Burka Verbot

Das Phantom des öffentlichen Dienstes

Uwe Schünemann führt erneut eine Phantomdebatte. Er fordert ein gesetzliches Verbot für Burkas im öffentlichen Dienst. Die Vorlage liefert ein Angestelltenverhältnis aus Hessen. Eine Muslima wollte künftig eine Burka tragen.

Montag, 07.02.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 19.07.2011, 3:49 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) ist bekannt für seine Jagden nach muslimischen Phantomen. Das hat er bereits mit seinen verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen unter Beweis gestellt. Mit Maschinengewehren bewaffnete Einsatzkommandos kontrollierten noch bis 2010 ohne jeglichen Verdacht und nach Gutdünken unbescholtene Muslime nach dem Freitagsgebet vor den Moscheen. Ebenso ist seine Forderung nach verstärkter Polizeipräsenz in „islamisch geprägten Stadtvierteln“ gut in Erinnerung wie die Nichteinbürgerung eines Marokkaners, weil dieser gelegentlich eine Moschee zum Beten aufgesucht hat.

Schünemann fordert Burkaverbot
Nun wandelt Schünemann auf den Spuren des ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), der einst ein Burkaverbot an Hessens Schulen durchsetzen wollte, owohl kein einziger Fall existierte, das ein Verbot hätte rechtfertigen können. Auch in Niedersachsen ist kein einziger Burka-Fall im öffentlichen Dienst bekannt. Und auch das hindert Schünemann nicht daran, „ein generelles Burka- und Verschleierungsverbot für den öffentlichen Dienst“ zu fordern.

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Anlass ist der Fall einer Frau aus Hessen, die nach ihrem Erziehungsurlaub ihre Stelle im öffentlichen Dienst mit einer Burka antreten wollte. Dieser bisher einmalige Vorfall wurde mittlerweile gütlich beigelegt. Auf Vorschlag der Angestellten wurde das Arbeitsverhältnis aufgelöst.

Auch Grufti- und Punktverbot?
Nicht immer gehen die Parteien in solchen Fällen aber einvernehmlich auseinander, wie ein Blick in Rechtsdatenbanken zeigt. Der Lebenswandel von Menschen im öffentlichen Dienst mit Bürgerkontakt führte oft zu Streitigkeiten, die sogar vor Gericht endeten. Nach einem Burka-Fall sucht man jedoch vergeblich. Vielmehr stößt man auf Grufti- oder Punkstyle-Fälle.

Dass Schünemann sich ausgerechnet für ein Burka-Verbot starkmacht, ist für die Grünen-Landtagsabgeordnete Filiz Polat bezeichnend. Schünemann instrumentalisiere ein nicht existierendes Problem. „Wer jetzt Anti-Burka-Gesetze fordert, dem geht es vor allem darum, auf populistische Weise Punkte zu sammeln und sich dabei anti-islamische Ressentiments zunutze zu machen“, so auch Konstantin von Notz, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion.

Phantomdebatte
Die Kritik aus den Reihen der Linkspartei ist ähnlich. Mit diesem Einzelfall „hat die CDU wieder ein Thema gefunden, dass sie zu einer Islam-Kampagne hochstilisiert“, so Christine Buchholz. Die innenpolitische Sprecherin der Linken im niedersächsischen Landtag, Pia Zimmermann, knüpft nahtlos an: „Innenminister Schünemann eröffnet zum wiederholten Mal eine populistische Phantomdebatte.“ Das Problem stelle sich überhaupt nicht.

Auch die Sozialdemokraten in Niedersachsen warnen vor einer Phantomdebatte. „Bevor es zu einer gesetzlichen Regelung kommt, sollte geklärt werden, wie hoch der Regelungsbedarf überhaupt ist. Klar ist: Die Zahl der Burkaträgerinnen in Niedersachsen, aber auch in Deutschland insgesamt, ist verschwindend gering. Die Burka wird von der Mehrzahl der Muslime abgelehnt“, so die integrationspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Silke Lesemann.

Verbot ohne Wirkung in Hessen
Rückendeckung darf Schünemann auch von der FDP nicht erwarten. Der innenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Jan-Christoph Oetjen, warnt ebenfalls vor „einer reinen Symbolpolitik“: „Der Großteil der muslimischen Frauen lehnt eine Komplettverschleierung ohnehin ab. Die Diskussion geht an der Lebenswirklichkeit in deutschen Ämtern vorbei.“

Unterdessen hat der hessische Innenminister Boris Rhein (CDU) das Tragen von Burkas per Erlass verboten. Nach Meinung des Innenexperten der SPD im Bundestag, Sebastian Edathy, wird das eine ähnlich große Wirkung haben, „als wenn man Staatsbediensteten das unbekleidete Erscheinen zur Arbeit verbieten würde“. Im Gegensatz zu Schünemann kann Rhein aber zumindest auf einen realen Fall zurückblicken. (eb)
Politik

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  1. Pragmatikerin sagt:

    @ Bogo 70
    Sie schrieben:
    „und wenn jemand seinen Arbeitsplatz verliert, dazu Ansprüche erworben hat, ist es sein gutes Recht die erworbenen Ansprüche in Anspruch zu nehmen“

    Im Prinzip haben Sie Recht, aber wenn jemand seinen Arbeitsplatz mutwillig aufs Spiel gesetzt hat, wie diese – verhinderte – Burkaträgerin, gehört ihr – zumindest für eine gewisse Zeit – keine Unterstützung. Gut ist, dass unser Sozialsystem darauf ausgerichtet ist. 3 Monate wird die „Dame“ sicherlich kein Geld erhalten.

