Ali Konkret
Liberal-Konservativ-Plakativ: Muslime à la Carte
Der Ramadan hätte so entspannt beginnen können, wenn uns nicht der deutsche Blätterwald mit Lamya Kaddor vom „Liberal-Islamischen-Bund“ mal wieder eine neue Folge aus der ewig langen Reihe „Liberaler Muslim, Konservativer Muslim“ gebracht hätte.
Von Ali Baş Mittwoch, 24.08.2011, 8:27 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 17.04.2016, 23:02 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Reaktionen darauf reichten von erhitzten Blogger-Beiträgen bis hin zum publizistischen Einlauf in der „Islamischen Zeitung“ und der „FAZ“. Sie zeigten, dass gerade aus der muslimischen Community die wenigsten bereit sind, diese politische Denkschablone auf sich zu übertragen.
Als mich im letzten Jahr ein Journalist vom Deutschlandradio in einem Gespräch über „Politik und Religion“ zum Schluss mit dem Label „liberaler Muslim“ bekleben wollte, bat ich ihn höflich in aller Bescheidenheit mich lediglich als „Muslim“ zu sehen. Der Journalist war etwas irritiert, hatte ich zuvor als aktiver Grüner mit ihm noch über das Verhältnis von säkularem Staat und Religion geplaudert, über Nachhaltigkeit, Atomausstieg und Menschenrechte.
Ich erklärte ihm einfach, dass ich in meinen Glauben nicht durch politische Kampfbegriffe wie „liberal“ oder „konservativ“ bewertet haben möchte, unter denen nicht selten die Wertungen „gut“ und „böse“ verstanden werden, aber oft auch „nicht praktizierend“ und „praktizierend“.
Aber wie sieht denn die Wahrnehmung von „liberal“ und „konservativ“ in der Praxis aus? Wenn Leute hören, dass ich bete und faste, bekomme ich nicht selten Kommentare wie „Das sieht man dir aber nicht, dass du so „streng“ gläubig bist.“ oder „Bist du jetzt Fundi geworden?“ zu hören.
Ich denke mir oft, wenn ich schon durch das Ausüben ganz normaler Bestandteile des Glaubens als „Fundi“ durchgehe, wo wären dann so extrovertierte Persönlichkeiten wie Pierre Vogel einzuordnen?
Und: Muss man es immer einem sofort ansehen, dass man sich etwas um seinen Glauben kümmert? Braucht die Gesellschaft lange Bärte und schwarze Burkas, um das sofort identifizieren zu können? Fühlt sie sich dadurch sicherer?
Im Grunde genommen ist das der eigentliche Kern der Debatte in der Diskussion um Muslime hierzulande und in Europa: die Sichtbarkeit von Religiosität in zunehmend areligiös werdenden westlichen Gesellschaften.
Der Zank um das Kopftuch mit seinen rechtlichen Auswirkungen (Burkaverbote wo keine Burkas sind, Kopftuchverbot im Öffentlichen Dienst), umstrittene Moscheebauten oder die Debatte um rituelles Schlachten zeigen das ganz deutlich.
Es geht dabei weniger um liberale Interpretationen des Korans, um historisch-kritische Methoden (die im Übrigen auch bei der oft als „konservativ“ abgestempelten islamischen Organisation „DITIB“ breit diskutiert werden) oder darum, ob die Existenz von 5-Sterne-Kühlschränken den Genuss von Schweinefleisch rechtfertigen könnte.
Das interessiert große Teile der nicht-muslimischen Mehrheitsgesellschaft herzlich wenig.
Die Diskussion um „liberal“ und „konservativ“ ist deshalb vor allem eine politische, die bei den Entscheidungsträgern in den Parlamenten und einigen Medien großen Anklang findet und dabei genau die Begriffe benutzt, die benötigt werden, um wichtige Weichenstellungen für so banale Dinge wie Islamischen Religionsunterricht oder die rechtliche Anerkennung des Islams in unserem Land zu initiieren bzw. zu bremsen.
Wie sich die Politik aus dieser Diskussion dann ihre Gremien bastelt, zeigt das Beispiel des „Beraterkreises zur Integration von Muslimen“ des niedersächsischen Innenministeriums, der 2008 initiiert wurde und sich teilweise wie das „Who is Who“ der Islamkritik liest, gekräuselte Nackenhaare inklusive.
