Die Zweiteilung

„Unsere Gesellschaft“ und die „andere Gesellschaft“

„Mit der Einführung eines eigenen Straftatbestands bringen wir zum Ausdruck, dass unsere Gesellschaft Zwangsehen konsequent ächtet“, so Maria Böhmer am Donnerstag nach dem Beschluss des Gesetzes im Bundestag - die Zweiteilung der Gesellschaft.

Von Freitag, 18.03.2011, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 22.03.2011, 1:04 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Mit den Stimmen der CDU/CSU und FDP wurde am Donnerstag das zuvor heftig kritisierte „Gesetzes zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften“ beschlossen. Kurz danach teilte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU) mit: „Der heutige Tag ist ein wichtiges Datum im Kampf gegen Zwangsverheiratungen“. Das Gesetz setze „ein wichtiges Signal“.

„Signal“ und „Symbol“ führt der Duden als Synonym auf. Zu Recht, wenn man sich anschaut, was im Strafgesetzbuch geändert wurde. Wurden Zwangsverheiratungen bisher als ein Fall von schwerer Nötigung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft, sollen Täter künftig gemäß einem eigens dafür geschaffenen Straftatbestand geahndet werden – mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.

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Die Zweiteilung
Böhmer weiter: „Mit der Einführung eines eigenen Straftatbestands bringen wir zum Ausdruck, dass unsere Gesellschaft Zwangsehen konsequent ächtet. Wenn Frauen gegen ihren Willen verheiratet werden, ist dies eine Menschenrechtsverletzung, die entschieden bekämpft werden muss.“

Folgt man dem Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, gibt es neben der „unseren Gesellschaft“ auch eine „andere Gesellschaft“, der gegenüber „wir“ ja zum Ausdruck bringen, dass Zwangsehen „geächtet“ sind. Wer aber ist die „andere Gesellschaft“? Böhmer gibt in derselben Erklärung die Antwort: Es ist die „Parallelgesellschaft“. Die wiederum ist laut Duden „eine größere, nicht integrierte Gruppe“.

Die Aufgaben des Integrationsbeauftragten gemäß § 93 Nr. 2 AufenthG: „die Voraussetzungen für ein möglichst spannungsfreies Zusammenleben zwischen Ausländern und Deutschen sowie unterschiedlichen Grup- pen von Ausländern weiterzu- entwickeln, Verständnis füreinander zu fördern und Fremdenfeindlichkeit entgegenzuwirken“

Die Subsumtion ergibt: Es gibt eine „größere Gruppe“, die Zwangsehen nicht „ächtet“. Das ist das „Signal“ – an „unsere Gesellschaft“! Und was schreckt da besser ab, als ein Straftatbestand?

Dabei dürften nahezu alle Menschen aus der„unseren“ wie auch der „anderen“ Gesellschaft, Böhmers Aussage, dass Zwangsverheiratungen Menschenrechtsverletzungen sind und bekämpft werden müssen, uneingeschränkt unterschreiben. Das zu vermitteln, wäre Integrationspolitik. (es)
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  1. Sonata sagt:

    Ja wenn alle gegen Zwangsheiraten sind, so sollten doch auch alle das Gesetz gegen Zwangsheiraten unterstützen. In Deutschland gibt es auch nicht viele Morde, auch hier wird das Gesetz gegen Mord von der Mehrheit unterstützt. Integration in diesem Zusammenhang wäre übrigens, wenn gerade Migranten in diesem Fall auf das Verhalten ihrer Mitbürger achten und auf sie einwirken würden.

    Angst vor solchen Gesetzen haben immer nur Täter und ihre Unterstützer. In unserem Land haben Mädchen und Frauen die gleichen Rechte wie Männer, da ist die Bestrafung gewalttätigen Verhaltens gegen Frauen mehr als wünschenswert und nötig.

  2. Europa sagt:

    „Die Subsumtion ergibt: Es gibt eine „größere Gruppe“, die Zwangsehen nicht „ächtet“. Das ist das „Signal“ – an „unsere Gesellschaft“! Und was schreckt da besser ab, als ein Straftatbestand?“

    Ich weiss nicht wie die Muslime und Türken es machen, aber am Ende schaffen sie es immer sich in Opferstellung zu bringen. Erinnert mich an diese schwarzen Käfer denen man im Wald begegnet, die sich direkt auf den Rücken legen und tot stellen, wenn sie Gefahr wittern.
    Genau durch solche Gesetze zeigen wir doch den hier lebenden Migranten, dass es in Deutschland anders zugeht als in der Türkei und das ist auch vollkommen richtig so. So muss man vllt einfach mit diesen Menschen umgehn, damit diese Menschen nicht nur in Deutschland ankommen sondern Deutschland auch bei ihnen. Gut gemeinte Worte scheinen sie nicht verstehen zu wollen, also muss man halt Gesetze machen um diese Menschen zu zwangsintegrieren. Integration ist eine Pflicht der ankommenden Gesellschaft gegenüber der Einheimischen die eingehalten werden muss!