    Da aber die „Sparsamkeit“ einiger Migranten sprichwörtlich ist, wird sie dann später auf Dauer gut mit Hartz IV zurecht kommen (sorry ALG II war verkehrt).

    Pragmatikerin

  2. Europa sagt:

    Eigentlich laufen die Diskussionen hier doch immer gleich ab: Manche Leute geben ihre Kommentare zu dem Artikel ab und andere glauben sich hier als Anwalt der Muslime und der Religionsfreiheit beweisen zu müssen. Leider vergessen letztere, dass Gesetze geändert werden können. Man sollte also nicht als totschlagargument jedesmal das GG auspacken.
    Man steht doch hier nicht vor dem Gericht und will am ende eine Entscheidung. Bei bogo70 frage ich mich manchmal ob sie sich nicht zuviel in irgendwelchen Gesetzestexten hineinsteigert. Wir sind doch Menschen und ich denke nicht bei allem was ich im alltag mache an irgendwelche Gesetze sondern an Manieren, Sitten und Gebräuche, da sind die Gesetze meist eh schon inbegriffen. Wenn man denkt dass man ein guter Mensch ist, nur wenn man sich an die Gestze hält, dann macht man ein Fehler.
    Ein Burka-Verbot hätte den Vorteil, dass wahrscheinlich viele Frauen ihrem Mann direkt von vornherein sagen würden, dass sie mit vollverschleirung nicht arbeiten dürften. Mich wundert immer wieder diese total übertriebene Toleranz der Muslime gegenüber der Vollverschleierung. Warum soll man das denn nicht verbieten? Weil man sonst vllt auch andere Sachen verbieten könnte wie z.B. Kopftücher in der Schule und das wollen unsere konservativen „Freunde“ aus der Türkei und der DITIB natürlich unbedingt verhindern.
    Mich würde mal interessieren wieviele Menschen in Deutschland überhaupt noch an der Religionsfreiheit festhalten würden, wenn es eine Umfrage gäbe. Also ich brauch die Relgionsfreiheit nicht und ich bin der Meinung dass es kein Gesetz geben darf unter dem die oben beschriebenen Dinge passieren können.

    http://www.citizen-times.eu/wir-muslime-geniesen-hier-ein-maximum-an-religionsfreiheit/

    @bogo70
    “und wenn jemand seinen Arbeitsplatz verliert, dazu Ansprüche erworben hat, ist es sein gutes Recht die erworbenen Ansprüche in Anspruch zu nehmen”

    Damit haben sie vollkommen recht, aber tatsache ist, dass es moralisch verwerflich ist und dass diese Frau eigentlich nur eine Lück im Gesetz ausnutzt. Als Migrant sollte mehr machen als immer nur Gesetzeslücken auszunutzen und sich im Graubereich zu bewegen. (Das Wort „getürkt“ kommt ja auch nicht von ungefähr :-) )
    Und jetzt mal ganz im ernst: Diese Frau wusste ganz genau, dass sie da nicht mit vollverschleierung arbeiten durfte, aber wenn sie von sich aus gekündigt hätte dann hätte es womöglich kein HartzIV gegeben und das wusste diese Frau. Sie hat nur versucht den Staat noch maximal auszunutzen bevor sie zuhause nur noch die Hausarbeit machen darf. Wahrscheinlich ist ihr Mann eh der wahre Schuldige.

  3. Pragmatikerin sagt:

    Hallo Europa,

    Sie schrieben: „Eigentlich laufen die Diskussionen hier doch immer gleich ab: Manche Leute geben ihre Kommentare zu dem Artikel ab und andere glauben sich hier als Anwalt der Muslime und der Religionsfreiheit beweisen zu müssen…“

    Diese Aussage finde ich, war überfällig.

    Wenn man manche Antwort auf einen Kommentar hier liest, stellt man entsetzt fest, dass entweder die „Rosinen“ herausgepickt wurden oder der Poster /In bei den Antworten sich an einem Satz „aufhängt“.

    Wie ich schon mehrmals schrieb, ist eine Diskussion etwas anderes als das, was hier manchmal „serviert“ wird.

    Ich denke, nicht nur eine Kultur braucht einige Zeit des Kennenlernens, ebenso muss auch eine Diskussionskultur/Streitkultur „erlernt“ werden.

    Danke Europa für Ihren Kommentar, er spricht mir aus der Seele. :-)

    Pragmatikerin

  4. Sonata sagt:

    Und ich kenne auch kaum Rechtsradikale, die Muslime angreifen. Oder Mörder, davon kenne ich keinen Einzigen. Mit obiger Diskussion brauchen wir auch gegen diese nichts mehr zu unternehmen. Tolle Einstellung.