Auch die „Deutsche Islamkonferenz“ ist so ein politisches und steuerfinanziertes Kaffeekränzchen, allerdings bisher noch immer nicht ganz überzeugend durch ihre Zielsetzung (Sicherheitspolitik vs. Integration vs. Anerkennung) ihres Schirmherrn, Bundesinnenminister „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ – Friedrich. Ende offen.
Große Teile der Gesellschaft wünschen sich aber etwas anderes, und zwar den unsichtbaren Muslim à la Carte, der einmal im Jahr zum Zuckerfest in die Moschee ohne Minarett geht, Kopftücher ins Museum hängt, sich zwischendurch mal ein Bier zischt, im Ramadan die Rollos runtermacht und sich ganz im Necla-Kelek-Style durch den Genuss einer Bratwurst von seinen angeblich inneren Zwängen befreit.
Der sehr pluralen Lebens- und Glaubenswirklichkeit von über 3,5 Millionen Menschen muslimischen Glaubens in Deutschland, von denen sich nur die wenigsten ein politisches Label an den Kopf tackern lassen wollen, entspricht diese Debatte wohl kaum, wohl aber dem Aufmerksamkeitsbedürfnis ihrer Stichwortgeber, die übrigens so austauschbar wie Kissenbezüge von Ikea sind. Aktuell Meinung
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mehr muss dazu nicht gesagt werden. sehr treffend!
Ich habe auch mal gehört, dass manche nicht-Muslime Muslime die fasten oder kein Schweinefleisch essen gleich als „strenggläubig“ betiteln. Auf der anderen Seite kenne ich Muslime, die fünf mal am Tag beten und in muslimischen Netzwerken aktiv sind, die sich selbst als „liberal“ bezeichnen. Soviel zur Sinnigkeit dieser Begriffe.
Hinzu kommt noch die Verwirrung, das traditionell und modernistisch in der Geschichte des Islams etwas ganz anderes heißt als im Christentum. So sind z.B. die ideologischen Vorreiter von Taliban (Deoband Schule) und al-Qaida (Salafismus) aus modernistischen Strömungen entstanden, während die meisten friedliebenden integrierten Muslime den traditionalistischen Strömungen angehören. Wobei ich dieses Statement jetzt nicht islamwissenschaftlich abgesichert habe (ist auch nicht mein Fach).
Und es geht weiter…Runde 3 der lustigen islamischen Labels
progressiver, moderater, gemassigter, sakularer, liberaler, konservativer, orthodoxer , traditioneller, fundamentalistischer Muslim…koennen wir uns nicht einfach darauf einigen dass diese Titulierungen wirklich relativ sind und von jedem individuell unterschiedlich definiert werden.
Menschen sind komplex und damit auch die Anhanger einer Religion und ihre Ansichten. Man kann sie nicht so einfach klassifizieren und in Schubladen stecken. Die muslimische Gemeinde war seit dem Tag 1 ihrer Entstehung gedanklich plural und das is auch gut so. Gedankliche Vielfalt ist eine Barmherzigkeit und kein Nachteil, und Muslime sollten das auch nicht als Nachteil sehen. In der Tradition der Rechtsschulen sieht man es am deutlichsten, dieser grosse gegenseitige Respekt vor verschiedenen Interpretation und Meinungen und Resultaten, da koennen wir uns eine Scheibe davon abschneiden. Einfach wunderbar!
Trotzdem gibt es deswegen noch keine Kakophonie von chaotischen Stimmen im Islam. Es gibt auch einen Kern, einen normativen Islam, der zumindest bei den Glaubensinhalten und dem grossten Teil der Praktiken eine sehr grosse Einheit hervorbringt
Dieses radikale Einheitsgehabe und dieser Wunsch nach kompletten Essenzialisierungen ist ein negatives Produkt der Moderne (um nicht missverstanden zu werden die Moderne hat naturlich auch viel positives hervorgebracht). Der Wunsch nach einer radikalen Essenz in allen Bereichen wird auch oft von den Salafiten (grosstenteils Wahhabiten) promotet. Das is auch ein Produkt der Moderne. Da sind sich auch Muslime grosstenteils einig das sowas furs 21. Jahrhundert und unsere heterogenen Gesellschaften nicht sehr dienlich ist.