  3. Sinan A. sagt:

    Sehr schön herausgearbeitet, gute Arbeit!
    Verändert wird nichts, aber es wird ein Signal gesendet, von den unseren hier und den anderen da.

  4. Udo sagt:

    Und dann erhöht man die Mindestbestandzeit einer Ehe, vor eventueller Erteilung einer eigentständigen Aufenthaltserlaubnis, von zwei auf drei Jahre. Das ist ungemein Hilfreich für Frauen, die unter einer Zwangverheiratung leiden.

  5. Sonata sagt:

    @udo

    Eine Frau die unter einer Zwangsheirat leidet, kann sich gern an die verantwortlichen Behörden oder andere Hilfseinrichtungen wenden. Dort bekommt sie entsprechende Hilfe. Gerade dazu wurde das neue Gesetz geschaffen.

    Jedoch wird eine Migrantin nicht automatisch durch eine Hochzeit Deutsche. Sie bleibt eben z.B. Türkin. Sollten sie sich jetzt über eine eventuell schlechte Behandlung der türkischen Frau nach Rückkehr in ihr Land beklagen, das ist sicher ein beklagenswerter Zustand.

    Leider findet man nur wenige Menschen, die den Mut zur Kritik an Ländern haben, in denen Zwangsehen die Regel sind. Statt dessen kritisiert man lieber eine Gesetzgebung, die Frauen die notwendigen und zustehenden Rechte einräumt. Ist viel einfacher und risikoloser.

  6. Boli sagt:

    1. Das Problem der Zwangsehe ist eines der türkischen Gesellschaft und nicht der deutschen Gesellschaft. Daraus ergeben sich zwangsläufig zwei verschiedene Gesellschaften.
    2. Wenn Zwangsehe in der Türkei kein Problem wäre bräuchten wir in Deutschland nicht solche Gesetze. Es ist eigentlich mehr eine Schande das wir solche brauchen als den Fakt das wir solche einführen.
    3. Und Sonata hat oben erwähnt das sich unterdrückte Frauen an entsprechende Behörden, Frauenhäuser wenden können. Denn eine Frau die dermassen misshandelt und unterdrückt wird, wird weder 2 noch 3 Jahre lang in solch einer Ehe bleiben wollen. Was wohl richtig ist und das betrifft aber vor allem neu eingereiste Frauen aus der Türkei. Sie werden so oder so gehen müssen da eine zwangsverheiratete Frau wohl kaum eine Arbeit vorweisen kann. Anders bei Frauen die schon in Deutschland geboren sind oder gar den deutschen Pass haben.
    Sollte es also zu einer Ausweisung kommen da keine Arbeit, somit kein Aufenthaltsrecht vorweisbar ist, könnte solch eine Frau zumindest im Rahmen des Touristenvisums für 3 Monate den Schutz eines deutschen Frauenhauses geniessen. In dieser Zeit sollte mit gleichen Stellen in der Türkei dafür gesorgt werden, das die Frau nicht in die Hände ihrer Familie gerät sondern andernorts ebenfalls in ein Frauenhaus kommt. Und dort sollten die türkischen Behörden dafür Sorge tragen, das die Frau eine neue, freie, selbstbestimmte Zukunft für sich aufbauen kann.
    Die Türkei fängt gerade erst damit an diese Probleme zu thematisieren, nur solange sie ungelöst sind kann Deutschland nicht in Haftung genommen werden für die Lösung des Problems.

  7. Europa sagt:

    @Udo
    „Und dann erhöht man die Mindestbestandzeit einer Ehe, vor eventueller Erteilung einer eigentständigen Aufenthaltserlaubnis, von zwei auf drei Jahre.“

    Warum läuft eigentlich alles am Ende auf diese Aufenthalterlaubnis hinaus? Hat man als Erdenmensch ein Recht auf eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland? Gibts als Türke keine Zukunft mehr, wenn man in Deutschland keine Aufenthaltserlaubnis kriegt? Ist das Leben in der Türkei wirklich so schrecklich, dass alle da weg wollen? Viele Menschen erzählen mir immer dass die Türkei soviel toller als Deutschland sein soll und trotzdem wollen alle von da weg.
    Rästel, Rätsel! Ob ich wohl angelogen wurde?

