert wird. Das wollen wir verbessern.

Die Landesregierung will deshalb die erfolgreichen Ansätze KOMM-IN (Innovation in der kommunalen Integra-tionsarbeit) und RAA (Regionale Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien) zusammenführen und zu Kommunalen Integrationszentren – kurz KIZ weiterentwickeln. Und zwar nicht nur in den 27 Kommunen mit RAAs, sondern in allen 54 Kreisen und kreisfreien Städten in Nordrhein-Westfalen.

Dies sichert landesweit eine passgenaue Ausrichtung der Integrationsarbeit vor Ort. Integration muss vor Ort gesteuert und koordiniert werden, damit die Effektivität steigt! Dafür stellt mein Haus 7,4 Mio. € zur Verfügung. Hinzu kommen etwa 2,5 Mio. € aus dem Etat des Ministeriums für Schule und Weiterbildung.

Das ist in Zeiten knapper Kassen ein wirklich substantieller Beitrag des Landes zur Verbesserung der Integrationsarbeit vor Ort und zur Stärkung der Kommunen. Zudem erhalten die Kommunen künftig Integrationspauschalen, die ihnen mehr Flexibilität bei der Aufnahme und Betreuung neuer Zuwanderer ermöglichen. Die Neuregelung bei den Pauschalen soll zu weniger Bürokratie und zu mehr Unterstützung der Kommunen führen – wir haben dafür zusätzliche Mittel in Höhe von 1,8 Mio. € vorgesehen.

3. Integrationsgesetz stärkt die Zivilgesellschaft
Integration ist mehr als eine staatliche Aufgabe. Der Staat ist ein wichtiger Akteur, aber er ist nicht der einzige. Integration ist eine Aufgabe für die Bürgergesellschaft als Ganzes. Auch hier bringt das Gesetz Verbesserungen. Es ist ausdrücklich ein Gesetz für mehr Teilhabe.

Wir erhöhen die Förderung von Integrationsmaßnahmen zivilgesellschaftlicher Akteure um 2,3 Mio. €. Wir stärken die bewährten Integrationsagenturen in Trägerschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege. Und wir stärken die Organisationen der Menschen mit Migrationshintergrund. Ihre Zahl wächst. Sie haben sich „emanzipiert“. Wir brauchen ihre Kompetenzen. Auch sie sind gefordert.

In den Selbstorganisationen der Migranten/innen, im Elternetzwerk, in den Moscheegemeinden und Kulturzentren, in den Integrationsräten und Integrationsausschüssen – um nur einige Organisationen zu nennen – werden von Migrantinnen und Migranten erhebliche Integrationsleistungen erbracht. Von diesem im besten Sinne bürgerschaftlichen Engagement profitieren wir alle.

Erwähnen möchte ich auch, dass im Teilhabe- und Integrationsgesetz eine Erhöhung der Mittel für den strukturell unterfinanzierten Landesintegrationsrat vorgesehen ist. Das ist bitter notwendig, denn seit 1997 ist der Förderbetrag nicht angehoben worden, obwohl sich das Aufgabenspektrum und die Personal- und Sachkosten deutlich erhöht haben.

4. Weitere Aspekte des Integrationsgesetzes
Das Gesetz ist ein sog. Artikelgesetz. Es sorgt dafür, dass im Schulgesetz, im Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes, im Kinder- und Jugendförderungsgesetz bis hin zum Kurortegesetz der Realität der Einwanderung Rechnung getragen wird.

Das Gesetz sieht eine gleichberechtigte Teilhabe und angemessene Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund in den Gremien des Landes vor. Das Gesetz schreibt die interkulturelle Öffnung der Landesverwaltung fest. Wir brauchen mehr Menschen mit Migrationshintergrund im Öffentlichen Dienst. Und wir brauchen mehr Beschäftigte mit interkulturellen Kompetenzen. So erhöhen wir auch die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung.

5. Schlussbemerkungen
Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat bei ihrer Regierungserklärung zu Beginn der Legislaturperiode das Teilhabe- und Integrationsgesetz als einen zentralen Teil ihrer „Politik der Einladung“ bezeichnet. Das ist seinerzeit von der Opposition positiv aufgenommen worden.

Ich habe im Vorfeld mit allen Fraktionen im Landtag gesprochen und bin dort auf große Offenheit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit gestoßen. Die umfangreiche Verbändeanhörung, die wir vom 22. Juli bis 2. September 2011 durchgeführt haben, hat eine breite Zustimmung zum Gesetzentwurf erbracht.

Änderungswünsche der Verbände, die einzelne Punkte betrafen, haben wir – soweit es möglich und zielführend war -berücksichtigt und den Gesetzentwurf entsprechend angepasst.

Das Teilhabe- und Integrationsgesetz wird nicht alle Probleme lösen. Aber es wird unser Land voran bringen. Es ist die Willkommensstruktur, die wir für die überfällige Willkommenskultur benötigen.

Die Landesregierung weiß um die erheblichen Verdienste, die sich der nordrhein-westfälische Landtag in den letzten Wahlperioden für die Verbesserung der Integrationspolitik erworben hat. Ich bin davon überzeugt, dass das Teilhabe- und Integrationsgesetz eine breite parlamentarische Zustimmung finden wird.

Das Gesetz ist schließlich auch ein Signal an die 4,2 Mill. Menschen mit Migrationshintergrund in unserem Land. Es signalisiert: Ihr seid willkommen, ihr gehört zu uns. Es geht um unser gemeinsames Land Nordrhein-Westfalen. Aktuell Politik

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  1. Pepe sagt:

    Ich habe die Gelegenheit gehabt, in mehreren Bundesländern leben zu können. Es gibt kaum ein rassistischeres Bundesland in Deutschland als NRW.

  2. Naja sagt:

    Pepe, ich würde als Deutscher auch nicht in Duisburg-Marxloh wohnen wollen. Oder was meinen Sie konkret?

  3. Pepe sagt:

    @Naja:

    Die sogennante Deutschenfeindlichkeit, welche bestimmten (wenn nicht gleich *allen*)Migrantengruppen unterstellt wird, ist eine unmittelbare Folge der jahrelangen Ausgrenzung, Stigmatisierung und Diskriminierung, denen sich die Migranten ausgesetzt sahen. NRW empfang eine große Anzahl an Gastarbeitern aus dem orientalischen Raum. Diese haben sich bis heute nicht richtig integriert, und weisen häufig niedrigere Bildungsraten auf, was wiederum zu kriminellem Verhalten führen mag.

    Selbiges ist aber nicht in Bundesländern wie Baden-Würrtemberg passiert. Warum wohl? Die Migranten hier in BW wurden mit einer offenen und akzeptanzvollen Gesellschaft kontrontiert, in der sie die Möglichkeit hatten, aufzusteigen. NRW ist mitnichten tolerant, und ich sage das Ihnen als jemand, welcher aus einem nicht muslimischen Kulturkreis stammt, aber wegen seines Aussehens und seines Akzents mehrfach ausgegrenzt, wenn nicht diskriminiert, wurde.

    Ich persönlich behalte keine schönen Erinnerungen aus meinem Aufenhalt in NRW und kann mir nicht vorstellen, wie jemand es wagt, dort zu leben. Mein volles Verständnis gilt denen, die sich mit Leuten aus ihren Heimatländern zusammentun und mit ihnen „paralelle“ Gesellschaften bilden, wo keiner keinen diskriminiert, weil alle eine Art „Insel für Verfolgte“ bilden, einen Ort, in dem sich jeder wohlfühlen darf.