Aber es hort auf wenn man solche Labels als synonym fur gut und bose benutzt und politisiert. Da hat der Autor schon Recht.
Die Diskussion, die von jeglicher Subtanz ist geht weiter. Und die Akteure wie Lamya Kaddor (Prototyp einer liberalen und „weitsichtigen“ Frau) versuchen sich wieder zu profilieren, indem sie die ihnen vorhandenen politischen Instrumente dazu verwenden, die gläubigen und praktizierenden Muslime in eine weniger offene, sondern in eine schmale und enge Schublade zu stecken. Mag sicherlich eine gewisse Attraktivität für jene haben, die der jungen „konservativen“ sehr gespalten und bisweilen eher misstrauisch gegenüber stehen.
Dabei vergessen viele, die sich ermächtigt fühlen, den Islam bzw. die Gläubigen in Kategorien wie „liberal“ und „konservativ“ einstufen, dass die islamische Religion sich nicht in den Mainstream- Schubladen der hiesigen Bevölkerung stecken lässt.
Beispielweise unterscheidet sich die „Anbetung“ im Islam von jeder anderen Religion. Sie beschränkt sich nicht auf rein fromme Praktiken, zum Beispiel auf das Gebet oder das Fasten, sie äußert sich ebenso in dem gesamten praktischen Leben des Menschen. Die ach so „Konservativen“ Muslime (ich spreche eher von konsequenten Muslimen) sehen als das Ziel ihres Lebens als Ganzes, dass sie freiwillig und in völliger Übereinstimmung die Anbetung Gottes ist. Daher kann man meiner Ansicht nach das Leben in seiner Gesamtheit als einen Komplex der moralischen Verantwortung betrachten.
Des Weiteren bleibt die Anbetung Gottes in allen vielfältigen Handlungen des menschlichen Lebens unmöglich, wenn man das Leben in zwei Bestandteile eingliedert: Das Geistige und das Materielle. Beide müssen in unserem Bewusstsein und unserer Handlung harmonisch miteinander verbunden werden. Daher verbinden die KONSEQUENTEN Muslime ihr Leben wie selbstständlich die religiöse praktischen Riten in ihren Alltag. Daher kann ich dem Autor in dem Punkt zustimmen, dass es eine gehörige Portion von Selbstironie andeutet, wenn „normale“ islamisch- religiöse Riten wie das tägliche Gebet als Vorstufe zum „extreme angehauchte Lebenspraxis“ angesehen werden. Der Islam lässt sich nicht in die genannten Schubladen stecken, von daher waren en die journalistischen Beiträge von der Islamischen Zeitung und der FAZ (Patrick Bahners) ein deutliches Statement an den „lebendigen Islam“. Auch wenn einige die Religion und deren Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit einer Verbannung ausgesetzt sehen mögen. .. Dann ist dann eher das Problem derjenigen, die bei religiöser Sichtbarkeit das Steigen des Bluthochdrucks spüren. Es ist nicht das Problem der meisten hier lebenden Muslime.
Shirley,
ich habe zwei interessante inhaltliche Punkte vorgebracht, über die ich gern diskutieren möchte, damit die Sache substanziell wird. Der eine Punkt bezieht sich auf Saphir und steht in meinem Wochenrückblicks-Artikel, der andere bezieht sich auf die Frage der Höllenstrafe und steht dort unter den Kommentaren. Wie wär’s und wir unterhalten uns über diese beiden Themen?
Wenn ein Muslim oder ein islamischer Verband sagt, der Islam ist DIES, dann darf er das natürlich, auch öffentlich, auch in Verhandlungen mit einer Regierung, wenn es um den Inhalt von Religionsunterricht geht. Aber auch Muslime, die sagen, für uns ist Islam DAS (und etwas in einigen Hinsichten anderes), dann dürfen sie das auch. Es gibt keinen islamischen Papst, keine islamische Kirche mit hierarchischem Diktat von oben nach unten.