  8. Daniel S. Lee sagt:

    Ich weiß ja nicht, ob wir hier alle den selben Text gelesen haben. Aber hier steht doch:

    „Wurden Zwangsverheiratungen bisher als ein Fall von schwerer Nötigung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft, sollen Täter künftig gemäß einem eigens dafür geschaffenen Straftatbestand geahndet werden – mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.“

    Das heißt, Zwangsverheiratungen waren auch früher schon strafbar! Durch die Einführung eines neuen, eigenen Straftatbestandes wird also in der Praxis so gut wie nichts geändert, außer, dass der Straftatbestand einen anderen Namen bekommt. Die Strafbarkeit und die Strafhöhe bleiben gleich, sprich: Was vorher verboten war, bleibt auch verboten.

    Wenn sich für Opfer und Täter aber nichts (außer der Bezeichnung) ändert, Zwangsverheiratungen also schon immer verboten waren, ja, wozu dann der neue Straftatbestand?

    Hier kommt der Autor zum Schluss, dass es bei dem neuen Straftatbestand nur um eine Symbolhandlung handeln könne, die ein Signal an eine sogenannte Parallelgesellschaft sei. Und da dieser neuer Straftatbestand ja offenbar nicht für die Mehrheitsgesellschaft gedacht sei, unterstützt diese Unterscheidung die Kluft zwischen Mehrheitsgesellschaft und Parallelgesellschaft. Es suggeriert, Zwangsverheiratungen seien in der Parallelgesellschaft üblich. Und das ist nach meiner Erfahrung ein ungerechter Vorwurf, der Vorurteile nur verstärkt.

    Oder habt ihr konkrete Belege dafür, dass die Mehrheit der Migrantinnen zwangsverheiratet ist?

    Integrationsfördernd war die Schaffung des neuen Straftatbestandes jedenfalls nicht.

  9. Boli sagt:

    @Lee

    Sie mögen recht damit haben, das Zwangsheiraten vorher auch schon strafbar waren nur mit der ausdrücklich separaten Definition als eindeutig bezeichnete Straftat wird jegliche Spekulation bezüglich Umgang mit diesem Phänomen ausgeschlossen. Ich denke vorher war die Sachlage etwas schwammiger und eine Frau musste den Nachweis eines Zwanges wohl eindeutiger beweisen. Heute dürfte es reichen wenn der Vorwurf nur gegen entsprechende Personen nur ausgesprochen wird. Außerdem denke ich das ein ausdrücklicher Schutz im Falle einer Zwangsheirat einer verstärkten Regelung bzw. Aufmerksamkeit zuteil wird. Also ein energischeres Eingreifen des Staates wird wohl kommen.

  10. Leo Brux sagt:

    Wie Daniel S. Lee frage ich mich auch, ob denn Eurpa, Sonata und Boli den Artikel gelesen haben.

    Europa zum Beispiel schreibt:
    Genau durch solche Gesetze zeigen wir doch den hier lebenden Migranten, dass es in Deutschland anders zugeht als in der Türkei und das ist auch vollkommen richtig so.

    Der Artikel stellt fest: Es gibt in Deutschland fast nur Migranten aus der Türkei, die die Zwangsehe ablehnen. Man muss also den Migranten aus der Türkei nicht zeigen, dass es hier anders zugeht als in der Türkei. ´Die wissen das – und sie schätzen es auch, dass Zwangsehen nicht erlaubt sind.

    Europa könnte, hätte er den Artikel gelesen, dagegen argumentieren: Die Zahl der Deutschtürken, die die Zwangsehe befürworten, ist groß. Er könnte dann dafür Belege vorbringen – hätte er welche. Das tut der Mann aber nicht. Wenn man ein Ressentiment reitet, braucht man das nicht zu tun.

    Boli nimmt die Sache etwas ernster – und versucht sich in Spekulationen: Ich denke vorher war die Sachlage etwas schwammiger und eine Frau musste den Nachweis eines Zwanges wohl eindeutiger beweisen. etcetera

    Ist das so? Warum schaut Boli nicht mal in entsprechenden Texten nach, bevor er sich was aus dem Finger saugt? Wär doch interessant, wenn es da tatsächlich einen juristisch relevanten Unterschied gäbe.

    Es bleibt die Frage: Warum wird hier bei einem völlig marginalen Problem, das bereits rechtlich in sicherem Griff war, nochmal symbolisch draufgelegt – und dabei bewusst der (falsche) Eindruck erweckt, dass die türkischstämmigen Migranten als Community Zwangsehen befürworten würden?

    Es ist ein hässliches Beispiel von Symbolpolitik. Die Union tut so, als tue sie was gegen Migranten, um Boli und Europa und Sonata ruhigzustellen. In Wirklichkeit hat sie nichts verändert – außer, die Spaltung zu vertiefen.

    Immerhin eine Leistung, die Boli, Europa und Sonata schätzen werden.