Baden-Württemberg
Bilkay Öney hebt Gesinnungstest auf – das Ende eines beispiellosen Kapitels
Die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) hat den Gesinnungstests für einbürgerungswillige Migranten aufgehoben. Damit geht ein peinliches Kapitel Einbürgerungsgeschichte zu Ende.
Von Ekrem Şenol Montag, 01.08.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 05.08.2011, 3:12 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Mit einem Schreiben des Integrationsministeriums an die Regierungspräsidien und die Staatsangehörigkeitsbehörden bei den Landratsämtern und den Stadtkreisen wurde der baden-württembergische Einbürgerungstest mit Wirkung zum 29. Juli 2011 aufgehoben. Damit geht ein über fünfeinhalb Jahre währendes Einbürgerungskapitel zu Ende, das an Peinlichkeit kaum zu überbieten ist.
Der Test wurde Anfang 2006 unter dem Namen „Gesinnungstest“ bekannt und sorgte mit auf Muslime zugeschnittenen Fragen für Verwirrung. Vorgesehen war, dass die Einbürgerungsbewerber 30 Fragen beantworten, die sich auf das Wesen der Demokratie, die Religionsfreiheit und religiöse Gefühle, die Terroranschläge von New York und Washington 2001 und Madrid 2004, das Rollenverständnis von Mann und Frau und Homosexualität beziehen.
Urheber des Tests veröffentlichte bei Politically Incorrect
Einer dieser Fragen lautete: „Stellen Sie sich vor, Ihr volljähriger Sohn kommt zu Ihnen und erklärt, er sei homosexuell und möchte gerne mit einem anderen Mann zusammenleben. Wie reagieren Sie?“ Diese inhaltliche Ausrichtung führte zu breiter Kritik muslimischer Verbände und von zahlreichen Politikern. Hauptvorwürfe waren die Stigmatisierung und Diskriminierung von Muslimen und der Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz.
Gut ein Jahr später wurde bekannt, dass der Test und die Fragen im Wesentlichen unter der Leitung von Rainer Grell entstanden sind, der bis zu seiner Pensionierung (Juni 2006) Leiter des Referats für Staatsangehörigkeitsrecht im Innenministerium Baden-Württemberg war. Nach der unfreiwilligen Versetzung in den Ruhestand veröffentlichte Grell ein Manuskript mit dem Titel: „Dichtung und Wahrheit: Die Geschichte des ‚Muslim-Tests‘ in Baden-Württemberg“, den er exklusiv im rechtsextremen und islamfeindlichen Blog Politically Incorrect veröffentlichte.
Kaum praktische Bedeutung
In den Monaten und Jahren nach der Einführung wurde der Einbürgerungstest mehrmals nachjustiert. Das Integrationsministerium teilt mit, dass die Wirkungen des Tests eher gering waren: „Er wurde in den vergangenen Jahren vor allem dann angewandt, wenn seitens der Sicherheitsbehörden Erkenntnisse bezüglich des Einbürgerungsbewerbers vorlagen und das Innenministerium die Einbürgerungsbehörden ausdrücklich um die Führung des Gesprächs gebeten hatte.“
Von der Aufhebung des Gesinnungstests bleibt der bundesgesetzlich vorgesehene Einbürgerungstest sowie die Abgabe der Loyalitätserklärung aber unberührt. „Das Bekenntnis des Einbürgerungsbewerbers zur freiheitlich demokratischen Grundordnung ist elementare Voraussetzung für die Einbürgerung. Null Toleranz gegenüber Extremisten gilt auch weiterhin“, sagte Öney am Freitag in Stuttgart.
Leitartikel Politik
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