Für mich ist ein konsequenter Muslim nicht das, was es für Sie ist. Ich schreibe Ihnen nicht vor, was ein konsequenter Muslim ist, und Sie schreiben bitte nicht anderen vor, was ein konsequener Muslim ist, und wenn Sie es doch tun, sage ich Ihnen, dass Sie unverschämt sind und hoffe, dass der Staat sich auf solche Unverschämtheiten nicht einlässt, sondern das Prinzip der Religionsfreiheit und der Gleichberechtigung der Religionen und der Pluralität unter ihnen konsequent umsetzt. Wir sind hier in Deutschland, und die einen Muslime haben nicht für die anderen Muslime zu definieren, was Islam ist. Sie können sagen: Für UNS ist Islam dies oder das. Sie können aber nicht sagen: Islam ist für ALLE dies oder das – wenn es offensichtlich nicht der Fall ist.
Sie möchten gern KONSEQUENT Muslim sein – ein legitimer, ein verständlicher Wunsch. Als religiös-liberaler Mensch ist mir aber so eine Konsequenz von Grund auf unangenehm und verdächtig. Sie schließt mehr aus, als dass sie einschließt. Das gefällt mir nicht. Auch religiös nicht. Denn die Menschen müssen alle ihren eigenen Weg zu Gott finden, da kann ihnen eine Religionsgemeinschaft heute, in unserer individualisierten Welt, nur mehr bedingt helfen. Und glauben Sie denn, ich lass mir von den „konsequenten Christen“ vorschreiben, wie ich Christentum und Religion zu verstehen und zu leben habe? Wir leben im Deutschland des Jahres 2011, es ist lächerlich, da so zu tun, als lebten wir noch im Deutschland des Jahres 1950. Oder 1850.
Wie gesagt, ich will Sie auf IHREM Weg nicht aufhalten. Sie wählen ihn, und das ist in Ordnung. Aber wenn andere einen anderen Weg wählen, dann seien Sie vorsichtig mit Einwänden von der Art, dass das kein legitimer Weg sei oder sein könne, weil er – aus Ihrer Sicht – nicht konsequent sei.
Muslime können in Deutschland sich überhaupt nur integrieren, WEIL wir ein pluralistisches Land sind. Wenn sie den bei uns üblichen Pluralismus in ihren eigenen Reihen zu verhindern versuchen, laden sie die ohnehin recht islam-skeptische Bevölkerung dazu ein festzustellen: Die sind ja selber gegen den Pluralismus! Gegen die Vielfalt! Wieso sollen sie in Anspruch nehmen können, was sie für ihre eigenen Reihen ablehnen?
Dieses Argument der Islamgegner ist nicht schlüssig – keine Organisation MUSS pluralistisch sein oder für den Pluralismus eintreten, um ein Recht auf Existenz in Deutschland zu haben. Das gehört auch zum Pluralismus, dass man gegen ihn sein darf oder dass man ihn für seinen Bereich begrenzen darf (manchmal auch muss). Aber auf der politischen Ebene liefert man den Fanatikern der reinen deutschen Kultur einen Vorwand für eine Agenda, die letztlich auf eine ethnische Säuberung Deutschlands hinauslaufen könnte.
Ali Bas,
es hat schon auch einen politischen Aspekt, was als religiöser Inhalt im Rahmen eines islamischen Religionsunterrichts an staatlichen Schulen gelehrt werden wird und was nicht.
Nicht ich bin es, der zu bestimmen hat, was diese Inhalte sein sollen oder sein werden. Es ist in der Hand der Religionsgemeinschaften, auch in Falle NRW bei der dort gewählten institutionellen Form eines Umwegs.
Also, Leute, schreibt euer Currikulum – aber ich werde es mir genau anschauen.
Wie ist das Verhältnis von Religion und Staat dargestellt?
Wie spricht man über die Menschen, die anderen Glaubens sind? – Etc.
Jetzt muss man Farbe bekennen.
Wie das ausfällt, davon hängt ab, ob und in welchem Maße ich als Nichtmuslim bereit sein kann, Muslime in Deutschland zu unterstützen. Deutschland ist ein Land, in dem die Menschen Individualisten sind, auch in Bezug auf Religion. Können die Religionsverbände und die „konsequenten“ Muslime damit leben? Glauben die Religionsverbände, ihre Kinder und Kindeskinder werden sich dieser Individualisierung auch in Fragen der Religion entziehen können und entziehen wollen?
Als interessierter Außenstehender beobachte ich neugierig die Unterschiede unter den Muslimen. Und ich benenne sie. Und frage mich ständig neu, was für politische Konsequenzen darin liegen. Ich habe immer wieder festgestellt, dass Muslime die Unterschiede untereinander nicht gern benennen, auch nicht gerne wahrnehmen, und es nur im äußersten Notfall zu tun bereit sind – etwa, wenn es darum geht, sich von Salafisten oder gar Terroristen abzugrenzen.
Unterschiede sind gut. Vielfalt ist ein Segen. Grade auch in der Religion.
Dieser Instinkt fehlt vielen Muslimen in Deutschland. (Den Xenophoben und den Islam“kritikern“ fehlt er ganz.)
Aber diese Vielfalt ist ein Faktum. Genauso wie die Multikulturelle Gesellschaft. Ich plädiere dafür, sie zu bejahen und als Segen zu betrachten.
Shirley: super. Konsequente Muslime, genau. Und diese werden am Heftigsten bekämpft, gerade weil sie notwendigerweise sichtbar sind.
Pingback: Liberal vs. Konservativ – Dokumentation | Serdargunes' Blog
http://www.faz.net/artikel/C31373/islamischer-bekenntnisunterricht-die-religion-in-den-grenzen-des-klassenzimmers-30483400.html
Lieber Leo Brux,
sie scheinen ja einiges völlig missverständlich verstanden zu haben. Ihre Aufregung ist für mich mehr als unverständlich. Worüber regen Sie sich denn gerade auf? Dass ich eine andere Umschreibung bzw. Begriffsdefinition als für die von Ihren Reihen als „konservativ“ abgestempelten Muslime verwende? Und zwar konsequent? Konsequenz ist für Sie ein negativ behafteter Begriff? Aber konservativ nicht? Hm sehr interessant…
Im Übrigen schreiben Sie meinen Äußerungen Dinge zu, für die ich nicht im Geringsten einstehe. Ich bin für eine plurale und offene Gesellschaft, in der JEDER uneingeschränkt die Religionsausübung wählen darf, die er persönlich für Richtig erachtet. Bitte gestatten Sie jedoch auch diejenigen Muslimen, dass Sie sich als sogenannte „konsequente“ Muslime verstehen, dass sie ihre religiösen Gebote auch ausleben wollen. Das gebietet ihnen soweit ich das weiß das Grundgesetz, für das ich vollkommen einstehe.
„Denn die Menschen müssen alle ihren eigenen Weg zu Gott finden, da kann ihnen eine Religionsgemeinschaft heute, in unserer individualisierten Welt, nur mehr bedingt helfen. „- Dagegen hat auch keiner etwas entgegenzusetzen, dass die Welt in der wir alle leben, plural und individuell auszugestalten ist. Da bejahen wir das Selbe!Wieso wird in einer Gesellschaft, die die Pluralität und die Verantwortung jedes Einzelnen betont, enstirnig, wenn es um die religiöse Praxis der Muslime geht?! Mehr als wiedersprüchlich Ihre Aussagen.
Und zu guter Letzt: Ich habe niemals für mich in Anspruch genommen zu definieren, wie Muslime zu sein und zu denken haben. Sie interpretieren aus welchen Gründen auch immer Dingen hinein, die nirgens genannt worden ist.
„Für mich ist ein konsequenter Muslim nicht das, was es für Sie ist. Ich schreibe Ihnen nicht vor, was ein konsequenter Muslim ist, und Sie schreiben bitte nicht anderen vor, was ein konsequener Muslim ist, und wenn Sie es doch tun, sage ich Ihnen, dass Sie unverschämt sind und hoffe, dass der Staat sich auf solche Unverschämtheiten nicht einlässt, sondern das Prinzip der Religionsfreiheit und der Gleichberechtigung der Religionen und der Pluralität unter ihnen konsequent umsetzt. Wir sind hier in Deutschland, und die einen Muslime haben nicht für die anderen Muslime zu definieren, was Islam ist. Sie können sagen: Für UNS ist Islam dies oder das. Sie können aber nicht sagen: Islam ist für ALLE dies oder das – wenn es offensichtlich nicht der Fall ist. “
Auch bei diesem Absatz kann ich nur schmunzeln, an keiner Stelle meines Kommentars wurde erwähnt, dass ich zu bestimmen hätte, wer konsequent lebt. Anscheinend legen Sie es darauf an, diese Unterscheidung mit ihrem „liberalen Islam“ (was auch immer das sein mag) zu machen. Stattdessen habe ich als letzten Satz eingefügt: !Es ist nicht das Problem der meisten hier lebenden Muslime.! Es ist nicht ein Problem der meisten Muslime, weil Muslime diese Unterscheidung in „liberal“ und „konservativ“ nicht brauchen und sich nicht idendifizieren können. Vielleicht brauchen Sie solche Kategorien, um sich irgendwo verorten zu können?!
Shirley,
es freut mich, das alles zu lesen, was Sie geantwortet haben.
Vielleicht sind wir also grundsätzlich nicht so weit auseinander, wie ich es mir erschienen ist.
Vielleicht.
Interessant wird es dann, wenn wir über gewisse Schlüsselfragen diskutieren. Wobei ich natürlich zugestehen muss, dass ich hier nur als Außenstehender und Beobachter und nicht als Mitentscheidender mitdiskutieren kann, denn was im islamischen Religionsunterricht gelehrt wird, entscheiden die Muslime in Deutschland selbst.
Ich habe zwei recht verschiedene Themen vorgeschlagen, bei denen ich sowas erkennen kann wie einen grundsätzlichen Unterschied zwischen dem, was ich den „liberalen“ Islam nennen könnte und dem, was ich den „konservativen“ Islam nennen könnte. Ich verteile solche Label durchaus gern, lasse mich auch gern dabei korrigieren, aber ich lege auf die Wahrnehmung und verbale Fixierung von Unterschieden wert, wenn es um politische Debatten geht – und darum geht es, auch wenn viele zu meinen scheinen, es sei kein politischer Akt, wenn man bestimmt, was im Curriculum eines Religionsunterrichts niedergelegt wird.
Wenn jemand mir sagt, ich lebe auf die und die Weise ganz privat meine Religion, und die praktischen Äußerungen dieser Lebensweise werden nicht zum Gegenstand öffentlichen Aufsehens, dann kann Religion als reine Privatsache angesehen werden. Aber wenn man über Religionsunterricht redet, redet man politisch über etwas Politisches: über eine res publica, eine öffentiche Angelegenheit, die im Rahmen politischer Institutionen politisch legitim entschieden werden muss.
Da hat dann Lamya Kaddor schlicht und einfach recht, wenn sie eine politische Sprache spricht in der Diskussion um die Inhalte des Religionsunterrichts in NRW. Ich bin nicht bereit, diese POLITISCHE Debatte unterlaufen zu lassen durch die schlichte Haltung, es sei doch alles einfach nur religiöse Entscheidung einer breiten Mehrheit von Muslimen, die mit Richtungen und Labeln und dergleichen nichts am Hut habe … Religiöse Entscheidungen auf der geschilderten Ebene sind politische Entscheidungen. Niemand braucht privat die Unterscheidung liberal-konservativ oder was immer, aber wenn man öffentlich streitet, dann braucht man solche Unterscheidungen. Sonst findet die Debatte nicht statt, mangels Vokabular.
Jetzt rede ich auch schon wieder grundsätzlich. Dabei wollte ich vorschlagen, dass wir uns doch mal einen sachlichen Streitpunkt beim Aufbau des Curriculums aussuchen. Ich hab zwei vorgeschlagen – im Rahmen des Artikels, den ich geschrieben habe. Ich bin aber auch gerne bereit, mir andere sachliche Streitpunkte vorzunehmen – schlagen Sie etwas vor! Ich möchte sehen, wo genau die Differenzen in den Inhaltsfragen liegen und wie sie aussehen.
„Große Teile der Gesellschaft wünschen sich aber etwas anderes, und zwar den unsichtbaren Muslim à la Carte, der einmal im Jahr zum Zuckerfest in die Moschee ohne Minarett geht, Kopftücher ins Museum hängt, sich zwischendurch mal ein Bier zischt, im Ramadan die Rollos runtermacht und sich ganz im Necla-Kelek-Style durch den Genuss einer Bratwurst von seinen angeblich inneren Zwängen befreit.“
Um genau zu sein, 86%!(Fourotan)
Der LIB, …. Einfach nur enttauschend!
http://www.islamische-zeitung.de/?id=14999